Sternenpark Rhön engagiert sich gegen Lichtverschmutzung
Sternenführungen in der Rhön sind ruckzuck ausgebucht. Doch nicht jeder hilft mit, das Dunkel der Nacht zu erhalten.
Fulda.
Vier Jahre nach seiner Anerkennung als Sternenpark ist das Biosphärenreservat Rhön im Kampf gegen weit verbreitete Lichtverschmutzung weiter vorangekommen – aber noch nicht am Ziel. «Die Lichtverschmutzung hat sich im öffentlichen Raum verringert. Die Kommunen rüsten ihre Straßen- und Gebäudebeleuchtung zunehmend umweltverträglich um», sagte Sternenpark-Managerin Sabine Frank der Deutschen Presse-Agentur in Fulda. Aber das große Problem ist: Von Gewerbeflächen und Privatgrundstücken aus strahle noch immer viel zu viel Licht unnötig gen Himmel. Die werde dadurch gestört – mit Folgen für Natur, Tier und Mensch.
Unter Lichtverschmutzung versteht man künstliches Licht, etwa von Straßenlaternen, Werbeflächen und hell erleuchteten Schaufenstern, das ungenutzt die natürliche Nachtlandschaft und den Himmel aufhellt. Die Dunkelheit wird mit künstlichem Licht überlagert und «verschmutzt» – dadurch sind zum Beispiel weniger Sterne am Himmel zu sehen.
Das Biosphärenreservat (BR) Rhön setzt sich als Naturschutzgebiet für den Erhalt natürlicher Dunkelheit ein. Im August 2014 erhielt das BR Rhön auf Antrag der Arbeitsgemeinschaft Rhön von der International Dark-Sky Association (IDA) die Auszeichnung als «Sternenpark». In Deutschland gibt es nur eine weitere anerkannte Einrichtung dieser Art, den Sternenpark Westhavelland. Nach Angaben der IDA leben 99 Prozent der Bevölkerung Europas und der Vereinigten Staaten unter einem lichtverschmutzten Himmel.
Insekten leiden unter hellem Nachthimmel
Die Auszeichnung als Sternenpark wird nur an Gebiete verliehen, die eine natürliche Nachtlandschaft aufweisen. In der Rhön – im Drei-Länder-Eck von Hessen, Bayern und Thüringen – ist eine dunkle Nacht wichtig. Dort leben viele Tiere und Pflanzen, die nachtaktiv sind und eine natürliche Umgebung ungestört von künstlicher Beleuchtung brauchen. Unter der Aufhellung des Nachthimmels leiden besonders Insekten, weil sie an den Lichtquellen verenden, wie der BUND Hessen berichtet.
Wissenschaftlich nachgewiesen ist zudem, dass das menschliche Hormonsystem negativ auf künstliches Licht bei Nacht reagiert. Es stört die innere Uhr des Menschen und kann unter anderem zu Schlafstörungen führen. Gesunder Schlaf hat eine überragende Bedeutung für die Funktion von Körper und Gehirn. Chronische Schlafstörungen werden mitverantwortlich gemacht für Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Fettleibigkeit.
Die Bedeutung der nächtlichen Dunkelheit hat auch das Hessische Umweltministerium erkannt. «Wir wollen die überbordende Lichtverschmutzung eindämmen und damit einen Beitrag zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt leisten», sagte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Auch der Klimaschutz solle davon profitieren. Mit einer Info-Broschüre will das Land insbesondere Industrie und Gewerbe auf die Folgen der Lichtverschmutzung aufmerksam machen.
„Solar-Fackeln blenden Igel“
Sternenpark-Managerin Sabine Frank sieht in Hessen immer wieder haarsträubende Beispiele von Lichtverschmutzung und Energieverschwendung: «Leider werden zum Beispiel immer noch sehr viele Supermarktparkplätze die ganze Nacht mit grellen, blendendem Licht taghell wie in einer Sportarena erleuchtet.» Wenn schon Beleuchtung – dann solle von Leuchten mit hohem Blau-Anteil besser auf orange-farbene LED-Beleuchtung umgerüstet werden, empfiehlt sie.
Ein Muster-Beispiel an umweltfreundlicher Beleuchtung sei das Dorf Silges, ein Ortsteil der Gemeinde Nüsttal im osthessischen Landkreis Fulda. «Dort wurde komplett auf orange-farbenes LED-Licht umgestellt, die vor allem auch nur nach unten strahlen und nicht nach oben und deren Leistung in der Nacht reduziert wird», erklärte Frank und schaut sich beeindruckt Vorher-Nachher-Bilder von Hessens erstem «Sternendorf» an.
Aber auch Privatleute sollten sich über unnötige Lichtquellen in der Nacht Gedanken machen, appelliert Sternenpark-Managerin Frank. «Solar-Fackeln blenden Igel und andere Tiere auf Augenhöhe. Das muss auch nicht sein.»
Fulda will Deutschlands erste Sternenstadt werden
Der Sternenpark arbeitet an Handlungsempfehlungen für energiesparende und umweltverträgliche Gewerbebeleuchtungen. «Das ist dringend nötig. Die Beleuchtungen auf Gewerbe- und Privatflächen laufen aus dem Ruder. Der herrscht ein wahnsinniger Wildwuchs, der Anlass zu großer Sorge gibt. Aber wir sind dabei, die größten Lichtsünder in der Rhön anzusprechen.»
Auch die Stadt Fulda will sich zum Vorreiter aufschwingen. Die Kommune erarbeitet derzeit eine Lichtrichtlinie. «Damit will Fulda Deutschlands erste Sternenstadt werden», sagt Frank. Zur Richtlinie und den Antrag an die IDA gehört die Erfassung aller öffentlicher Leuchten, ein zugehöriges Maßnahmenpaket zur Umrüstung sowie der Erlass von Vorgaben zur Beleuchtung in der Bischofsstadt.
Den deutschlandweit fast einmaligen Titel als Sternenpark vermarktet das Biosphärenreservat auch touristisch mit wachsendem Erfolg. «Sternenführungen, die wir in der Rhön anbieten, sind ruckzuck ausgebucht», beobachtet Frank, «wir haben noch nie so viele Anfragen gehabt. Die Menschen verspüren offenbar große Sehnsucht nach dem Himmel in natürlicher Nacht. Dunkelheit verströmt eine besondere Faszination – die sollten alle zusammen bewahren helfen.» (dpa)