Das einstige Hippie-Dorf Castellar de la Frontera entwickelt sich zur kleinen Touristen-Attraktion.
Eigentlich sollte das Dorf Castellar de la Frontera in der andalusischen Provinz Cadiz von einem Stausee überflutet werden. Das Wasser blieb aus. Dafür kamen Hippies aus aller Welt.
Einige wohnen immer noch in den Mauern des alten Schlosses. Mit einer Harley Davidson und ihrem Mann Robert hat sich Birgit Schwarz auf den Weg nach Castellar de la Frontera gemacht. Erstaunt macht sie am Eingang des Schloss-Dorfs eine Touristeninformations-Stelle aus. Sie sei auf der Suche nach einem Zimmer, versucht sie es dort auf spanisch. Doch die Antwort erhält die Münchnerin in astreinem Deutsch.
Die Dame an der Rezeption heißt Carola und lebt seit mehr als 20 Jahren in Castellar Viejo. In einem gelb-orangenen Wohlfühl-Kleid verkauft sie an dem Thresen des neu eingerichteten Tourismusbüros Eis und Broschüren über das Dorf. „Ich musste wiederkommen”, sagt Birgit Schwarz. „Ich habe hier so eine tolle Zeit verbracht”. Castellar de la Frontera war einst der Inbegriff aller Hippie-Träume.
„Die Leute, die hier gelebt haben, kamen aus der ganzen Welt”, erzählt Hermann Link, der Veteran unter den deutschen Dagebliebenen. Mitte der 70er Jahre kam er nach Castellar. Eigentlich war er auf dem Rückweg von Marokko. Durch Zufall stieß er auf das kleine Dorf in unmittelbarer Nähe zu Gibraltar.
„Es war Liebe auf den ersten Blick”, sagt Link. Von dem Fenster seines Häuschen sieht er direkt auf den Stausee Guadarranque, der unterhalb von Castellar liegt.
Anfang der 70er Jahre plante Franco den Fluss Guadarranque statt ins Meer in einen Stausee münden zu lassen. Für dieses Projekt mussten die Bewohner des Festungsdorfs Castellar aber erst ihre Häuser räumen. Die Siedlung Nueva Castellar de la Frontera wurde gebaut, die Dorfbewohner siedelten um.
Als Hermann Link im Jahr 1976 nach Castellar kam, fand er in der Burg nur ein paar Kanadier und US-Amerikaner vor. Von den Fluten des Guadarranque keine Spur. Das Dorf war verschont geblieben, doch die Bewohner blieben im neuen Ort.
Hermann Link und seine Mannen hatten den idealen Platz gefunden: Eine Dorfidylle inmitten unangetasteter Natur. Link blieb da. Er reiste nicht einmal mehr zurück nach Deutschland, sondern stellte seinen VW-Bus auf dem Parkplatz vor der Burg ab und bezog Quartier in einem der leer stehenden Häuser.
Heute hört Link das Wort Hippie nicht mehr gerne. „Wenn hier in Spanien jemand Hippie sagt, meint er ‚Nichtsnutz‘, und das hatte mit uns nie etwas zu tun”, sagt er und zieht aus einer Kiste eine dicke Mappe mit Zeitungsartikeln. Davon, wie er und seine Freunde das Dorf verschönerten, erzählen die Ausschnitte der älteren Jahrgänge, später beginnen polemische Zeilen.
Die ausländischen Hippies hätten sich unrechtmäßig der Burg ermächtigt. „Da haben sie gemerkt, welchen touristischen Wert dieser Flecken hat”, sagt Link. Doch von unrechtmäßig könne keine Rede sein. In dem Grundbuch seines Häuschen sei er als Eigentümer angegeben, erklärt er stolz. Irgendwann Ende der 80-er Jahre war der Traum vieler Aussteiger ausgeträumt, die meisten Bewohner gingen zurück nach Deutschland. Geblieben ist der harte Kern.
Die Verantwortlichen für Tourismus haben die damals halb leerstehende Burg als Attraktion entdeckt, die verfallenen Häuser wieder renoviert und einige der Häuser als Fremdenzimmer herrichten lassen.
In letzter Zeit haben sich viele Künstler hier niedergelassen, die ihre Werke gleich an die Touristen, die immer zahlreicher kommen, verkaufen.
Francisco Guerrero hat mit seiner kleinen Bar genau den Zahn der Zeit getroffen. Aus Eichenfässern serviert er süßen Sherry-Wein und lässt Paco de Lucía dudeln. „Es ist jetzt schöner hier als früher , aber damals hatte Castellar mehr Charme.“
Birgit Schwarz empfindet das wohl genauso. Nachdem sie mit ihrem Mann eine unde in dem Dorf ihrer Erinnerungen gedreht hat, genehmigen sich die beiden ein Gläschen Sherry. Dann machen sie auf dem Rücken ihrer Harley kehrt.