Auf Mallorcas Wanderwegen durchs Tramuntana-Gebirge
Olivenhaine, verborgene Schluchten, Panoramablicke und die schönsten Bergdörfer der Insel: Ein reizvoller Weitwanderweg führt abseits des Massentourismus quer durch Mallorcas wildes Tramuntana-Gebirge.
Palma.
Wenn die Sonne im Herbst nicht mehr so stark brennt, dann ist es auf Mallorca Zeit, die Wanderschuhe zu schnüren. Quer durch das Tramuntana-Gebirge führt der malerische Weitwanderweg GR 221. Fast 150 Kilometer sind es von Port d’Andratx im Südwesten bis in den äußersten Nordwesten nach Port de Pollença.
Kurz hinter dem Jachthafen verliert sich der Pfad bereits in hügeligen Pinienwäldern. Die Aussicht ist grandios, sie fällt auf den ehemaligen Fischerort Sant Elm und die davor liegende „Dracheninsel“ Sa Dragonera. Durch Kiefernwälder geht es dann wieder steil bergauf. Die Ausblicke laden immer wieder zum Verschnaufen ein.
Die Kunst des Trockensteinmauerns
Beeindruckend ist die Sicht vom verlassenen Trappistenkloster La Trapa. Aus den Ruinen schallt klassische Musik. Miguel Torres hört beim Mauern gerne Mozart. Der 80 Jahre alte Mallorquiner hilft bei der Restauration der fast 80 Hektar großen Klosteranlage, die französische Trappistenmönche 1810 errichteten.
Bei Trockensteinbauten wie den Gebäuden und Terrassen des Klosters wird komplett auf Mörtel oder Zement verzichtet. Lediglich kantige Steine unterschiedlicher Größe werden zusammengefügt.
„Nirgendwo wurde das Trockensteinmauern so perfektioniert wie auf Mallorca. Die Unesco ernannte es 2018 sogar zum Weltkulturerbe“, sagt Torres. Er vergleicht das Handwerk mit einer Komposition: „Jeder Stein ist wie die Note einer Symphonie. Er muss seinen entsprechenden Platz haben, damit eine harmonische Mauer entsteht.“
Torres versichert: Auf dem Wanderweg werden wir noch unzählige mit dieser Technik gebauten Grenzmauern, Terrassen, Häuser, Wehrtürme und Wegstücke bestaunen können. Deshalb ist der GR 221 auch als Trockenmauerweg bekannt – Ruta de Pedra en Sec.
Immer wieder wilde Küstenblicke
Für Begeisterung sorgen für den Rest des Tages die Panoramablicke auf die schroffe Westküste Mallorcas. Am Aussichtspunkt Mirador d’en Josep Sastre stürzt die Klippe dramatisch 450 Meter ins Meer hinab.
Am Abend ist mit der Finca Ses Fontanelles das Etappenziel erreicht. Das 200 Jahre alte Bauernhaus wurde in ein idyllisches Wanderhotel verwandelt. Schafe weiden unter Zitrusbäumen. Ruhe kehrt ein.
Von Ses Fontanelles geht es zunächst durch eine einsame Schlucht 200 Meter steil bergauf. Wilde Ziegen scheinen überrascht zu sein von menschlicher Präsenz. Je höher man steigt, desto schöner wird der Blick über die wilde Küste und das Mittelmeer.
Das nächste Etappenziel Banyalbufar gehört mit seinen Steinterrassen, steilen Gassen und ockerfarbenen Sandsteinhäusern zu einem der schönsten Dörfer der Tramuntana. Banyalbufar bedeutet „am Meer gebaut“. Der Name stammt von den arabischen Besatzern, die hier vor Jahrhunderten Terrassen für den Anbau des Malvasier-Weins anlegten.
Dörfer wie aus dem Bilderbuch
Am nächsten Tag schlängelt sich der Weg erneut durch dunkle Steineichenwälder. Nach Esporles führt der Pfad bis zum Bergkamm auf fast 600 Meter Höhe. Schon bald ist das Etappenziel im Tal zu sehen: Valldemossa, das nicht umsonst meistbesuchte Dorf der Insel. Das für viele schönste Dorf ist allerdings Deià. Und die knapp 13 Kilometer lange Etappe bis dorthin gehört zu den schönsten des GR 221. Sie verläuft zunächst auf einem historischen Reitweg.
Langsam geht es bergauf bis zum 938 Meter hohen Puig Gros. Der Abstieg nach Deià ist wunderschön. Der Weg führt dramatisch an Steilwänden entlang, bis Olivenhain-Terrassen das Terrain langsam abflachen. Deià ist Mallorcas Künstlerdorf. Es lockte schon immer Maler, Dichter und Komponisten an. Nicht wenige stiegen im Hotel „La Residencia“ ab. Die Herberge ist allein wegen ihres Skulpturengartens und rund 800 Werken vor allem lokaler Künstler einen Besuch wert.
Vorbei an Oliven- und Zitrusplantagen
Der Tagesmarsch bis zum Hafen von Port de Sóller verläuft durch endlose Olivenbaum-Plantagen. In den verknorpelten, Jahrhunderte alten Bäumen auf der Muleta-Halbinsel kann man Kobolde, Gesichter und verschiedenste Tiere erkennen. Am 1842 erbauten Leuchtturm vom Cap Gros biegt der Weg abrupt nach rechts ab und führt zum wunderschönen Naturhafen von Sóller. Und damit zum ersehnten Sprung ins Mittelmeer.
Der nächste Morgen beginnt entspannt und nostalgisch: Mit der 1913 eingeweihten, holzvertäfelten Straßenbahn geht es von der Strandpromenade durch Zitrusplantagen bis nach Sóller. In der Markthalle kann man gut Proviant für die lange Tagesetappe bis zur Schutzhütte Tossals Verds einkaufen.
Mallorca geht auch einsam
Kurz nach dem Bergdorf Biniaraix ist Kondition gefordert. Durch eine einsame Schlucht geht es über Trockensteinpfade steil im Zickzack bergauf. Fast 750 Höhenmeter müssen bis zum Coll de L’Ofre erklommen werden. Der Blick zurück ins Orangental von Sóller: umwerfend.
Oben im Hochtal glitzern die zwei Stauseen in der Sonne. Es riecht nach Salbei und Kräutern. Imposant überragt Mallorcas höchster Berg, der 1436 Meter hohe Puig Major, die Landschaft. Auf der Berghütte Tossals Verds ist man fernab der Zivilisation.
Das Kloster von Lluc unten im Talkessel ist schon von weitem zu sehen. Der bedeutendste Wallfahrtsort Mallorcas wurde im 13. Jahrhundert gegründet. In den ehemaligen Mönchszellen kann man übernachten. Sobald die Tagestouristen verschwinden, wird es wunderbar still. Aufbruch in der Frühe.
Idyllische Ruhe und Maurer-Klopfen
Das Vogelgezwitscher ist beruhigend. Plötzlich kräftiges Klopfen und Hämmern. Trockensteinmaurer Damià González und sein Team restaurieren ein Wegstück, das im Winter von der Erosion zerstört wurde. In den 1980er Jahren war die Zunft der Trockenmaurer vom Aussterben bedroht. Und damit auch der Erhalt der alten Bergwege, erklärt González.
Auf Initiative des Inselrats werden heute wieder Fachleute im traditionellen Trockenmauerbau ausgebildet. Die Wanderstrecke Ruta de Pedra en Sec ist ein Projekt, das den Wandertourismus in den abgelegensten Bergregionen der Insel fördern soll.
Langsam führt der Waldweg aus dem Tramuntana-Gebirge hinab in die Bucht von Pollença. Orangen, Feigen, Mandeln, Birnen und Aprikosen prägen das Tal. Über eine alte Römerbrücke geht es in den Ortskern mit seinen prächtigen Herrenhäusern, Palästen und der Pfarrkirche.
Die letzte Etappe entlang der Straße kann man sich sparen. Hier tut es auch der Bus, wenn die Sehnsucht nach dem Sprung ins Meer zu groß wird. In den kommenden Jahren soll der Trockenmauerweg übrigens erweitert werden – und dann am mystischen Kap von Formentor enden. (dpa)