Berlin.
Bundestrainer Joachim Löw ist von Bundespräsident Christian Wulff mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Der Nationalcoach habe mit seiner Mannschaft einen neuen und leichten Patriotismus geschaffen.
Voller Stolz und mit einem Lächeln nahm Joachim Löw aus den Händen des Bundespräsidenten Christian Wulff das Verdienstkreuz entgegen – wenigstens für eine Stunde konnte der Bundestrainer seine vielen Alltagssorgen vergessen. Knapp drei Monate nach der Fußball-WM wurde Löw am Dienstag im Berliner Schloss Bellevue mit Lob überschüttet und empfing die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland.
Die 23 WM-Helden durften sich nach Platz drei in Südafrika zudem über das Silberne Lorbeerblatt freuen und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hand schütteln. Die Absagen von Bastian Schweinsteiger und Kevin Großkreutz für das EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei in Berlin am Freitag (20.45/ZDF) und die Formschwäche einiger DFB-Stars rückten deshalb kurz in den Hintergrund.
Erfolgreichster Trainer der DFB-Geschichte
“Sie sind, was die Ergebnisarithmetik angeht, der erfolgreichste Nationaltrainer der DFB-Geschichte, auch wenn es noch nicht zu dem großen Titel geführt hat“, sagte Wulff in seiner Laudatio auf Löw: „Sie sind beliebt bei den Fans, weil die Menschen ganz genau spüren, dass der Stil, den die Mannschaft spielt, dass das System, die Mentalität, der Geist, der sie ausmacht – dass das alles zutiefst von Ihnen geprägt ist.“
Löw zeige „ein modernes und transparentes Führungsverhalten, das übrigens auch vielen Unternehmen und Verwaltungen gut tun würde“, sagte der Bundespräsident und ergänzte: „Sie sind ein beispielhafter Fußballtrainer, eine vorbildliche Führungspersönlichkeit, ein international anerkannter Fußballfachmann und ein menschlich zutiefst sympathischer Sportsmann.“
Lob für die „Multi-Kulti-Mannschaft“
Auch die Multi-Kulti-Mannschaft um WM-Kapitän Philipp Lahm lobte Wulff in den höchsten Tönen. Er bezeichnete das DFB-Team als Spiegelbild Deutschlands und zog sogar einen Vergleich zur berühmten 54er-Weltmeister-Mannschaft um Fritz Walter. „Wenn man mit einem gewissen Recht sagen kann, dass das zweite Gründungsdatum der Bundesrepublik der 4. Juli 1954 war, als Deutschland in Bern zum ersten Mal Fußball-Weltmeister wurde, und die Leute zu sich selbst sagten „Wir sind wieder wer“, so kann man auch sagen, dass die Mannschaft von 2010 uns mit einem Mal ein neues und richtiges Bild von unserem Land verschafft hat“, sagte der Bundespräsident.
Die bunte deutsche Mannschaft in Südafrika habe alle begeistert. „Diese Mannschaft mit jungen Männern so unterschiedlicher Herkunft spiegelte Deutschland als das Einwanderungsland, das es längst schon geworden ist“, sagte Wulff, der in seiner Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit eindeutig Position in der Integrationsdebatte bezogen hatte.
Neuer Patriotismus
Während der WM seien für die ganze Welt ein „neuer, leichter und friedlicher Patriotismus“ und ein „neues, selbstbewusstes und dennoch nicht auftrumpfendes Deutschland“ sichtbar geworden, sagte Wulff und schloss: „Ich würde mir wünschen, Ihnen 2014 in Rio de Janeiro den WM-Pokal überreichen zu können.“ Lahm dankte Wulff im Namen der Mannschaft: „Das ist eine große Ehre und ein Ansporn für uns, in naher Zukunft wieder Titel zu holen.“
Löw betonte, er sei „sehr stolz“, nehme die Auszeichnung aber nur stellvertretend für alle an, „die bei der WM wesentlich dazu beigetragen haben, dass wir Erfolg hatten – die 23 Spieler, das gesamte Trainerteam, Oliver Bierhoff, die Betreuer, die medizinische Abteilung, das Team hinter dem Team und auch die Fans“.
Vorbereitung auf Qualifikationsspiel gegen Türkei
Er betrachte die Ehrung auch als Auszeichnung „für unsere Grundwerte bei der Nationalmannschaft: Vertrauen, Loyalität, Respekt, Ehrgeiz, Teamgeist, Fair Play.“ Man habe bei der WM, so Löw weiter, „in Deutschland und in der ganzen Welt hohe Wertschätzung gewonnen. Das war nicht Teil einer großen Imagekampagne, sondern ist aus innerer Überzeugung erfolgt. Das Auftreten ist heutzutage manchmal wichtiger als der eine oder andere Sieg.“ Der Bundestrainer steht nach der Ehrung in einer Reihe mit Sportgrößen wie Franz Beckenbauer und Max Schmeling.
Die DFB-Auswahl traf sich am Montagabend in Berlin zur Vorbereitung auf die beiden Qualifikationsspiele gegen die Türkei und am 12. Oktober (19.00 Uhr MESZ/ZDF) in Astana gegen Kasachstan. Nach den Absagen von Schweinsteiger wegen einer Fußverletzung sowie der erkrankten Marcell Jansen und Großkreutz stehen Löw 19 Spieler zur Verfügung. Eine Nachnominierung hat der Bundestrainer bisher ausgeschlossen.
Personalsorgen
Besonders das Aus für WM-Star Schweinsteiger sorgte im Lager der Nationalelf, die am Morgen eine Regenerationseinheit absolviert hatte, für Frust. Lahm sprach von einem Ausfall, „der weh tut“. Löw war bemüht, Gelassenheit an den Tag zu legen: „Das sind Dinge, die nach einer WM passieren. Er ist für uns eminent wichtig. Er kann mit seiner Sicherheit, seiner Ausstrahlung und seinem Tempo eine Mannschaft führen. Aber wir werden eine Lösung finden.“
Nicht zur Verfügung steht weiter auch der verletzte Kapitän Michael Ballack. (sid)