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Das Runde von Bern: Endspielball von 1954 im Fußballmuseum

Endspielball von 1954 ist das Kronjuwel im Fußballmuseum

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Foto: dpa
Das Deutsche Fußballmuseum eröffnet am 25. Oktober in Dortmund. Kronjuwel ist der WM-Finalball von 1954. Eine Serie über die schönsten Exponate.

Dortmund. 

Man muss sich das wohl so vorstellen: Irgendwann nach dem Sieg über Ungarn hat sich Sepp Herberger in der Kabine vor seine Mannschaft gestellt und gesagt, meine Herren, ich habe hier den Endspiel-Ball, nun unterschreiben sie alle. Aber bitte so säuberlich, dass man es auch lesen kann. Und dann haben die Weltmeister von 1954 zum Stift gegriffen und unterschrieben. Schön leserlich.

„Das war Herrn Herberger nämlich wichtig“, sagt Horst Eckel, einer von zwei noch lebenden Spielern, die 1954 im Berner Wankdorfstadion Weltmeister geworden sind. Eckel spricht auch heute, sechs Jahrzehnte später, von Herrn Herberger. Der Respekt vor dem Alten sitzt tief.

Herberger bunkerte den Final-Ball von 1954

Dem Alten hat die Nachwelt zu verdanken, dass der Endspielball von 1954 noch erhalten ist. Herberger sicherte sich das Leder nach Spielschluss, er ließ seine Mannschaft unterschreiben und nahm den Ball danach mit zu sich nach Hause nach Hohensachsen, das bei Mannheim liegt.

Und es ist ja nicht irgendein Ball, den Herberger da bei sich im Keller liegen hatte. Es ist ein Mythos, zumindest ein Teil des großen Mythos von 1954.

Das Runde von Bern. Das Wunder von Bern.

Am Ende das Finale, Deutschland gegen Ungarn, das unschlagbare Ungarn, das 32 Spiele in Folge nicht verloren hatte. Das die Elf von Herberger in der Vorrunde noch 8:3 verhauen hatte.

Nach acht Minuten steht es 2:0 für die Ungarn. Wer wissen will, wie das war, muss Horst Eckel fragen. Der einzige andere noch lebende Weltmeister von 1954, der Kölner Hans Schäfer, meidet die Öffentlichkeit, und wenn er mal auftritt, möchte er über die WM von 1954 nicht reden. Aber Eckel redet, und 61 Jahre später sagt er: „Wenn die Ungarn das dritte Tor gemacht hätten, dann wäre es vorbei gewesen.“ So aber schafft Max Morlock nur zwei Minuten nach dem 0:2 den Anschluss. Und Helmut Rahn, der Boss, gleicht schon in der 17. Minute zum 2:2 aus.

Aus dem Hintergrund . . .

Der Rest ist Legende, eingebrannt in das kollektive Gedächtnis einer Nation, die ganze 15 Jahre vorher das Inferno des 2. Weltkriegs entfesselt hatte und die sich neun Jahre nach Zerstörung und Kapitulation schwer tut mit Schuld und Verarbeitung, die Sehnsucht hat nach Anerkennung und einem Glücksgefühl. Die nach einem Ereignis sucht, das ihr Selbstwertgefühl stärkt, die sucht nach: Identität.

Zur Legende gehört: Der Regen. Fritz-Walter-Wetter. Das 3:2 vom Boss. Helmut Rahn, der den Ball nach 84 Minuten versenkt. Die Radio-Reportage von Herbert Zimmermann, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen und dann, Minuten später das erlösende Aus. Aus, das Spiel ist aus.

Mit 61 Jahren Abstand sagt Horst Eckel, heute 83 Jahre alt, weniger pathetisch: „Wir wussten, dass wir die Ungarn packen konnten, wir haben das nach dem 2:2 gespürt. Da ging der erste Ruck durch die Mannschaft. Und dann noch einmal in der Halbzeit.“

Und dann dieser Ball.

Wer Glück hat, darf ihn anfassen, aber nur mit Stoffhandschuhen. Er hat nach Sepp Herbergers Tod beim DFB in Frankfurt im Keller gelegen, eingepackt in säurefreies Papier. Heute liegt er, gehütet wie ein Schatz, in Dortmund in einem Depot, dort, wo sie das Deutsche Fußball-Museum bauen, das in 100 Tagen eröffnet und wundervolle Exponate aus einer Zeitreise durch 60 Jahre Fußball ausstellen wird.

1954 bekommt eigene Abteilung im Fußballmuseum

Über allem aber schwebt der Ball von Bern. Wenn man ihn heute in der Hand hat: überraschend leicht ist er, offiziell 410 Gramm. Die Größe: 68 Zentimeter Umfang, im Fußball ist das Größe 5. Gemacht aus Rindsleder, aus 18 einzelnen Teilen genäht und lohgegerbt, was heißt, über einer offenen Flamme behandelt.

Was wiederum zwei Effekte hatte: Der Ball schillert heute mit seinen über 60 Jahren ziemlich gelblich. Und 1954, als er jung war, machte ihn der Regen schwer, unfassbar schwer. „Beim Schießen ging’s noch“, erinnert sich Horst Eckel, „beim Köpfen war’s kritisch, da bekam man ganz schön was vor die Stirn.“ Aber, da ist er sich sicher, „wir hätten die Ungarn in der zweiten Halbzeit bei jedem Wetter geschlagen.“

Nun ist es bald in Dortmund zu sehen, das Runde von Bern. In 100 Tagen eröffnet das Museum und der DFB hat seiner wahren Geburtsstunde, dem 4. Juli 1954, eine eigene Abteilung gewidmet. Mittendrin, hinter Panzerglas, der Ball von Bern. Gelblich schimmernd und voller Autogramme. Alle, versteht sich, schön leserlich.