Werner Lorant führte einst 1860 München in die 1. Liga. Nun verabschiedet er sich am Mittwoch als Coach eines Bezirksligisten aus dem Fußballgeschäft.
Waging.
„Ich wechsle erst dann aus, wenn sich einer ein Bein bricht“, hat Werner Lorant mal gesagt. Da hat er nur ein bisschen übertrieben. Lorant, kompromisslos, grummelig, aberwitzig, verdorben, faltig, der Keith Richards unter den Fußballtrainern, hat irgendwann mal den Beinamen „Werner Beinhart“ bekommen, weil er weder seine Spieler, noch den Gegner, den Schiedsrichter oder sich selbst schont. Doch mit 66 Jahren ist der Mann milder geworden. Auf dem Fußballplatz tot umkippen will er jedenfalls nicht, sagt er. Heute Abend wird er seine letzte Partie als Trainer bestreiten.
Es ist das Relegationsspiel zwischen dem TSV 1888 Waging am See und dem ESV München, und es geht um den Klassenerhalt in der Bezirksliga Oberbayern Ost. „Und wenn das vorbei ist, gehe ich wieder in Rente“, sagt Lorant. „Lasst mich dann bitte zufrieden!“
Lorant will kein Bundesliga-Coach mehr werden
Der frühere Bundesliga-Coach sah den Trainerjob bei den Hobbykickern ohnehin immer nur als Freundschaftsdienst für seinen Kumpel Andreas Barmbichler an. Der ist im TSV-Vorstand und betreibt in Waging laut Lorant „den größten Campingplatz Europas“, auf dem auch „Werner Beinhart“ lebt. Allerdings nicht in einem Wohnwagen, sondern „in einem schönen großen Apartment“.
Es ist Montagabend, letztes Training vor dem entscheidenden Relegationsspiel. Lorant sitzt auf einer Bank im Wilhelm-Scharnow-Stadion, wartet, bis seine Schützlinge umgezogen sind, und raucht dabei zwei L&M Lights nacheinander. Er selbst kam schon in Trainingsklamotten zum Platz: Schwarze Adidas-Hose, die an den Waden aufhört, schwarzes T-Shirt, das sich über dem etwas fülliger gewordenen Bauch leicht wölbt. Man fragt ihn was, und wie schon früher in der Bundesliga legt sich die Stirn unter dem schlohweißen Haar in Falten. Nochmal Trainer in der Bundesliga? „Was soll ich denn da oben?“, bellt Lorant. „Mir die schönen bunten Schuhe der Spieler angucken? Die Frisuren bewundern? Nee, lass mal!“
Von der Türkei, über die Slowakei bis nach China
Lorant hat neun Jahre den TSV 1860 München trainiert, den Klub von der 3. Liga bis zur Champions-League-Qualifikation geführt. In den vergangenen Jahren ist es ruhiger geworden um den schillernden Trainerfuchs. Er arbeitete zuletzt in der Türkei, im Iran, in der Slowakei, in Südkorea und in China, zwischenzeitlich blödelte er mit Oliver Pocher in einem Fußball-Castingformat bei „SAT.1“.
„Ich wäre immer noch in China“, sagt Lorant, „wenn die Reisen zu den Spielen nicht so weit wären. Da brauchst du eigentlich keine Wohnung.“ In Waging liegt das Stadion fünf Gehminuten vom Campingplatz entfernt, Lorant fährt trotzdem mit dem Auto.
Der gelernte Maler und Anstreicher lebt seit vier Jahren in Waging am See im oberbayerischen Chiemgau. Es gibt schlimmere Orte für den Ruhestand. Es ist Provinz, ja, aber das Leben läuft hier auch angenehm entschleunigt. Der Bäcker ist kein Franchise-Unternehmen und heißt Haslberger, der Wirt vom Unterhuber grüßt jeden Gast noch persönlich. Im Sommer spielt fast jeden Abend die Blaskapelle auf dem Marktplatz. Lorant schaut hier seit Jahren die Spiele des TSV Waging. Als es in dieser Saison immer weiter Richtung Tabellenende ging, ging der Vorstand einfach auf den Promi-Rentner zu und fragte, ob er helfen könne. „Wir haben ein bisschen gebraucht, um ihn zu überreden“, erzählt Klubboss Josef Hofmann, gleichzeitig Inhaber der größten Zimmerei im Ort. „Ungefähr eine halbe Minute.“ Lorant sagt: „Ich mache das nur aus Eigennutz. Ich will ja auch in der nächsten Saison Bezirksliga schauen und nicht Kreisliga A.“
2000 Fans zum Endspiel erwartet
Vor sieben Spielen hat Lorant den Job bei den Wagingern übernommen, seitdem dreimal gewonnen, ein Remis geholt, dreimal verloren. Der Zuschauerschnitt in Waging ist seitdem von 150 auf 600 nach oben gegangen. Für das „Endspiel“ heute Abend werden 2000 Fans erwartet. Und selbst Fußball-Abteilungsleiter Herbert Bauer sagt: „Den Lorant zu verpflichten, war für die Jungs genau das richtige Signal.“ Bauer ist der Schwager des geschassten Ex-Trainers.
„Ich habe mein Soll erfüllt“, sagt Lorant bereits vor dem entscheidenden Spiel und zündet sich eine L&M Light an. Dann überlegt er kurz und sagt: „Bundesliga mache ich nur noch als Sportdirektor von 1860 München.“