Wildgehege oder Bauernhof: Was Besucher oft verkehrt machen
Vor allem an Tiergehegen und Bauernhöfen gibt es großen Andrang. Müll und fremdes Futter werden hier zunehmend zum Problem. Das hat Konsequenzen.
Ravensburg/Freiburg.
Walter Meixner steht im Wildfreigehege Locherholz bei Ravensburg und greift in einen Eimer mit getrocknetem Mais. Knapp 20 Wildschweine drängen sich um den 78-Jährigen. Seit 25 Jahren kommt er jeden Tag hierher und versorgt die Wildschweine mit Nahrung.
Auch für das Damwild und die Wildschafe, die sogenannten Mufflons, die die Stadt Ravensburg in einem angrenzenden Gehege hält, ist Meixner zuständig. Er weiß genau, was er den Tieren zu fressen geben darf. Doch längst nicht jeder Besucher weiß das auch – ein zunehmendes Problem. Denn seit Beginn der Corona-Pandemie ist der Andrang groß, und viele Menschen bringen Futter mit, das die Tiere krank machen kann.
Falsches Füttern gefährdet Tiere
So sei etwa Getreide schädlich für die Mufflons, sagt der für das Wildfreigehege zuständige Förster Wolfram Fürgut. Für die Wildschweine sei das Füttern am Zaun sogar noch gefährlicher, da sich in Europa seit einigen Jahren die afrikanische Schweinepest ausbreite. Da das für Menschen ungefährliche Virus auch über verarbeitetes Fleisch wie etwa Wurst übertragen werden kann, könne es verheerende Folgen haben, wenn den Schweinen der Rest eines Vesperbrots verfüttert werde, so Fürgut.
Unter den Besuchern am Wildfreigehege ist an einem sonnigen Morgen Sina Hofmann aus Ravensburg. Ihre 16 Monate alte Tochter trägt sie in einer Trage auf dem Rücken. Sie findet es wichtig, dass es im Stadtwald die Möglichkeit gibt, Tiere aus nächster Nähe zu erleben. Sie habe auch schon beobachtet, dass die Tiere mit Äpfeln und Karotten gefüttert worden seien und kann nachvollziehen, dass vor allem Kinder den Kontakt zu den Tieren suchen. Umso wichtiger findet sie es, dass die Besucher über falsche Fütterung aufgeklärt werden. „Man will den Tieren ja nicht schaden“, sagt Hofmann.
Das Wildfreigehege wurde 1971 geschaffen, um die Menschen aus der Stadt in den Wald zu locken. Eine Rechnung, die aufging. Vor allem für Familien ist das Gehege heute ein beliebtes Ausflugsziel. Seit Beginn der Corona-Pandemie sei der Andrang noch größer, sagt Fürgut. Zahlen kann er keine nennen, da das Gehege frei zugänglich ist. „Aber wir haben festgestellt, dass unsere relativ kleinen Parkplätze seit Beginn der Krise häufig überbelegt sind.“ Das sei sicherlich den Lockdowns geschuldet. Besucher konnten jederzeit bis an das Gehege.
Viele Besucher auch auf Bauernhöfen
Auch mancher Landwirt erlebt seit Beginn der Corona-Pandemie einen regelrechten Tier-Tourismus auf seinem Hof – so wie Julie Kosak, Landwirtin auf dem Maierhof bei Freiburg. Die 26-Jährige sagt, dass noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.
Sie könne zwar verstehen, dass es viele Menschen zu nahe gelegenen Bauernhöfen treibt. Kein Verständnis hat sie aber dafür, dass die Leute ihren Müll liegen lassen: Da fänden sich zerbrochene Weinflaschen auf den Weiden, Getränkedosen und Hundekot-Tütchen. „Die sind am allerschlimmsten“, sagt sie. Beim Mähen sehe man die Tüten nicht, und so gelange der Kot ins Futter für die Rinder.
Auch Füttern sei ein Problem. Einmal habe jemand den Hühnern einen Schokoriegel zugeworfen und den Rindern einen Müsliriegel. An einem anderen Tag habe jemand einen Plastikbecher mit Obstsalat in den Kuhstall geworfen – in den Kot der Tiere. „Die Kühe haben das natürlich aufgeschleckt.“ Außerdem beobachtet sie regelmäßig, dass sich Spaziergänger in Gefahr bringen, weil sie Weiden betreten. „Da ist dann auch mal ein Jungbulle dabei“, sagt Kosak.
Dabei könne das Betreten von Kuhweiden lebensgefährlich sein, sagt der Vorsitzende des Landesverbands Praktizierender Tierärzte Baden-Württemberg, Christoph Ganal. Auch das Füttern von fremden Tieren sei problematisch. Im schlimmsten Fall komme es zu einer Vergiftung, und das Tier sterbe. „Da kann eine falsche Mahlzeit ausreichen“, sagt der Tierarzt. Das bloße Streicheln am Zaun hält er hingegen für unbedenklich.
Corona-Maßnahmen auf dem Affenberg Salem
Auch auf das Füttern in Tierparks hat die Pandemie Auswirkungen, wie etwa am Affenberg Salem , wo knapp 200 Berberaffen in einem 20 Hektar großen Waldgebiet leben. Während Besucher vor der Pandemie Popcorn mit in das Gehege nehmen konnten, um mit den Affen in Kontakt zu kommen, ist Füttern nun untersagt. „Wir müssen davon ausgehen, dass sich unsere Affen mit Corona infizieren können“, sagt Parkleiter Roland Hilgartner. Um Infektionen zu verhindern, herrscht im Affengehege zusätzlich Mundschutzpflicht.
Ob er die Berberaffen gegen Corona impfen lassen will? „Im Moment wäre ich schon froh, wenn meine Mitarbeiter alle eine Impfung hätten“, sagt Hilgartner. Mittelfristig hält er eine Corona-Impfung für Affen allerdings für eine realistische Option. (dpa)