Eine Wanderung durch den Grand Canyon National Park hindurch – von der Südkante über den Colorado River zum North Rim – ist hart und großartig.
Flagstaff.
Kaum ein Reisender im Westen der USA lässt den Grand Canyon links liegen. Der Nationalpark feiert 2019 sein 100-jähriges Bestehen.
Mehr als sechs Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die gewaltige Schlucht, die der Colorado River geschliffen hat. Um dem Trubel zu entgehen, steigt man hinab – und wandert in zwei Tagen einmal quer durch den Canyon.
Bright Angel Trail und South Kaibab Trail
Vom South Rim, der Südkante auf 2200 Metern Höhe, gibt es zwei Routen. Der Bright Angel Trail ist im oberen Teil noch viel begangen. Weniger bevölkert ist der South Kaibab Trail, elf Kilometer sind es bis zum Fluss – ohne Wasserstelle zwischendurch.
Wer die längere und somit nicht ganz so steile Variante über den Bright Angel Trail wählt und sehr früh startet, entgeht den Strömen der Tageswanderer. Denn die meisten legen nur die sieben Kilometer bis Indian Garden zurück, eine kleine Oase am Garden Creek. Sie wandern dann vielleicht noch drei Kilometer bis zum Plateau Point, dem Aussichtspunkt auf den 400 Meter tiefer fließenden Colorado.
Hinter dem kleinen Canyon des Garden Creek geht es die letzten Höhenmeter bis zum Colorado in Serpentinen steil abwärts. Die Wegstrecke heißt Devil’s Corkscrew, Korkenzieher des Teufels. Keine Schatten kühlen, die Sonne brennt gnadenlos herab.
„Phantom Ranch“ und Campingplatz
Karg ist es am Ufer des Colorado, dessen braunes Wasser mit hoher Geschwindigkeit durch die Schlucht fließt. Ab und zu tanzen Gummiboote über das Wasser. Dann taucht endlich die Silberne Brücke auf, die 160 Meter lange Hängebrücke über den Fluss. Eigentlich ist die „Phantom Ranch“, das Gasthaus am Grund des Grand Canyons, nicht mehr weit. Aber in der Mittagshitze zieht sich der letzte Kilometer auf der anderen Flussseite. Es geht entlang des Bright Angel Creek, wo auch ein Campingplatz mit 32 Plätzen liegt.
Etwas abseits der eigentlichen
Ranch stehen vier Holzhütten. Sie haben Klimaanlage und je zehn Schlafplätze. Etwas komfortabler sind die Häuschen für Gruppen von zwei bis zehn Gästen.
Die Bewirtung am Abend ist rustikal. Es gibt Steak, Eintopf oder ein vegetarisches Gericht. Alles muss vorab reserviert werden, da Maultiere sämtliche Lebensmittel zur „Phantom Ranch“ transportieren – ebenso wie die Postkarten. Frühstück wird um 5.00 Uhr serviert. Ganz schön früh für salzige Erdnüsse, Energieriegel und einen Apfel. Als es gegen 5.30 Uhr heller wird, liegt die Temperatur immer noch oder schon wieder bei 30 Grad. Aber mit jedem Höhenmeter auf dem North Kaibab Trail wird die Luft kühler, auch der Wind bringt Erfrischung.
Wanderweg zum North Rim
Der 22 Kilometer lange Wanderweg führt zum North Rim. Er ist deutlich weniger begangen als die Strecken auf der Südseite. Doch statt 1400 Höhenmeter sind hier fast 1800 Höhenmeter zu erklimmen, um die Nordkante des Grand Canyons auf 2515 Metern Höhe zu erreichen.
Die ersten elf Kilometer bis zum „Cottonwood Campground“ sind ein Wandergenuss. Der gut befestigte Weg führt schattig und sanft aufwärts. Nach und nach weitet sich die enge Schlucht, und der rot gefärbte Kalkstein verdrängt den grauschwarzen Schiefer. Höhepunkt kurz vor dem Campingplatz sind die Ribbons Falls, Wasserfälle, die wie ein Vorhang vor einer bemoosten Felswand herabstürzen. Sie liegen einen halben Kilometer abseits des Wanderweges.
Auf dem Campingplatz lässt sich gut rasten, hier können Wanderer auch ihre Wasservorräte auffüllen. Das ist nötig. Denn der zweite Teil der Strecke fühlt sich an wie elf Kilometer Treppen steigen, teils auf schmalen Wegen und entlang steil aufragender Canyonwände.
Frust und Freude
Von hier sind es noch 1300 Höhenmeter zum Ziel. Allein auf den letzten beiden Meilen vom Supai Tunnel aus, der letzten kleinen Oase mit Wasserstelle zum Rasten, müssen 450 Höhenmeter bewältigt werden. Jede der gefühlt 100 Kehren bis zum sogenannten Trailhead ganz oben sieht gleich aus. Das Laufen auf dem sandigen Weg ist beschwerlich. Frust und Freude. Doch nach mehr als zehn Stunden ist es geschafft. (dpa)