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Magdeburg als Stadt der Moderne

Magdeburg als Stadt der Moderne

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Fassaden von Wohngebäuden in der Otto-Richter Strasse. Die bunten Fassaden der Wohnhäuser gehen auf den Stadtbaurat Bruno Taut zurück, der 1921 rund 80 Hausfassaden begleitend zur Mitteldeutschen Ausstellung für Siedlung, Sozialfürsorge und Arbeit (MIAMA) umgestalten ließ. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/ZB
Die Wohnsiedlungen der Moderne aus den 1920er Jahren in Magdeburg sind gut erhaltene Zeugnisse des sozialen Wohnungsbaus und des Reformwillens der Zeit.

Magdeburg. 

Ein bisschen versteckt im Stadtgebiet, ziemlich bunt und knallig, erinnern die Bauten irgendwie an große Puppenstuben. Magdeburg überrascht im Bauhaus-Jahr 2019 mit Gebäuden, die sehr viel älter sind als das bekannte, 2005 fertiggestellte Hundertwasserhaus, aber ebenso farbenfroh. Die Wohnsiedlungen der Moderne aus den 1920er Jahren sind gut erhaltene Zeugnisse des sozialen Wohnungsbaus.

In der Zeit der Weimarer Republik wurde in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt viel gebaut, Magdeburg entwickelte sich zu einer Reformstadt der Moderne. Die Epoche des Aufbruchs, die in diesem Jahr mit dem 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses bundesweit gefeiert wird, hat in Form zahlreicher Bauten auch in Magdeburg ihre Spuren hinterlassen.

Stadt des Modernen Bauens

Die Geschichte Magdeburgs als Stadt des Modernen Bauens sei besonders facettenreich, sagt Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD). Unter dem früheren, ebenfalls sozialdemokratischen Oberbürgermeister Hermann Beims (1863-1931) sei «ein kommunal geförderter, funktionaler und zugleich futuristischer Wohnungsbau» realisiert worden. Trümper verweist auf Bruno Taut, Johannes Göderitz, Carl Krayl, Albin Müller und weitere Architekten und Stadtplaner, deren Bauten heute unter Denkmalschutz stehen. Sie seien dank zahlreicher Sanierungen «sehr gut erhalten und prägen das Stadtbild bis heute deutlich».

Sozialer Wohnungsbau war ein großes Thema der damaligen Zeit, es herrschte wie andernorts auch großer Wohnungsmangel. Ziel war es daher, günstige und vor allem auch gesunde Wohnungen zu schaffen, mit Platz für Sonne, Licht, mit frischer Luft und Grünanlagen. Der damalige Oberbürgermeister Beims entwarf zusammen mit den Architekten Taut und Göderitz einen Generalsiedlungsplan für Magdeburg. Dazu gehört die heute denkmalgeschützte und größtenteils sanierte Hermann-Beims-Siedlung, die in den 1920er Jahren als Arbeitersiedlung entstand. Sie gilt als erste deutsche Großsiedlung der Moderne, mit 2.000 Wohnungen, und fand auch überregional große Beachtung.

Stadthallenbau galt damals als besonders fortschrittlich.

Die dreigeschossigen Häuser fallen heute vor allem mit ihren gelben Fassaden und klaren Formen auf. Mit den Flachdächern und kleinen Fenstern wirken sie schnörkellos und funktional. Eine Museumswohnung kann heute dort besucht werden und offenbart, dass auch im Inneren praktisch gedacht wurde. Die Zimmer selbst sind in knalligen, bunten Farben gestaltet, so wie sie damals den Erstmietern in den 1920er Jahren übergeben wurden.

Die Stadthalle, im Park direkt an der Elbe gelegen, entstand für die Deutsche Theater-Ausstellung im Jahr 1927, ein internationales Großereignis. Zum damals hochmodernen Architekturensemble gehören auch das sogenannte Pferdetor und der 60 Meter hohe Albinmüller-Turm, von dem die Besucher einen großartigen Blick über die Parkanlage und das Stadtgebiet haben. Die Stadthalle mit ihrem großen Orchester- und Bühnenpodium galt damals als besonders fortschrittlich. Das als Ausstellungsgelände angelegte Areal gibt heute Zeugnis von der Stadt des neuen Bauwillens. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadthalle schwer beschädigt, später aber wieder aufgebaut. Noch heute finden hier Konzerte und Veranstaltungen statt.

Die bunte Stadt

Taut, unkonventioneller Architekt und ab 1921 Stadtbaurat in Magdeburg, trug auch maßgeblich dazu bei, dass die Stadt den Beinamen «Die bunte Stadt» erhielt. Ihm ging es nach eigenen Worten darum, «den Bewohnern der scheußlichsten Mietskasernen, der traurigsten Hinterhöfe immer noch ein bescheidenes Stück Lebensfreude zu bringen». Er übernahm bereits von 1913 an die Planung für die schon vorher begonnene Gartenstadt-Kolonie Reform. Dort entstanden Reihenhäuser in neuen Farbvarianten, jedes kleine Häuschen mit eigenem Garten. Im Gesamtwerk Tauts ist die Siedlung bedeutsam als Vorreiter für seine Berliner Großsiedlungen.

Die wohl bunteste Straße Deutschlands mit expressionistischer Fassadenbemalung befindet sich ebenfalls in Magdeburg. Die genossenschaftliche Wohnsiedlung in der Otto-Richter-Straße wurde zwischen 1904 und 1916 erbaut. Es war wieder Taut, der Anfang der 1920er Jahre seinen Kollegen Krayl beauftragte, die grauen Fassaden von rund 80 Bauten dort zu kolorieren. Die rekonstruierten Farbgebungen leuchten heute wieder kräftig-bunt und springen sofort ins Auge. Dabei lässt sich Tauts Idee, Magdeburg als bunte Stadt zu gestalten, eindrucksvoll nachvollziehen. Die Otto-Richter-Straße, die Hermann-Beims-Siedlung, die Gartenstadt-Kolonie Reform und das gesamte Stadthallen-Areal gehören auch zur Grand Tour der Moderne, einer Städtetour durch Deutschland zum 100. Bauhaus-Jubiläum. (epd.)