Hendersonville – Johnny Cashs Wahlheimat lockt Touristen
In Hendersonville hat Johnny Cash von 1967 bis zu seinem Tod 2003 gewohnt. Hier liegt er auch begraben – zusammen mit seiner Frau, der Musikerin June Carter auf dem Friedhof Memory Gardens. Seit dem Film „Walk the Line“ hat der Besucherverkehr angezogen.
Hendersonville.
Friedhof Memory Gardens, Hendersonville, Tennessee. Auf einer großen grünen Wiese liegen Hunderte von kleinen Grabplatten mit Plastikblumensträußen. Ein schlichtes Gedenken ohne Aufwand. Auch das Grab von Johnny Cash und June Carter hat ein Plastikblumengebinde. Man findet es leicht, weil es größer ist als alle anderen und auf einem kleinen Hügel in der Mitte liegt. Dahinter steht auf einer Gedenkbank aus Granit in weißen Lettern eingraviert: „I walk the line“ und „Wildwood flower“, die größten Hits der beiden.
Das Grab von Johnny Cash ist nicht ganz so renommiert wie das Grab von Elvis Presley in Graceland, wo täglich Tausende hinpilgern. Dennoch sind es so viele, dass die Friedhofsverwaltung einen kleinen Fußweg bauen ließ.
Hendersonville war der Wohnort Cashs von 1967 bis zu seinem Tode 2003. Die Hauptstraße heißt offiziell Johnny Cash Parkway, an der Hausnummer 700 hatte er ein Plattenstudio und Museum, unten am Old Hickory Lake ein Haus mit Tennisplatz und Privatzoo. Viel ist nicht mehr übrig: Studio und Museum verkaufte der Musiker schon zu Lebzeiten, seine Erben das Wohnhaus an den Bee-Gees-Musiker Barry Gibb. Als der es 2007 renovieren wollte, brannte es bis auf die Grundmauern nieder. Seither liegen verkohlte Balken im Garten und ungeöffnete Post im Briefkasten.
Hendersonville liegt eine halbe Autostunde von Nashville entfernt. Nashville ist die Hauptstadt des County, einer Musikindustrie, zu der Johnny Cash zeitlebens ein gespaltenes Verhältnis hatte. Am Anfang seiner Karriere war er ihr zu rebellisch, am Ende zu wenig kommerziell.
Die Wiederentdeckung des Sounds der 50er und 60er
In der großen Country Hall of Fame gehört ihm deshalb nur eine halbe Vitrine, sind Glitzer- und Glamourstars wie Porter Wagoner besser aufgehoben. Immerhin hängen neun seiner goldenen Platten an der Wand mit den größten Hits aller Zeiten. Im Souvenirshop gibt es Dutzende von T-Shirts, DVDs und viele, viele Bücher. Ja, selbst eine Johnny Cash-Spielzeugpuppe mit lässig geschulterter Gitarre wird hier verkauft. Und in den Bars am Broadway kann jede Band natürlich den „Folsom Prison Blues“ auf Zuruf spielen. Cash ist Kult, spätestens nach dem Filmerfolg von „Walk the Line“ und der Wiederentdeckung des erfolgreichen Sounds der 50er und 60er Jahre.
Den Sound haben sie Rockabilly genannt. Die Verschmelzung von Rock ’n’ Roll und ländlichem Country-Hillbilly schlug auch bei den konservativen Südstaatlern ein. In Memphis pflegen sie das Erbe des Rock ’n’ Roll, in Nashville das der Countrymusic, dazwischen in Jackson, Tennessee, auf kleiner Flamme den Rockabilly.
Die Rockabilly Hall of Fame ist die Liebhaberwerkstatt eines passionierten Sammlers: kunterbunte Fassade, selbst gestaltete Fotowände, Gemälde der Stars. Ein ehemaliger Autohändler hat das Museum vor zehn Jahren aufgebaut, aktiver Mitstreiter ist W. S. Holland, der langjährige Schlagzeuger der Johnny-Cash-Band.
Holland ist stolze 76 Jahre alt und noch aktiv. Ein Mann wie ein Baum mit Bärenkräften. Wenn er am Schlagzeug sitzt und spielt, zittert noch immer jede Halle. Und seit dem Film „Walk the line“ läuft das Geschäft mit Gedenkkonzerten gut.
Ganz wie Johnny Cash klingt der, der aus dem Lautsprecher bei Sun Records kommt: „Because you’re mine, I walk the line.“ Sun Records in Memphis, Tennessee, ist der Ort, an dem im Juli 1955 alles begann. Drei Männer gingen zu Sam Phillips ins Aufnahmestudio und bekamen nach zwei Anläufen ihren ersten Plattenvertrag. Binnen kurzer Zeit war Johnny Cash einer der Stars des Labels.
Natürlich geht es bei Sun Records heute in erster Linie um Elvis.
Johnny Cash – Gezeichnet von den Höhen und Tiefen einer Karriere
Das Backsteingebäude in der Union Avenue ist vollständig erhalten und eine der großen Besucherattraktionen der Stadt. Hier wurde der Rock ’n’ Roll geboren, hier legte Elvis den Grundstock für seine Karriere. Im Café im Eingangsbereich hängt ein riesengroßes Foto von Elvis, auf dem aber auch Carl Perkins, Jerry Lee Lewis und Johnny Cash zu sehen sind. „The most famous picture in the history of Rock ’n’ Roll“ nennen sie das Bild, das einer zufälligen Begegnung der vier Musiker aus dem Jahre 1956 entspringt. Johnny Cash war 1985 der Erste, der in den Räumen von Sun Records wieder Plattenaufnahmen machte. Später gingen Bands wie U2 dort ins Studio, und seit Ende der Achtziger gibt es regelmäßig Besucherführungen.
Der junge Johnny Cash kam von den Baumwollfeldern in Arkansas. Eine Autostunde nordwestlich von Memphis liegt Dyess, ein verschlafenes 500-Einwohner-Dorf, das seine besten Zeiten gesehen hat. „Boyhood home of Johnny Cash“ steht stolz auf einem Schild an der Straßenkreuzung, doch dahinter verbirgt sich nicht allzu viel Sehenswertes: Das Elternhaus ist eine Bruchbude, in der ein Eigenbrötler wohnt. Und das Johnny Cash Memorial, das die Gemeinde im ehemaligen Verwaltungsgebäude einrichten will, ist noch meilenweit von seiner Eröffnung entfern
Auch Vater Ray liegt in Momory Gardens
Mehrere Szenen des Cash-Films wurden in Dyess gedreht. Vielleicht, weil es dort an manchen Stellen immer noch aussieht wie 1940. Jedenfalls könnte man sich gut vorstellen, dass gleich Ray Cash mit seinen Söhnen Jack und Johnny hereinkommen.
Jack starb schon 1944, er ist in einem Nachbardorf begraben, die Eltern liegen wie Johnny auf dem Friedhof Memory Gardens beerdigt. Ihr biblisches Alter von fast 90 Jahren hat Johnny Cash nicht erreicht. Als er mit 71 starb, war er längst ein Greis, gezeichnet von den Höhen und Tiefen einer fast 50 Jahre währenden Musikerkarriere.