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Im Bett von Ballack

Im Bett von Ballack

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Foto: MSG

Ein Besuch im EM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft am Lago Maggiore

Ich liege im Bett von Michael Ballack. Oder dem von Lukas Podolski. Vielleicht ist Zimmer 220 auch für den Zeugwart reserviert. Möglicherweise streckt unter dem grün-weiß karierten Baldachin meines Himmelbettes auch der Fahrer des Mannschaftsbusses alle Viere von sich. Niemand weiß das so genau. Nicht einmal Philippe Frutiger. Und wenn er es wüsste – er würde es mir nicht verraten.

Vom 3. bis 28. Juni ist Hotel-Direktor Frutiger Gastgeber der Deutschen Fußball Nationalmannschaft. Und dass sich um den Aufenthalt der 60-köpfigen DFB-Abordnung im Luxushotel Giardino in Ascona am Lago Maggiore so manches Geheimnis rankt, hat nur zum Teil mit schweizerischer Diskretion zu tun – die in einem Haus dieser Klasse ohnehin als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf: Denn der DFB hat mit dem Hotel klar geregelt, was Journalisten über das EM-Quartier im Tessin erfahren dürfen – und was nicht. Das Ziel der 23 Spieler und ihrer Begleiter ist schließlich der Gewinn der Europameisterschaft.

Abgeschiedenheit hinter hohen Hecken

Und dafür bedarf es jener Stille, Diskretion und Abgeschiedenheit, wie sie das Fünf-Sterne-Haus, das sich hinter einer großen Hecke in einem Villenvorort Asconas versteckt, nun einmal in Schweizer Perfektion bietet. Streng genommen steigen die Deutschen Fußballer – genau wie ich – gewissermaßen ja aus geschäftlichen Gründen im Giardino ab.

Aber berufliche Pflichten lassen sich nur schwer mit jener Aussicht in Einklang bringen, die sich vom weinberankten Balkon meines Zimmers im zweiten – und damit obersten – Stockwerks des Haupthauses bietet. Und die man als Gast wahrscheinlich erwarten darf, wenn man bereitwillig 480 Euro pro Nacht für ein Zimmer mit Südbalkon und Cararra-Marmor im Bad zahlt, Kurtaxe kommt extra: Im Süden reckt der 2190 Meter hohe Gridone sein noch immer schneebestäubtes Haupt in den azurblauen Himmel.

Unten im Garten dagegen ist schon Sommer: Verführerisch schimmert der Hotelpool inmitten eines stadiontauglichen Rasens, der vom Platzwart – pardon – vom Gärtner mit der Nagelschere geschnitten worden sein muss. Mit blühenden Mimosen an der Seitenauslinie und Terrakottatöpfen, in den Zitronen- und Orangensträucher ihre reifen Früchte hängen lassen. Alles ist so still, dass man den Kois im Zierteich vorm Hotelrestaurant „Aphrodite” beim Luftschnappen zuhören könnte, würden sie nicht vom Plätschern der Wasserspiele und einem gelegentlichen „Plök”, das vom benachbarten Golfplatz ‚rüberschallt, übertönt.

Mein Zimmer ist 34 Quadratmeter groß, der Teppich flauschig, das Mobilar eine Spur zu rustikal, und ganz gleich ob Michael Ballack hier wohnt oder in einer der 70 Quadratmeter großen Suiten – er wird sich an das Gemälde eines niedlichen Katzenbabys gewöhnen müssen, das sich offensichtlich in jedem Zimmer an das Kopfende der Betten geschmacksverirrt hat.

Italien im Garten

Dann doch lieber der Blick nach draußen: Gegenüber nämlich, auf der anderen Seite des Gartens, ragt hinter Zypressen und blühenden Kamelien die pastellfarbene Fassade des „Casa Rosa” getauften Nebenhauses auf – und damit ist die Täuschung perfekt. Zur Erinnerung: Wir sind ja hier in Ascona an der Nordspitze des Lago, mithin also im Süden der Schweiz, im Ticino, wo nicht nur italienisch gesprochen, sondern auch gelebt wird. Die Grenze? Vielleicht zehn Kilometer weiter südlich, aber im Garten des Hotels Giardino, das 1986 im toskanischen Landhausstil errichtet wurde, hat Italien schon begonnen.

Auch wenn der Gedanke an Italien die ein oder andere unangenehme Erinnungen wachruft – WM 2006, da war doch was? -, für Niederlagen ist das Giardino mit seinen 77 Zimmern partout nicht der geeignete Ort. Was nicht zuletzt an Mitarbeitern wie Consierge Claudio Caser liegt: Wer morgens von seinem strahlenden Siegerlächeln begrüßt wird, verliert abends kein Länderspiel mehr. Der Mann hat viel erlebt in seiner beruflichen Laufbahn und manch‘ berühmten Gast empfangen. Doch die Aussicht auf die Juni-Schicht löst sogar im langgedienten Empfangschef des Giardiono Lampenfieber aus: „Eine absolut einmalige Geschichte – die Deutsche Nationalmannschaft zu Gast bei uns. Stellen Sie sich das vor”, fordert Caser mich auf und versucht erst gar nicht, seine Begeisterung hinter einer Fassade professionellen Gleichmuts zu verstecken. „Ich kann’s kaum erwarten, bis es losgeht.”

Schulung für die Mitarbeiter

Caser ist nicht der einzige, der dem 3. Juni, dem Tag, an dem die deutschen Spieler anreisen, entgegenfiebert: Die Vorbereitungen hinter den Kulissen laufen auf Hochtouren, fast täglich telefoniert Hotelchef Philippe Frutiger mit der DFB-Zentrale in Frankfurt, um Einzelheiten abzusprechen, und dann sind da noch die Presseleute, die wissen wollen, wie Jogi Löw und seine Männer wohnen: Rund 30 Journalisten hat Patric Vogel, Marketing-Chef des Giardino, nur im März und April durchs Hotel geführt – ohne die bei diesen Gelegenheiten gern gestellten Fragen zu Geld, Spielerfrauen oder Zimmerbelegungen allzu genau zu beantworten.

Als die Deutschen im März in Basel zum Freundschaftsspiel gegen die Schweiz antraten, rief Philippe Frutiger vorsichtshalber ‚mal in dem Hotel an, in dem die DFB-Elf abgestiegen war und erkundigte sich, wie es denn so sei, die Herren Ballack und Co. im Hause zu haben. Man weiß ja nie. Seine Kollegin gab Entwarnung, und was sie sagte, deckte sich mit Frutigers Vermutung: „Die sind alle sehr pflegeleicht.”

Dennoch: In den kommenden Tagen steht eine Schulung der rund 130 Hotelmitarbeiter an, darunter viele Deutsche. „Es geht darum, die Mitarbeiter für diese besonderen Gäste zu sensiblisieren”, erklärt PR-Mann Vogel. „Es macht zum Beispiel einen Unterschied im Umgang, ob die Mannschaft verloren oder gewonnen hat.” Damit die Hotelcrew stets im Bilde ist, gegen wen die Deutschen antreten, hängen im Mitarbeiterbereich Spielpläne aus: „Unsere Leute sollen wissen, was der Mannschaft bevorsteht.”

Mittlwerweile wird Philippe Frutiger wohl auch die endgültige Fassung des „Drehbuchs” in den Händen halten. In dem etwa 30 Seiten starken Papier sind die Tagesabläufe mit allen Zeiten für Training, Mahlzeiten, An- und Abreise zu den Spielen minutiös aufgeführt. Ende Mai verlassen dann die Hotelgäste das Giardino, das ab 1. Juni exklusiv dem DFB zur Verfügung steht.

Keine Zeit für Asconas Schönheiten

Von den Schönheiten Asconas mit seiner Altstadt und der Hafenpromenade werden die Fußballer indes nur wenig sehen. An den spielfreien Tagen wird morgens und abends trainiert, die 15-minütige Fahrt zum Centro Sportivo in Tenero führt ausgerechnet durch einen langen Tunnel. Und weil die Deutschen alle drei Vorrundenspiele der Gruppe B in Österreich absolvieren, muss die Mannschaft am Vortag der Spiele die umständliche Anreise per Bus nach Lugano und von dort weiter mit dem Flugzeug in Kauf nehmen: Keine Zeit für Sightseeing.

Dafür, ist Philippe Frutiger sicher, werden die Deutschen den Fünf-Sterne-Service seines Hauses bis zum Ende des Turniers genießen können. Oder fast bis zum Ende: Kommt die deutsche Elf ins Endspiel, reist sie einen Tag vorher, am 28. Juni, ab. Die Sieges-Feier steigt dann im Hotel in Wien.