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Schwarzwälder Kirschtorte nach vergilbtem Rezept des Vaters

Schwarzwälder Kirschtorte nach vergilbtem Rezept des Vaters

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Ein Konditor aus Triberg fand einst ein altes Originalrezept seines Vaters in der Backstube. Heute sind seine Torten auch im Ausland sehr begehrt.

Triberg. 

Eines Tages machte Konditormeister Claus Schäfer aus Triberg im Schwarzwald in seiner Backstube eine Entdeckung: In einem alten, vergilbten Rezeptbuch seines Vaters stand im Kapitel „Sahnetorten“ das Wort „Schwarzwälder Kirsch“ verzeichnet. Es war ein Eintrag in deutscher Sütterlinschrift, ein Rezept, das der Vater in seiner Lehrzeit in Radolfzell am Bodensee zwischen 1926 und 1929 aufgeschrieben hatte. Schäfer hätte der Notiz wohl kaum große Aufmerksamkeit geschenkt, wäre ihm nicht klar gewesen, bei wem sein Vater damals in die Lehre gegangen war: Es war Josef Keller, der Erfinder der Schwarzwälder Kirschtorte.

1915 hatte Keller während seiner Wanderjahre im Prominentencafé Ahrend in Bad Godesberg die geniale Kombination von Kirschen, Sahne, Kirschwasser und Schokolade erstmals ausprobiert. Das Rezept nahm er mit nach Hause ins eigene Café-Haus in Radolfzell – und gab es dort an seinen Lehrling August Schäfer weiter.

Bis zu 15 Torten pro Tag

Claus Schäfer lächelt, wenn er diese Geschichte erzählt, hält stolz die alten Rezeptbücher in Händen und sagt, dass er es selbst manchmal nicht glauben kann, „bei wem mein Vater da in die Lehre ging“. Der Vater ist früh verstorben, 1972 mit nur 60 Jahren. Sohn Claus führt seitdem den Betrieb und hat erleben dürfen, wie das Geschäft mit der Schwarzwälder Kirsch jedes Jahr ein bisschen mehr wurde. „Seit Anfang der 90er Jahre ist es ein richtiger Run“, sagt er – und seit er in der Europa-Ausgabe des Reiseführers „Lonely Planet“ verzeichnet ist, erfolgen Nachfragen nicht mehr nur auf Deutsch.

„Black Forest Cherry Cake?“ „Sorry, leider aus für heute“, muss Schäfer immer wieder antworten, wenn Amerikaner, Chinesen oder Inder kurz vor Ladenschluss noch in das Café in der Hauptstraße 33 kommen. An guten Wochenendtagen backt der Konditormeister aus Triberg bis zu 15 Schwarzwälder Kirschtorten. Er tut es im Wesentlichen nach dem alten Rezept des Vaters: ein Boden aus Mürbteig, hochprozentiges Kirschwasser, das unter die Sahne gezogen wird, Schwarzwaldkirschen, eine Kaiserkirsche als Dekor und Schokoladenspäne.

Kuckucksuhren und Bollenhüte

So steht es auch im Originalrezept, das Josef Keller einst entwickelt hat. Jahrelang hatten die Schäfers engen Kontakt zu den Kellers. Man besuchte sich gegenseitig, erst 1981 starb der Erfinder der Torte im stolzen Alter von 94 Jahren. Heute ist das Café Keller in Radolfzell geschlossen, aber im „Schäfer“ in Triberg herrscht reger Betrieb: Auch mit 72 Jahren steht Claus Schäfer noch jeden Tag in der Backstube, 2015 feiert er nicht nur den 100. Geburtstag der Schwarzwälder Kirschtorte, sondern auch sein 50-jähriges Jubiläum als Konditormeister. „Es macht Spaß. Und so lange es geht, werde ich weitermachen.“

Seine Frau Christa steht hinter der Theke und nimmt die Kuchenbestellungen auf. Etwa die Hälfte macht die Schwarzwälder Kirschtorte aus, die sich in Triberg nahtlos in das Postkartenbild einfügt, das viele Urlauber vom Schwarzwald haben: Der Ort ist ein Zentrum der Kuckucksuhrenherstellung, und nur wenige Kilometer weiter im Kinzigtal ist die ursprüngliche Heimat des Schwarzwälder Bollenhuts zu finden.

Dessen Erscheinungsbild ähnelt der Schwarzwälder Kirsch übrigens in erstaunlicher Weise: Rot, weiß und schwarz sind hier wie dort die dominanten Farben und beide zusammen längst ein Symbol.

Viele Varianten

„Meine Tochter lebt in London“, sagt Claus Schäfer, „aber den Black Forest und den Black Forest Cake kennen sie auch dort.“ Außerdem gibt es da noch den Schwarzwälder Schinken und die Original „Cuckoo Clock“: Von den Kuckucksuhren, die bei der Firma Herr in Triberg direkt gegenüber dem Café verkauft werden, gehen rund 85 Prozent in den Export. Die größte der Welt steht übrigens am Ortseingang.

Es gibt viele Varianten der Schwarzwälder Kirschtorte. Das macht es für die echten Konditoreien ein wenig leichter, sich zu unterscheiden und zu behaupten. Manchmal sei es schon schade, dass er immer nur nach der Schwarzwälder Kirsch gefragt wird, findet Claus Schäfer. Denn er backt auch ausgezeichnete Käse- und Heidelbeerkuchen. Aber an denen ist die BBC in London jetzt wirklich nicht interessiert, wenn sie mit einem Kamerateam nach Triberg kommt, um auf die Spur der einzigartigen Schwarzwälder Kirschtorte zu gehen.