Essen.
Unbesiegt. Seit über zwei Jahren. Der Deutschlandachter ist derzeit das Maß aller Ruder-Dinge. „Das war ein schönes Rennen, das hat Spaß gemacht“, sagte Sebastian Schmidt nach dem souveränen Vorlauferfolg des deutschen Paradebootes bei den Ruder-Weltmeisterschaften in Neuseeland, „das gibt ein richtig gutes Gefühl für Sonntag.“
Wenn dann auf dem Lake Karapiro um 15.38 Uhr Ortszeit/3.38 Uhr MEZ (ZDF live) das Finale gestartet wird, soll die Serie nicht abreißen, soll das Unternehmen Titelverteidigung am anderen Ende der Welt vergoldet werden.
Sebastian Schmidt sitzt auf der Schlüsselposition des Bootes, er ist der Schlagmann des Deutschland-Achters. Der Mann, der direkt vor dem Steuermann sitzt, gibt den Takt an. Den Schlagmännern kommt nicht nur rudertechnisch eine herausragende Rolle zu. Die Namen von acht kräftigen Ruderern und des umso schmächtigeren Steuermanns können sich nur Experten merken. Die einzigen, die in der Medienwelt wenigstens ab und an aus der Anonymität herausgeholt werden, sind die Schlagmänner, so wie der des ersten deutschen Goldachters von 1960, Manfred Rulffs, oder der von Bahne Rabe, der wohl athletisch stärkste Achter-Ruderer, der das deutsche Vorzeigeboot 1988 zum Olympiasieg führte und 2001 nach schwerer Magersucht einen tragischen Tod starb.
Wie jeder Ruderer ist auch Sebastian Schmidt stolz, am Schlag des Achters zu sitzen. „Aber ich bin nicht der überragende Mann, und ich fühle mich auch nicht als Boss im Boot“, sagt der gebürtige Wiesbadener, der in Dortmund wohnt und in Bochum Medizin studiert.
Trainer Ralf Holtmeyer hat auch andere Ruderer am Schlag ausprobiert, aber keiner traf den Rhythmus, das Verhältnis zwischen Durchzug und Nach-Vorne-Rollen, so perfekt wie Schmidt. Die Harmonie im Boot ist alles. Auf dem Wasser. „Es ist aber Quatsch, dass wir neun Freunde sein müssen, um Erfolg zu haben. Es geht auch anders“, sagt Schmidt, „aber bei uns ist es so. Wir sind tatsächlich alle gut miteinander befreundet.“
Auch unter Freunden aber kracht es manchmal. Und entsprechend laut geht es ab und an zu, wenn über die Abstimmung des Boots gesprochen wird. Die Lösung, erzählt Schmidt, ist einfach: „Ralf Holtmeyer hat natürlich das letzte Wort.“ Holtmeyer, der schon den Gold-Achter 1988 geformt hatte, übernahm die Aufgabe erst nach dem Debakel von Peking 2008.
Im Vorfeld der Olympischen Spiele waren erst die „Alten“, die zwei Jahre vorher den WM-Titel gewonnen hatten, abgesetzt worden und durch die „Jungen“ ersetzt worden. Zu den Jungen zählte auch Schmidt. Das Manöver misslang. Der Achter erreichte nicht das A-Finale und wurde im B-Finale Letzter. „Das können wir nicht ungeschehen machen“, sagt Schmidt, „aber die Schmach treibt uns an. Das war eine gute Lehre.“
Zurück in den Hörsaal
Seitdem ist der Deutschland-Achter unbesiegt und will nach WM-Gold 2009 auch in diesem Jahr den Titel gewinnen. Wirkt sich die lange Siegesserie positiv aus? „Ein klares Jein“, antwortet der Medizinstudent, „einerseits geben uns die Erfolge natürlich großes Selbstvertrauen. Andererseits ist es auch anstrengend, weil immer auf dieser Serie herumgeritten wird. Es ist eine große Herausforderung, nicht nachlässig zu werden, weiter hart zu arbeiten.“ Bis jetzt scheint der Achter diese Aufgabe im Griff zu haben. Hart arbeiten muss der Schlagmann nicht nur am Sonntag im Finale. Am Dienstag will er als Weltmeister nach Deutschland zurückkehren. Am Mittwoch wird er dann schon wieder in Bochum im Hörsaal der Universität sitzen. Ausnahmsweise nicht am Schlag.