Sotschi.
Mama Amelie Kober widmete ihre zweite Olympia-Medaille mit dem Snowboard ihrem Söhnchen Lorenz, und auch Silber-Girl Anke Karstens war nach dem größten Karriereerfolg in Gedanken bei ihrem Liebsten. „Ich hoffe, mein Freund hat zugeschaut“, sagte die 28-Jährige mit Freudentränen in den Augen, nachdem sie die Piste im Extreme Park gerockt hatte.
Kober raste trotz eines gebrochenen Ellenbogens zu Bronze. „Nach der Schwangerschaft mit einem Kleinkind noch einmal zurückzukommen und eine Olympia-Medaille zu holen, freut mich unheimlich“, kommentierte sie sichtlich gerührt. „Die Medaille ist auch für meinen Sohn. Er ist ja 2010 quasi mitgefahren.“ In Vancouver war sie schwanger an den Start gegangen und Achte geworden.
Ganz persönliches Wintermärchen
Mit Silber und Bronze bei der Olympia-Premiere des Parallel-Slaloms erlebten die deutschen Snowboarderinnen am Samstag ihr ganz persönliches Wintermärchen und bescherten dem jungen Verband doch noch das erhoffte Edelmetall bei den Sotschi-Spielen.
Dass Karstens in den zwei Finalläufen gegen die WM-Zweite Julia Dujmovits aus Österreich nur zwölf Hundertstel zum Gold gefehlt hatten, schmälerte ihren Jubel nicht. „Ich hatte Tränen in den Augen. Ich war so überwältigt, weil ich mir den Traum erfüllen konnte. Ich habe mit meinem Trainer 14 Jahre lang hart dafür gearbeitet. Es ist Wahnsinn, ich freue mich so unglaublich“, beschrieb Karstens ihre Gefühle.
Dabei hatte sich die mit dem amerikanischen Ex-Snowboarder Tyler Jewell liierte Bayerin nach gesundheitlichen Problemen erst auf den letzten Drücker für Olympia qualifiziert. „Ich mache es halt gerne spannend“, meinte sie lachend.
Vor dem Halbfinale gegen Zimmerkollegin Kober wurde Karstens, die als Glücksbringer stets ihr eigenes Kissen mit auf Reisen nimmt, zum ersten Mal an diesem großen Tag für das deutsche Snowboard sentimental. „Ich hatte schon kurz Tränen in den Augen, als ich die Top 4 erreicht hatte, weil ich wusste: Ich gehe heute nicht als Vierte nach Hause“, erzählte sie aufgewühlt.
Später wurde sie noch einmal von den Emotionen gepackt, als die Rede auf Kober kam. Die war gegen den Rat der Ärzte an den Start gegangen und wurde mit dem zweiten olympischen Edelmetall nach Silber im Parallel-Riesenslalom 2006 in Turin belohnt. „Ich bin stolz auf Amelie“, sagte Karstens.
Auch Sportdirektor Stefan Knirsch würdigte die unglaubliche Energieleistung der 26-Jährigen. „Sie hat unter Schmerzen eine gigantische Leistung gezeigt. Das ist unfassbar und kaum zu übertreffen“, lobte er Kober. „Ich bin überwältigt.“
„Ich wusste, dass es wehtun wird“
Das war auch Kober, die im kleinen Finale die Italienerin Corinna Boccacini abhängte. „Ich kann noch gar nicht realisieren, was ich hier geschafft habe. Die Starts waren sehr schmerzhaft. Manchmal dachte ich mir: Was machst du hier eigentlich?“, berichtete die zweimalige WM-Dritte des Vorjahres.
Kobers linker Arm hing meist nur schlaff am Körper, doch sie biss auf die Zähne. „Normalerweise bin ich nervös vor dem Rennen. Aber heute habe ich gewusst, dass ich nichts zu verlieren habe. Ich wusste auch, dass es wehtun wird. Entsprechend bin ich runtergefahren“, berichtete sie. „Ich werde gleich mal zu Hause anrufen und schauen, ob das Haus noch steht.“