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„Nicht alleine ins Wasser“

„Nicht alleine ins Wasser“

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Foto: MSG

Sommerzeit ist Unfallzeit: Was Urlauber vor dem Sprung ins kühle Nass wissen müssen

Rolf Lüke hat vor zehn Jahren auf Formentera seine Schwester verloren. Bei einem Badeunfall. Daraufhin rief der heute 62-Jährige die Organisation Blausand (www.blausand.de) ins Leben. Das Reise Journal sprach mit dem Experten für Badesicherheit über Gefahren und Risiken an Stränden und Seen.

Herr Lüke, ist baden überhaupt gefährlich?

Lüke: Sagen wir es mal so, es ist auf jeden Fall nicht ungefährlich. Genau genommen müsste man es sogar als Risikosportart einstufen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von hundert Toten in Europa täglich aus. Täglich!

Warum ertrinken denn so viele Menschen?

Lüke: Aus Unwissen. Allein in Deutschland starben vergangenes Jahr 475 Menschen, die meisten in so genannten Risiko-Gewässern, also in Flüssen, Seen, Teichen und Kanälen. Besonders tückisch sind Rhein und Elbe. An vielen Stellen fehlen Warnschilder, dazu kommt schlechtes Rettungsmanagement. Bei Badeunfällen entscheiden wenige Minuten über Leben oder Tod.

Ist das Mittelmeer so harmlos wie man meint?

Lüke: Mittelmeer, das bedeutet Urlaub. Und genau da liegt die große Gefahr. Denn Urlaubsgefühl und Risikowahrnehmung sind völlig konträr, das überlagert sich. 80 Prozent aller Badeunfälle werden durch so genannte Rip-Strömungen verursacht. Sie ziehen den Badenden mit sich hinaus aufs Meer. Vom Strand aus sind sie nicht zu erkennen. Besonders viele Menschen ertrinken jedes Jahr in Spanien.

Nennen Sie uns mal die drei größten Irrtümer?

Lüke: Der erste Trugschluss ist der, dass die Leute meinen, bei schönem Wetter könne nichts passieren, weil das Meer ruhig ist. Dabei spielen sich Strömungen unsichtbar unter der Wasseroberfläche ab. Auch ist die Annahme falsch, dass es gerade dort besonders sicher sei, wo viele baden. Besonders Pauschaltouristen meinen häufig, sie hätten ein Rundum-Sorglos-Paket inklusive Badesicherheit gebucht. Dabei sind längst nicht alle Strände bewacht.

Wie kann man sich schützen?

Lüke: Nicht alleine ins Wasser. Und nur an bewachten Stellen. Das ist die beste Lebensversicherung.

Worauf müssen Eltern mit kleinen Kindern achten?

Lüke: Permanente Aufsicht! Denn Kinder ertrinken leise. Das Phänomen des „stillen Ertrinkens” wurde in den USA erforscht. Ergebnis: Viele Kinder ertrinken vor den Augen der Eltern, weil diese den Überlebenskampf ihrer Kleinen als Spielen oder Plantschen fehlinterpretiert haben.

Und ältere Menschen?

Lüke: Senioren verreisen heute wesentlich mehr als früher, sind aber oft nicht richtig gesund. Dementsprechend viel passiert. Eine Notsituation führt bei älteren Jahrgängen häufiger zu Panik und schnellerem Erschöpfen. Der Schwächeanfall ist bei Rentnern die häufigste Ertrinkungsursache.

Sind die Strände in allen Reiseländern gleich sicher?

Lüke: Es ist sehr schwierig konkrete Unfallzahlen aus einzelnen Destinationen zu erhalten. Meist schweigen sich die Länder aus. Fest steht aber, dass zum Beispiel in der Türkei das Personal zur Strandbewachung sehr schlecht ausgebildet ist, die Balearen haben dagegen in den letzten Jahren viel für die Sicherheit getan. Nord- und Ostsee sind ebenfalls vergleichsweise sicher.