Priel vor Neuwerk stoppt immer öfter Kutschfahrten
Auf das Duhner Loch ist so mancher Kutschfahrer nicht gut zu sprechen. Der tiefe Priel im Watt zwischen Cuxhaven und Neuwerk ist unberechenbar.
Cuxhaven/Neuwerk.
Eine Fahrt mit der Pferdekutsche übers Wattenmeer zur Insel Neuwerk ist für viele Nordseeurlauber ein Muss. Etwa zehn bis zwölf Kilometer lang ist die Strecke von Cuxhaven aus. Doch mittlerweile bleibt den Touristen dieses Erlebnis öfter verwehrt.
Das sogenannte Duhner Loch, ein Priel, verhindert den Inseltrip. Der Wasserlauf verbindet die Weser mit der Elbmündung. Bei Niedrigwasser ist er eigentlich für Wanderer, Wattwagen und Traktoren zur Versorgung der Insel passierbar. „Im letzten Jahr mussten wir 30 Mal am Priel umdrehen“, erzählt Kai Stelling, der Wattwagenfahrten zwischen Festland und Insel anbietet.
Durchfahrt für Tiere und Passagiere gefährlich
Dabei fahre er mit seinen Pferdewagen eh nur dann raus, wenn er sich informiert habe, dass der Priel niedrig genug ist. Doch der sei unberechenbar geworden. Wenn der 54-Jährige das im Wasser an einem Pfahl angebrachte Querbrett nicht mehr sieht, weiß er: Der Wasserstand ist höher als 1,30 Meter, damit ist der Priel unpassierbar. Zu gefährlich wäre die Durchfahrt für Tiere und Passagiere.
Auch am 18. August 2018 konnte Stelling den Priel nicht passieren. „Das Datum werde ich nicht vergessen.“ Mit 20 Pferdekutschen musste er auf Neuwerk bleiben, weil der Wasserlauf den Rückweg versperrte. „Das war nicht vorherzusehen.“ Einige Touristen übernachteten auf der Insel, andere wurden mit einem außer der Reihe eingesetzten Schiff abgeholt. Am nächsten Tag standen die Betroffenen vor seiner Tür und wollten von ihm das Geld für die Schifffahrt zurückhaben.
Situation verschärft sich
Seit rund drei Jahren verschärft sich die Situation im Watt. Warum der Priel immer tiefer wird, weiß keiner genau. „Dass sich das Watt verändert, ist eine ganz natürliche Geschichte“, sagt ein anderer Wattwagenfahrer aus Cuxhaven. „Es gibt Zeitungsartikel aus den 1960er Jahren, als der Priel von September bis Januar unpassierbar war.“
Inzwischen ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Nach dem Vorfall im August 2018 sagte der Cuxhavener Landtagsabgeordnete Uwe Santjer (SPD): „Neuwerk verliert zunehmend den Anschluss an das Festland.“
Mit Sand gefüllte Big Packs aus Jute
Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) brachte daraufhin vom vergangenen Dezember an mit Sand gefüllte Big Packs aus Jute – sie ähneln riesigen Einkaufstüten – im Bereich des Duhner Lochs aus. Die Barriere soll den Priel unterbrechen, um eine weitere Vertiefung zu verhindern. „Langfristig soll durch die Beruhigung des Wassers eine Aufschlickung erzielt werden“, erklärt ein Behördensprecher. Im Spätsommer sollen, wenn möglich, genauere Aussagen zur Wirkung der Aktion gemacht werden.
Wattwanderführer Karsten Bronk hat sich das Ergebnis bereits mehrfach angesehen. „Das hat nichts gebracht“, sagt er. „Ein Big Pack ist schon aufgeplatzt.“ Für ihn ist auch klar, warum die Maßnahme nicht funktionieren kann: „Das Watt ist ein hoch komplexes System, das ständig in Bewegung ist. Das zu berechnen, ist äußerst schwierig.“
Auf weicherem Boden laufen
Für Bronk sind die Veränderungen am Duhner Loch nicht so dramatisch wie für die Anbieter von Wattwagenfahrten. „Wir haben andere Durchwege, wir können auch auf weicherem Boden laufen.“ Zudem müssten die Wattwagen sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg durch den Priel. Die Wattwanderer fahren dagegen mit dem Schiff zurück. Somit kann er den besten Zeitpunkt für die Priel-Passage abpassen.
Für Stelling und die anderen Wattwagenfahrer in Cuxhaven und auf Neuwerk ist das Duhner Loch dagegen existenzbedrohend. Ein Busreiseveranstalter teilte dem 54-Jährigen gerade mit, dass er ihm in dieser Saison nicht wie üblich 400 Gäste bringen werde. „Die Begründung war, dass er wegen der vielen abgesagten Wattwagenfahrten im letzten Jahr zu oft gebuchte Reisen stornieren musste.“ Von den Maßnahmen des Landesbetriebs hat sich Stelling mehr erhofft: „Ich war in diesem Jahr dreimal mit dem Wattwagen los, zweimal bin ich nicht durchgekommen.“ (dpa)