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Kunst und Kurven an der Timmelsjoch-Hochalpenstraße

Kunst und Kurven an der Timmelsjoch-Hochalpenstraße

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Pünktlich zum 50. Geburtstag der Hochalpenstraße zwischen Österreich und Italien ist das höchstgelegene Motorradmuseum der Welt offen.

Obgergurgl. 

Kurvengeist und Kunstsinn. Meisterwerke und Motorradmuseum. Mit rund 60 Serpentinen windet sich die Timmelsjoch-Hochalpenstraße durch die Ötztaler Alpen mit ihren imposanten Dreitausendern, vom Ötztal ins Passeiertal, von Tirol nach Südtirol, von Österreich nach Italien. Oder umgekehrt. Der „Timmel“ als einzigartige Er-Fahrung. So oder so. Eine sportliche Herausforderung für Motor- und Mountainbiker, ein Genuss für Kunst- und Architekturbegeisterte und seit Neuestem eine Attraktion für Fans historischer Motorräder.

„Geh heut nicht fort, mich plagt ein böses Ahnen! So spricht des Schmugglers Weib“, heißt es in einer alten Moritat aus der Grenzregion. Einer, der fortging, war Michael Etschmann. Als Junge schmuggelte er für die Familie Saccharin und Butter zum Überleben und Zigaretten für ein bisschen Entspannung. „Nie haben mich die Zöllner erwischt, wenn ich meine Schätze von Obergurgl über den Pass nach Hause brachte“, erinnert sich der bald 83-jährige „Speck-Michel“, Seniorchef vom Gasthof Schönau am Fuß der Serpentinen auf italienischer Seite .

Wie ein Schatten wirkt die Silhouette in dem Kubus „Schmuggler“, eins von fünf Kunstwerken, mit denen der Südtiroler Architekt Werner Tscholl die Alpenhochstraße zur „Timmelsjoch-Erfahrung“ macht. Zwischen Mythos und Moderne hat er seine starken Objekte angesiedelt, als Infopoints, die auch neue Blicke auf die uralte Geschichte, Kultur und Hochgebirgslandschaft der Grenzregion vermitteln. „Ganz bewusst habe ich keine reinen Kunstwerke geplant, sondern Skulpturen, die begehbar und nutzbar sind“, so Tscholl.

Von Obergurgl (1907 Meter) führt die Panoramastraße die Nordrampe hinauf bis auf das 2509 Meter hoch gelegene Timmelsjoch oder Passo Rombo, wie es auf Italienisch heißt, einem der höchsten befahrbaren Pässe Europas. Und von dort steil bergab auf der kurvenreichen Südrampe bis St. Leonhard (693 Meter) im Passeiertal.

Architekt Werner Tscholl hat Kunst an der Straße platziert

43 Kilometer lang insgesamt. Gern lassen sich Auto- und Motorradfahrer durch die auffälligen Kunstobjekte ausbremsen. Viele legen am „Fernrohr“ einen Stopp ein. „Man kann dort in alle Richtungen den Fokus auf die Bergriesen richten“, erklärt der Architekt. Auf das Schwindelerregende der Bergwelt verweist Tscholl mit dem „Steg“ über dem Abgrund bei der Mautstation. Zeichen selbst in der Nacht setzt er mit dem rot funkelnden „Granat“ auf dem Felshang bei Stuls in der Passeier Gemeinde Moos. Einem Findling ähnelt das Passmuseum. Die „Eishöhle“ in seinem Inneren zollt jenen Pionieren Tribut, die am Bau der Nord-Süd-Verbindung beteiligt waren.

Anfang der 50er-Jahre greift der Ötztaler Tourismuspionier Angelus Scheiber den Plan einer grenzübergreifenden Straße auf, der bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstand, durch den Ersten Weltkrieg aber erstmal wieder ad acta gelegt wurde. Stattdessen wird das „Timmeljoch“ ohne s, wie es damals noch hieß, zur Staatsgrenze. Zwar existiert bereits eine stillgelegte Militärstraße auf der steilen Südrampe, die Benito Mussolini in den 30er-Jahren errichten ließ, doch erst am 17. Juli 1959, nach nur 17-monatiger Bauzeit, wird schließlich der Anschluss über die Grenze hinaus auf Südtiroler Seite geschaffen und die Straße zum Pass fertiggestellt.

Es dauert aber noch bis 1968, bis sie für den Verkehr freigegeben wird. In zwei Jahren – 2018 – feiert die Timmelsjoch-Hochalpenstraße nun ihr 50-jähriges Bestehen. Doch die Geschichte des urkundlich bereits im Jahre 1241 erwähnten „Thymelsjoch“ reicht bis in die Steinzeit zurück, als Hirten mit ihrem Weidevieh den Übergang nutzten. Im Mittelalter erlebte der Handel über den Timmel eine Blüte. Tiroler Händler transportierten in großen Kraxen ­(Rückentrage) Vieh, Speck, Schmalz und Flachs, der im Ötztal gedroschen wurde, um es einzutauschen gegen Wein, Branntwein und Essig.

Der Top Mountain Cross Point ist Mautstation und Museumsstandort

Rechtzeitig vor dem großen Jubiläum hat sich zum Passmuseum ein zweites gesellt: das höchstgelegene Motorradmuseum Europas auf 2175 Meter, untergebracht im „Top Mountain Cross Point“. Wieder setzt sich Familie Scheiber ein Denkmal, diesmal sind es Angelus Scheibers Enkel, die 49-jährigen Zwillinge Alban und Attila Scheiber. „Wir sind moderne Straßenräuber“, sagen sie bei der Eröffnung. Schließlich zählt zu den Funktionen des multifunktionalen Top Mountain Cross Point auch die als Mautstation. Das einer geschwungenen Schneewechte des Tiroler Architekten Michael Brötz nachempfundene Gebäude mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 23 Millionen Euro beherbergt außerdem ein Restaurant und die Talstation der neuen 10er-Gondelbahn zum Kirchenkar.

Motorradfahrer aus aller Welt legen dort einen Boxenstopp ein. Wie am Sonnabend, 18. Juni, die chinesischen Harley-Fahrer, unterwegs von Rom nach Hamburg zu den Harley Days. Begleitet vom Breitenfelde-Chapter, das im vergangenen Oktober als erster Harley-Klub weltweit von Shanghai nach Peking gefahren ist.

Tipps & Informationen

Passstraße Geöffnet von ca. Anfang Juni bis ca. Ende Okt., tgl. 7–20 Uhr.

Mauttarife Pkw einfach 16 , hin und zurück 21 Euro, Motorrad einfach 14 , hin und zurück 19 Euro.

Motorcycle Museum Eintritt 10 Euro p. P., Ermäßigung für Card-Inhaber. Geöffnet: täglich 9–19 Uhr.

Auskünfte www.obergurgl.com; www.timmelsjoch.com