Veröffentlicht inSport

Annika Drazek macht den feinen Unterschied

Annika Drazek macht den feinen Unterschied

Innsbruck/Winterberg. 

Annika Drazeks Stimme klingt plötzlich nicht mehr glücklich, sondern brüchig – und in ihren Augen schimmert es wieder feucht. Als sich die 20-Jährige an diese Momente erinnert, kriechen die Emotionen erneut durch ihren Körper. Wie sie am Tag zuvor jubelnd durch den Auslauf der Bobbahn in Richtung Tribüne läuft, wie sie mit Anja Schneiderheinze umher hüpft und wie sie von ihrer bereits Freudentränen verdrückenden Teamkollegin Erline Nolte empfangen wird. „Bei Erline konnte ich mich noch zusammenreißen“, sagt Drazek, „aber als mich Jacka (Skeleton-Pilotin Jacqueline Lölling) in den Arm nahm und heulte, musste ich einfach auch erst mal weinen.“

Vor Freude. Vor purer Freude über diesen Titel, der ihre irre Saison und ihre erst knapp zweijährige Karriere krönt: Annika Drazek, die Anschieberin des BSC Winterberg, ist seit Samstagnachmittag gemeinsam mit Pilotin Anja Schneiderheinze Weltmeisterin im Zweierbob der Frauen.

Für Schneiderheinze, die 37-jährige Erfurterin, schließt sich ein Kreis. Nachdem sie als Anschieberin von Sandra Kiriasis 2006 in Turin Olympia-Gold geholt hatte, schulte sie zur Pilotin um – auf der Bahn in Innsbruck-Igls. Hier feierte sie ihre Weltcup-Premiere und ihren ersten von bislang drei Siegen in dieser Serie.

Kritik wird lächelnd gekontert

„Darauf bereitet man sich ein ganzes Sportlerleben vor. Ich werde eben auch mal erwachsen“, sagt die Bundespolizistin nach dem Triumph und spielt lächelnd auf wiederkehrende Kritik an ihren fahrerischen Fähigkeiten an. Die Silbermedaillen-Gewinnerinnen der Titelkämpfe von Winterberg 2015 gingen mit einem klaren Ziel in die vier Läufe: „Wir wollten Gold holen“, sagt Drazek.

Viermal Startbestzeit, dreimal die schnellste Fahrt – 33 Hundertstelsekunden Vorsprung haben sie vor Olympiasiegerin Kaillie Humphries aus Kanada. Die WM wird mit jeder Fahrt mehr und mehr zum Titel-Triumph für Schneiderheinze/Drazek. „Anni war unglaublich, sie war der feine Unterschied“, lobt Schneiderheinze ihre Anschieberin.

Ohne ihre verletzte Startrakete vom BSC Winterberg verpasste sie zu Beginn der Weltcup-Saison konsequent das Podium, mit ihr und dem Wechsel in ein älteres Bob-Modell gelang mit dem Gewinn des EM-Titels die Generalprobe. „Als sich meine Verletzungspause in die Länge zog, kamen mir schon leise Zweifel, ob ich rechtzeitig zur WM fit sein werde“, sagt Annika Drazek. Sie ist fit – und kämpft erneut gegen die Freudentränen, als in der Innsbrucker Altstadt die deutsche Nationalhymne erklingt.

Anschließend feiert sie mit Familie, Freunden und Klubkollegen in die Nacht. Ihr Bett sieht Drazek nur kurz – am Morgen muss das Material für die Team-WM bearbeitet werden und es stehen Medientermine an.