20 Jahre ist es her, seit in Berlin die Mauer fiel – und noch länger, seit Erich Honecker mit der Regierungsmaschine Iljuschin 18 flog. Endgültig gelandet ist die alte Turboprop in der holländischen Provinz: als Luxushotel auf dem Flughafen Teuge. Ein Fünf-Sterne-Übernachtungserlebnis.
Essen.
Was der alte Erich dazu wohl sagen würde? Man kommt ja nicht umhin, sich das zu fragen, wie sie da so steht: seine alte Iljuschin. Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass der DDR-Chef mit ihr flog. Honecker ist längst weg und sein Flieger für immer gelandet – tief im Westen! Auf einem kleinen Flugplatz in der niederländischen Provinz. Die Turboprop, das alte Arbeitspferd des Sozialismus, ist jetzt ein Luxushotel.
Ob nach der Nacht vielleicht auch gleich ein Rundflug möglich sei, hat neulich ein mutiger Gast gefragt, aber Ben Thijssen musste ihn enttäuschen: „Das wird nicht mehr klappen“, hat er gesagt und ein bisschen gelacht. Denn der – wie soll man ihn nennen – Hoteldirektor, Flugzeug-Kapitän?, Herr Thijssen jedenfalls hat der Iljuschin 18 das Fahrwerk einbetoniert und drumherum Rasen gesät, und hinterm Notausgang hat das Flugzeug jetzt einen Raucherbalkon.
Kyrillische Schriftzeichen an jedem Schalter
Die vier Propeller allerdings haben sie ihm gelassen und auch seine Motoren, zwei Tonnen schwer das Stück, schon, damit es nicht umfällt. Drinnen aber wurden der stolzen Maschine die Sitze entrissen und hinten Hammer und Sichel abgekratzt, nur das Cockpit ist noch ganz. Ganz grau und ganz russisch. Kyrillische Schriftzeichen an jedem Schalter; die Piloten der DDR-Gesellschaft Interflug müssen die wohl verstanden haben auf ihren Reisen nach Kuba, Russland oder Vietnam. Vorsichtshalber hatten sie Schildchen vor ihre Sitze geklebt: „Captain Side“ und „First Officer“, gut zu wissen.
Auch nützlich, wenn man den Notausgang kennt: dieses winzige Fensterchen mit der Klappe darüber, darin ein Tau zum Abseilen. Es gibt Gäste, männliche zumeist, die hier nächtelang hocken und jedes Knöpfchen drücken. Sie können aber auch im Heck liegen, wo die Luxusbetten stehen, und aus fast 40 Metern Entfernung mit der Fernbedienung spielen: Lämpchen an, Lämpchen aus, Landeleuchten an und es blinken lassen, grün und rot und gelb. Überhaupt geht viel per Knopfdruck in diesem besonderen Hotelzimmer, alles lässt sich einstellen, dimmen, timen, man muss nicht einmal aufstehen dafür. Honecker, wollen wir annehmen, hätte das begrüßt.
„Damit es nicht nach altem Flugzeug riecht“
Wie auch die Sauna und den Whirlpool, die eine Firma für Motoryachten einbaute, die Kaffeemaschine in der Wand, den Wasserhahn, der kochendes Teewasser spuckt, und den ganzen Retro-Schick, den die junge Designerin Marjolein Garritsen entworfen hat. Für die Sanitär-Ausstattung der alten DDR-Maschine bekam sie kürzlich den niederländischen „Badezimmer-Award“.
Alles hier ist rund wie die Bullaugen, durch die der Blick auf die kurze Landebahn von Teuge geht, wo bei gutem Wetter Sport- und Segelflugzeuge starten und Fallschimspringer niedergehen über Gelderland. „Bei dieser Airline möchte man Vielflieger sein“, notierte ein Paar aus Darmstadt im „Logbuch“, und auffällig viele Besucher aus dem Osten Deutschlands bedanken sich für die „Rettung“ dieses Stücks Geschichte. Ben Thijssen hat schon Gäste erlebt, die selbst am Steuer einer Iljuschin gesessen oder an ihr geschraubt haben. Dabei hätte es für ihn nicht zwingend eine Turboprop sein müssen. Er wollte ein Flugzeug, irgendeins: Seit Jahren schon sammelt der Touristiker auf einer Webseite ungewöhnliche Übernachtungs-Möglichkeiten, mit denen besonders Paare sich gern beschenken. Und wie er so nächtigte in einer alten Straßenbahn, fiel ihm auf: „Es gibt alles, nur kein Flugzeug!“
Also suchte er eins, jahrelang, und wurde 2007 fündig in Helmstedt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Da stand die alte „STD“ und war schon seit Jahren am Boden: Sie diente dort als Restaurant. Und auch dieses letzte Mal ist der Kommunisten-Vogel nicht in den Westen geflogen. Er wurde auseinandergenommen und hergeholt mit mehreren Schwertransporten, Flügel und Rumpf einzeln, was bald 20-mal so teuer war wie sein damaliger Wert: 25 000 Euro Schrott. Zwar gab es andere Flugzeuge, die „noch gut“ waren, aber „dann standen sie am anderen Ende der Welt“, erzählt Thijssen: nicht mehr gut genug, um in Europa noch landen zu dürfen.
Der ganze Retro-Schick
So ist es dieser Regierungsflieger geworden, ein Relikt aus sozialistischen Zeiten, das einen DVD-Player hat und in der zugehörigen Bibliothek den Film „Airforce 2“. In das Thijssen eine Frischluft-Anlage einbauen ließ, „damit es nicht nach altem Flugzeug riecht“. In dem Flugbegeisterte Pilot spielen und Flugängstliche ruhig schlafen können: Erichs altes Himmelstaxi kann ja nicht mehr abstürzen.