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Abflug in die Finsternis

Abflug in die Finsternis

Oberstdorf. 

Es war das erste Mal in der Historie der Vierschanzentournee, dass das Auftaktspringen in Oberstdorf mit einem Tag Verspätung über die Bühne gehen konnte. Eigentlich der perfekte Anlass für die deutschen Skispringer, um zwölf Jahre nach dem 20. und bis jetzt letzten Sieg von Sven Hannawald selbst Geschichte am „deutschen Berg“ zu schreiben. Das passierte dann im Dauer-Flockenwirbel auch – allerdings mit der Einstellung des schwächsten Ergebnisses seit der ersten Tournee 1953.

Weltmeister Severin Freund, der sich selbst zum Kandidaten für den Tournee-Sieg ausgerufen hatte, stürzte mit flatternden Nerven auf Platz 13 ab. Damit wurde der Tiefpunkt vom 29. Dezember 1985 eingestellt, als der ehemalige Bundestrainer Wolfgang Steiert als bester Deutscher auf der gleichen Position gelandet war. Freunds Kumpel Richard Freitag hatte bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg noch gewonnen – doch an diesem frustrierenden Tag vor 10 000 enttäuschten Fans in Oberstdorf landete er nur auf Platz 15.

„Wir sind kläglich gescheitert, das war eine Katastrophe. So ein schlechtes Ergebnis hätte ich mir selbst in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Dass unsere Spitzenleute so danebenhauen, ist erstaunlich“, fand Bundestrainer Werner Schuster klare Worte für das Debakel. Statt Team-Olympiasieger Deutschland war Erzrivale Österreich mit einem Doppelsieg wieder einmal die dominante Nation. In die beste Position für den siebten Austria-Tourneesieg in Serie brachte sich Stefan Kraft, der mit 291,9 Punkten seinen ersten Weltcup-Sieg vor Landsmann Michael Hayböck feierte.

Stolze 36,9 Punkte weniger als der Sieger sammelte Freund, der wie alle anderen Deutschen damit bereits alle Chancen in der Gesamtwertung eingebüßt hat. Wenigstens als Sieger über die Angst konnte sich Marinus Kraus feiern lassen. Der Team-Olympiasieger, der am Vortag nur mit einer akrobatischen Einlage einen Sturz verhindert hatte, landete auf Platz 18 vor Stephan Leyhe.

Freund versagen die Nerven

Es schneite natürlich auch an diesem Montagabend in Oberstdorf. Aber der turbulente Wind, der am Vorabend für den Abbruch beim ersten Versuch des Auftaktspringens gesorgt hatte, hatte sich weitgehend verzogen. „Alles kein Problem“, sagte Schuster. Der Österreicher hatte gehofft, dass sein Team mit dem Olympiasieg im Rücken endlich auch beim Skisprung-Grand-Slam die Austria-Adler vom Thron stoßen kann.

Doch das Desaster begann schon mit Shooting-Star Markus Eisenbichler, der in Engelberg noch unter die Top Ten geflogen war. Nach einem Hüpfer auf 107 Meter musste er schon im ersten Durchgang alle Hoffnungen begraben. Und der Absturz setzte sich auch bei der deutschen großen Hoffnung fort. Severin Freund hatte im Probe-Durchgang mit 138,5 Metern noch die Bestweite hingelegt, doch als es darauf ankam, landete er nur bei 126 Metern. Freund winkte ab, die Tournee war schon da gelaufen. „Alles war ganz allein meine Schuld. Jetzt hilft nur, nach vorn schauen und es besser machen“, sagte er lakonisch.

Die deutschen Flieger reisten noch am Abend nach Garmisch-Partenkirchen weiter. Dort steht am Neujahrstag das zweite Springen der 63. Vierschanzentournee an. Den letzten deutschen Sieg dort feierte Sven Hannawald – vor 13 Jahren. Die nächste Chance, um Geschichte zu schreiben…