Statt beim 3:2 des BVB in Hannover war Neuzugang Matthias Ginter bei der 1:4-Niederlage der zweiten Mannschaft in Liga drei dabei – ein Tiefpunkt.
Hannover.
Mit hängenden Köpfen schlichen Matthias Ginter und seine Kollegen vom Platz. Mit 1:4 hatten die Spieler von Borussia Dortmund verloren, ein herber Rückschlag im Abstiegskampf. Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt acht Spieltage vor Schluss fünf Punkte.
Dass den BVB-Fans am Samstag sich trotzdem ausgelassen freuten, lag daran, dass sich nur wenig Stunden später die erste Mannschaft durch einen 3:2-Sieg bei Hannover 96 wohl ihrer Abstiegssorgen endgültig erledigte. Doch dabei durfte der Weltmeister nicht mitwirken, Ginter kam stattdessen in der zweiten Mannschaft in Liga drei zum Einsatz, die gegen den MSV Duisburg mit 1:4 verlor. Es war der vorläufige Tiefpunkt einer Saison voller Enttäuschungen für den Neuzugang.
BVB holte den Abwehrspieler für zehn Millionen Euro vom SC Freiburg
Denn anders als Erik Durm, der zuletzt auch in der BVB-Zweitvertretung spielte, musste Ginter nicht nach einer Verletzung wieder erste Spielpraxis sammeln. Und seine Abstellung war auch kein Hilfseinsatz für die notleidenden Amateure – BVB-Trainer Jürgen Klopp hatte erst kürzlich betont, dass die Profimannschaft absolute Priorität genieße und er seinen Kader ohne Rücksicht auf die zweite Mannschaft zusammenstelle. Ginter ist also, so sieht es zumindest der Coach, derzeit nicht gut genug, um der Bundesliga-Mannschaft weiterzuhelfen. Und dass, obwohl in Hannover kein einziger Innenverteidiger auf der Bank saß – dafür aber der gerade erst von einer Verletzung genesene 19-jährige Linksverteidiger Jeremy Dudziak, der prompt zu seinem Bundesliga-Debüt kam.
Dabei hatte der BVB im Sommer alles unternommen, um den 1,90 Meter großen Abwehrspieler nach Dortmund zu holen, hatte zehn Millionen Euro gezahlt, um ihn beim SC Freiburg auszulösen – und das, obwohl der Vertrag im Breisgau nur noch ein Jahr lief. Doch man hatte in Dortmund Angst, dass dann der FC Bayern ernsthaft ins Werben um das Abwehrtalent einsteigen könnte. Ginter erschien voller Tatendrang und mehrere Tage vor Ende seines Urlaubs im Trainingslager im Schweizer Kurort Bad Ragaz. „Ich habe mich bewusst für den nächsten Schritt entschieden, weil ich in Dortmund jeden Tag auf sehr hohem Niveau trainieren kann, weil ich immer dazu lernen kann und auch will“, sagte er.
Und die Voraussetzungen schienen gut: Mats Hummels hatte von der kräftezehrende WM in Brasilien einige körperliche Probleme mitgebracht, Neven Subotic machte nach langer Verletzungszeit erst langsam wieder die ersten Schritte im Mannschaftstraining – der Platz in der Startaufstellung schien Ginter in den Schoß zu fallen. „Schwarz-Gelb steht ihm gut“, witzelte Trainer Klopp – lobte aber auch ganz ernsthaft: „Der Junge ist total frisch und hochmotiviert, ein toller Fußballer.“
Doch bis zum ersten Rückschlag dauerte es ganze neun Bundesliga-Sekunden: Der Leverkusener Karim Bellarabi narrte den BVB-Neuzugang und schoss zum ersten von vielen Dortmunder Gegentoren ein, ein paar Wochen später unterlief ihm in Mainz ein Eigentor – und trotz seiner Erfahrung von über 80 Bundesligaspielen wirkte Ginter zusehends nervös und verunsichert, Schwarz-Gelb schien ihm gar nicht mehr zu stehen. Als dann Mats Hummels zurückkehrte, als Neven Subotic sich nach und nach weiter an seine alte Form herankämpfte, wurden die Einsätze für Ginter immer weniger.
Hrubesch nominiert Ginter für die U21 – nach Absprache mit Löw
Doch anders als bei manch anderem BVB-Akteur zweifelt die sportliche Leitung nicht grundsätzlich am jungen Innenverteidiger, das Vertrauen in Potenzial und Fähigkeiten des zweifellos begabten Abwehrspielers ist nach wie vor groß – zumal dieser in einer Phase hinzu kam, als beim BVB wenig funktionierte, als auch die erfahrenen Spieler wenig Sicherheit ausstrahlten und die ganze Mannschaft immer verunsicherter wirkte. Für derlei Zwischentöne aber ist in der aufgeregten Welt der Bundesliga nicht immer Platz: „Weltmeister in der dritten Liga“, titelten nicht wenige Medien aufgeregt und vergaßen auch nicht zu erwähnen, dass Bundestrainer Joachim Löw für die kommenden beiden Länderspiele ebenfalls auf Ginter verzichtete, der stattdessen in die U21 berufen wurde.
Das allerdings folgt einer klaren Absprache zwischen Löw und U21-Coach Horst Hrubesch: Im Juni findet in Tschechien die U21-Europameisterschaft statt, für die Hrubesch alle Spieler, die er braucht, zur Verfügung stehen sollen. Beim DFB ist man inzwischen überzeugt, dass ein Juniorenturnier als Führungsspieler für die Entwicklung der jungen Spieler mehr bringt als das Mitläufer-Dasein in der A-Nationalmannschaft. Als Beleg für die These gelten die U21-Europameister von 2009. Den Kern der damaligen Mannschaft bildeten Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Jerome Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira und Mesut Özil – für sie alle war es die Initialzündung zu einer großen Karriere, die im Weltmeistertitel 2014 gipfelte.
Auch darauf hofft man nun in Dortmund: Dass man im Sommer von Horst Hrubesch einen Matthias Ginter mit breiter Brust zurückbekommt, einen gefestigten jungen Mann, der dann auch das schwarz-gelbe Trikot s ausfüllt, wie man es sich von ihm erhofft und erwartet.