Unterwegs in den Parks des Périgord: Zwischen klassisch und ganz modern finden sich alle Spielarten des Gartenbaus.
„Mit feinen Kräutern des Périgord” – so oder ähnlich warb während meiner Jugend ein Frischkäse-Hersteller für sein Produkt. Und prägte damit – unabsichtlich wohl, aber doch sehr nachhaltig – meine Vorstellung von dieser Region: Ein Gärtlein voller aromatischer Kräuter und – irgendwo muss der Käse ja herkommen – voller Kühe. Er-staunlicherweise fand ich dieses kindliche Pauschalurteil nicht widerlegt, aber doch aufs Reizvollste ergänzt: Das Périgord hat kulinarisch sehr viel mehr zu bieten als Kräuterfrischkäse; es ist landschaftlich um einiges Aufsehen erregender als eine Kuhweide. Und die Gartenkunst hat hier mehr und schönere Blüten getrieben als Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian zusammen.
Diese Blüten gilt es allerdings erstmal zu finden, denn das Périgord – oder das Departement Dordogne, was fast aufs selbe rauskommt – ist dünn besiedelt, anders gesagt: voller Wälder, Äcker und Wiesen. Auf denen man übrigens häufiger Gänse sieht als Kühe, aber ums üppige Essen soll’s hier heute nicht gehen. Zwei ganz besondere Blüten findet man am nördlichen Rand des Naturparks Périgord-Limousin am Flüsschen Dronne. Sie wurden dem Städtchen Ribérac verliehen, es darf sich „Village fleuri” nennen, und darauf ist man dort mächtig stolz.
Zu Recht: Es geht um eine landesweite Aktion, die sich sehr frei übersetzen ließe mit „Unser Dorf soll schöner werden”. Man nimmt das aber viel ernster. Eines Tages wolle man die Stadt mit der höchsten Auszeichnung, mit vier Blumen schmücken, so Bürgermeister Remy Terrienne. Ohne die Unterstützung der Bürger gehe es nicht, aber die habe man, und seitens der Stadt tue man auch alles: 13 Landschaftsgärtner beschäftigt die Kommune mit ihren gerade mal 4300 Einwohnern.
Für eine Stadt dieser Größe sind zwei Blumen eine Wucht, „damit sind wir die einzigen in ganz Aquitanien”, so noch einmal der stolze Bürgermeister. In der Hauptstadt des Departements, in Périgueux, einer „Ville fleuri classée 4 fleurs”, ist man gärtnerisch noch ein paar Schritte voraus. Hier, am Espace Culturel Francois Mitte´rand, wirkt Daniel Beauvois als oberster Landschaftsarchitekt des Departements Dordogne. Eine seiner Ideen: Am Ufer der Isle, gleich hinter dem „Kulturraum” mit dem Namen des früheren Präsidenten, legt er mit seinen Leuten jedes Jahr einen neuen Garten an. Zuletzt einen afrikanischen mit Ölfässern als Blumenkübel, die um eine Lehmhütte verteilt sind. Drei Jahre lang bleibt ein solcher Garten an Ort und Stelle, dann wird er an eine der Städte des Departements vergeben. Bei einem war es zum Beispiel mal um Müll und Wiederverwertung gegangen: Was böse Menschen in der Natur entsorgen – alte Kühlschränke, Reifen, Waschmaschinen -, hier wurde es künstlerisch arrangiert und bepflanzt.
Die Wirkung ist umso frappierender, als man diesen Garten ausgerechnet nach Sarlat verpflanzte – ein mittelalterliches Schmuckkästlein von einer Stadt, auf dessen Markt die Händler alle Genüsse des Pe´rigord feilbieten. In der Tat eine Menge Kräuter, auch Käse, der in aller Regel jedoch alles andere als frisch ist. Außerdem Nüsse, Trüffel, andere Pilze und nicht zuletzt alles, was sich so aus Gänsen herstellen lässt. Ganz schön schwierig, hier das Thema Essen links liegen zu lassen.
Na jedenfalls: Auf dem Weg von diesem französischen Bilderbuch-Markt zu den französischen Bilderbuchgärten von Marqueyssac braust man ziemlich unvermittelt an der erwähnten, künstlerisch drappierten und bepflanzten Müllkippe vorbei. Selbst wenn man vorher davon gehört hat: ein ziemlicher Schock, ein höchst gelungener Denkanstoß – Chapeau, Monsieur Beauvois!
Was man hierzulande unter einem „Französischen Garten” versteht, findet man – etwas variiert – auf einem Felsen hoch über dem Fluss Dordogne: die 150 000 akkurat gestutzten Buchspflanzen von Marqueyssac. Die Variation besteht darin, dass sie keine geometrischen Muster bilden, sondern in eigenartig-organischen Bögen die Formen der umgebenden Flusslandschaft wiederholen. Und diese – obschon der Garten wirklich prachtvoll ist – ist die Haupt-Sehenswürdigkeit hier: Die Blicke hinab auf die Dordogne, auf das Dorf La Roque Gageac sind – man verzeihe die Platitüde – traumhaft. Krönender Abschluss dieses Ausflugs ist eine Fahrt mit einer „Gabarre”, einem Boot, das nach dem Vorbild alter Lastensegler nachgebaut wurde.
Die perfekt in architektonische Formen gezwungene Natur findet man bei Monsieur Patrick Sermadiras de Pouzols de Lile rund um sein Manoir d’Erignac. „Der Chefgärtner von Versailles lobte bei einem Besuch hier mal die Perfektion, mit der unsere Rasenkanten gestochen sind”, erzählt der Hausherr, den man am liebsten mit Monsieur le Comte anreden würde. Für ganz besondere Gäste, zu denen ich mich zählen darf, gelten die „Rasen betreten verboten”-Schilder nicht. Ich konnte also genau hinschauen und kann versichern:
Aus keinem Hainbuchen-Zylinder, aus keinem Buchs-Kubus lugte auch nur ein Blättchen breit Wildwuchs hervor. 1960 hatte Patrick Sermadiras hier bei null angefangen, „der Park war vollkommen verwildert.” Vor 20 Jahren dann, nach sorgfältiger Planung und harter Arbeit, sei der Park soweit präsentabel gewesen, dass man ihn der Öffentlichkeit zugänglich machen konnte. „Inzwischen haben wir 80 000 Besucher pro Jahr.” Und weil viele von denen so gerne Blümchen sehen, habe man später auch einen Rosengarten angelegt, „aber nur mit weißen Blüten, zu bunt sollte es nicht werden.”
Das Ideal – oder Klischee, wenn Sie so wollen – französischer Gartenkunst findet man rund um das Château de Losse hoch über den Ufern des Flüsschens La Vézère ganz in der Nähe der berühmten Höhlen von Lascaux: geometrisch getrimmter Buchs und Hainbuche, dazwischen Rosen, Lavendel, Salbei. An einer Ecke allerdings treibt man hier das „architektonische” Gärtnern auf die Spitze: Einen einstmals abgebrannten Gebäudeflügel lässt man mit Hainbuchen „nachwachsen”.