Zeitreise durch die Geschichte des Camping-Urlaubs
Eine kleine, feine Schau erzählt die Camping-Geschichte der Deutschen. Die Welt der Wohnwagen und Gaskocher wandert nach dem Auftakt noch bis Herbst 2014 durch Nordrhein-Westfalen. Unter anderem nach Werl, Bochum und Rhede.
Herford.
So sehr der Deutsche am Erobern und Bestaunen des Fremden interessiert ist, so ungern verlässt er Haus und Hof. Da kam ihm die Erfindung des Campings gerade recht. Der Fortschrittsnation galt die Schnecke sonst nie als Idol: doch dass man sein Haus plötzlich sollte mitnehmen können, gefiel.
Eine Wander(!)-Ausstellung ist es passenderweise, die die großen und kleinen Geschichten, die technischen und gefühligen Seiten dieses Volks- und Freizeitsports belichtet. Mag ihr Titel „Campingkult(ur). Sehnsucht nach Freiheit, Licht und Luft“ auch ein bisschen brav klingen – den Geneigten bietet sie mindestens eine schöne Schmunzelstunde zwischen Luftmatratze und Kochgeschirr.
Ihre Zelte schlägt sie anfangs in Herford auf, dann reist sie durchs Land. Camper gibt es schließlich überall, ihre Zahl hat nach dem gewaltigen Boom der 1960er kaum gelitten. Damals freilich gewann eine Nation mächtig Land. Zuvor hatten sie sich ja vornehmlich an Lippe, Ruhr oder Rhein in jener Freizeitdisziplin geübt, die nur die Mutigsten in die Ferne zog („Als Autozigeuner in den Bergen…“). Aber plötzlich rammten sie auch an Po und Plattensee ihre Heringe in den Boden. Bei Dauercampern markierten gar Schubkarrengnome das Terrain des campierenden Zwergenstaates. Naturverbundene krochen morgens erfrischt aus Tipis bei Bad Hönningen. Statusbewusste dagegen setzten von Brilon bis Brest auf rollende Unterkünfte. Wofür diese standen, verrieten schon die frühen Modelle von 1930, namentlich: „Immer daheim“. Frechere wählten „Kleiner Strolch“, Geduldige „Karawane“.
„Unser Wohnwagen ist uns heilig“
Einer der Schlüssel zum Kulturgut Camping scheint diese sehr spezielle Lust am Ausfliegen, die einem doch das eigene Nest lässt. „Unser Wohnwagen ist uns heilig“, sagt Gerlinde H. Sie ist eine von vielen, mit denen Kustodin Maleen Knorr für ihre lebendige Schau Interviews führte.
Solche Zitate begleiten den Spaziergänger dieser Expedition, in der Kennern vom Giebelzelt bis zur brieflichen „Klappbrett-Reklamation“ an die Westfalia-Werke in Rheda-Wiedenbrück so ziemlich alles vertraut sein wird. Jenen, die der vagabundische Reiz und die abenteuerliche Improvisation (irgendwas fehlt schließlich immer) dieser Urlaubsform stets kalt ließen, werden nicht weniger Spaß haben.
Die meisten Dauer-Camper in Deutschland sind Deutsche
Sie können sehen, wie selbst die Nahrungsindustrie sich zum Anhänger machte: „Beim Camping und auf großer Fahrt / Pfanni Dir viel Müh’ erspart.“ Sie staunen über das ausgetüftelte Leben auf deutschen Dauerparzellen (die meisten Camper auf deutschen Campingplätzen sind Deutsche, bei manchen liegen zwischen Wohnen und Wagen nur 10 Kilometer).
Und auf keinen Fall sollten sie sich das Vergnügen entgehen lassen, die spätestens seit Goethe typische Folge deutscher Aus-Schwärmerei zu studieren: erhabene Poesie. „Die Frauen sehen seltsam aus, der Esel trägt die Last nach Haus“, untertitelt ein Lehrer namens Scholtz seine südeuropäische Foto-Impression. Er ist überzeugter Camper aus Wilnsdorf.
„Nasses Westfalen“
Und wir treffen Heinrich Hauser, dem das Ruhrgebiet eine frühe fotografische Liebeserklärung verdankt („Schwarzes Revier“). Doch was waren die 6000 Kilometer, die er zwischen Unna und Duisburg machte, gegen seine 143-Tage-Camping-Tour durch Deutschland? Wie tiefe Einblicke er gewann, das erzählen 1934 schon die Überschriften der Erinnerungen. Eine heißt: „Nasses Westfalen“.
Wohnwagen und Zelte sind übrigens nicht ausgestellt, aus Platzgründen. Die Camper, die so viele schöne Alltagsdinge für diese Ausstellung hergaben, sagten ohnehin meist: „Das ist doch nichts fürs Museum!“