Seine-Ufer in Paris soll vom Autoverkehr befreit werden
An der Seine im Stadtzentrum von Paris sollen Fußgänger- und Radwege entstehen. Autobahnähnliche Schnellstraßen direkt am Fluss sollen verengt oder ganz geschlossen werden. Doch der Plan ruft auch viele Kritiker auf den Plan, sie sprechen von „höllischen“ Zuständen, die dann auf Autofahrer in der Metropole zukommen.
Paris.
Die „Revolution“ kündigt sich in Paris durch Baustellen-Schilder an: „Hier entstehen Fußgänger- und Radwege“ steht da an einer mehrspurigen Straße im Stadtzentrum zu lesen. Denn der sozialistische Bürgermeister Bertrand Delanoë hat sich in den Kopf gesetzt, die vom Verkehr beherrschten Seine-Ufer für Spaziergänger und Touristen „zurückzuerobern“. Autobahnähnliche Schnellstraßen direkt am Fluss werden daher ab September verengt oder sogar ganz geschlossen.
Politische Gegner und viele Autofahrer befürchten einen Verkehrskollaps in der französischen Hauptstadt. Konkret geht es um zwei Großprojekte, die den Verkehr in Paris gründlich verändern werden und Erholungsorte für Fußgänger schaffen sollen: Vor dem Pariser Rathaus und gegenüber der berühmten Kathedrale Notre Dame soll die direkt am rechten Seine-Ufer verlaufende Stadtautobahn in einen Boulevard umgebaut werden, so dass die normalerweise dort entlangbrausenden Autos durch Fußgängerampeln gebremst werden und Spaziergänger auf breiteren Trottoirs flanieren können.
Schluss mit dem Schnellverkehr
Schon ab September soll dort Schluss sein mit dem stinkenden Schnellverkehr. Noch weiter geht das Projekt, das im kommenden Frühjahr am linken Seine-Ufer verwirklicht werden soll. Zwischen Eiffelturm und Musée d’Orsay soll die zweispurige Schnellstraße neben der Seine auf fast 2,5 Kilometern Länge für Autos ganz gesperrt werden; schwimmende Gärten, Cafés, Skate-Bahnen, Grünanlagen und futuristische Sitzstufen sollen dort entstehen. Auf rund 35 Millionen Euro werden die Kosten für beide Umbaumaßnahmen geschätzt.
In Paris, wo die Straßen schon jetzt oft mit Autos verstopft sind, befürchten viele künftig ein völliges Verkehrschaos. Denn allein die Achsen am rechten Seine-Ufer nutzen laut Stadtverwaltung täglich 40.000 Fahrzeuge, um rasch voranzukommen. Zu den Hauptverkehrszeiten liegt das Verkehrsaufkommen dort bei 4000 Fahrzeugen pro Stunde. Am linken Seine-Ufer sind es 2000 Autos. „Logischerweise“ müsse der Verkehr dann auf die höherliegenden Boulevards am Seine-Ufer ausweichen, meint das Rathaus. Für das linke Seine-Ufer hat der Bürgermeister vorrechnen lassen, dass sich „der Weg quer durch Paris von Ost nach West um etwa sechs Minuten verlängert“.
Kritiker sehen in den Umbauplänen die Hölle
Kritiker der Umbaupläne halten das für Schönfärberei. „Das wird höllisch“, prophezeite der Unternehmer Jean-François Gézu kürlich in der Zeitung „Le Parisien“. Seine Lieferfahrzeuge bräuchten schon jetzt 45 Minuten für das vergleichsweise kurze Stück vom Place de Concorde bis zur Seine-Insel bei Notre Dame. Unternehmerverbände protestieren bereits seit dem offiziellen Start im April 2010 gegen das Projekt. Und die konservative UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hatte versucht, die Bauarbeiten zumindest hinauszuzögern. Der Sozialist Delanoë, ein Vertrauter des neuen Präsidenten François Hollande, setzt unbeirrt darauf, dass viele Hauptstadtbewohner ihr Auto künftig ganz stehen lassen und auf Bus und U-Bahn umsteigen.
Seine-Ufer ist seit 1991 Welterbe
Auf sein Konto geht bereits die Einführung des Leihfahrrad- und Leihelektroauto-Systems in Paris – zwei weitere symbolträchtige Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Für das Seine-Ufer-Projekt wirbt das Rathaus im Internet mit bunten Computer-Animationen; und auch eine Umfrage gab Delanoë in Auftrag, die 2011 ganz in seinem Sinne ergab, dass 71 Prozent der Bevölkerung für den Umbau sei.
Das Seine-Ufer in Paris, das 1991 von der UNESCO als Welterbe eingestuft wurde, ist derzeit nur an einigen Stellen – etwa direkt am Eiffelturm – für Fußgänger und Radfahrer reserviert. Im Sommer feiern die Bewohner der Hauptstadt jedes Jahr erneut die Sperrung des rechten Seine-Ufers für das Freizeitvergnügen „Paris Plages“ – dann wird dort ein Stadtstrand angelegt. Der Spaß dauert freilich nur wenige Wochen – dieses Jahr ist er am 19. August vorbei. Nun können sich die Seine-Ufer-Fans zumindest darauf freuen, dass das Flanieren ab nächstem Jahr ständig auf der anderen Seite des Flusses möglich sein soll. (afp)