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„Einer muss sich kümmern“

„Einer muss sich kümmern“

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Das Ende einer Ära: Klaus Laepple, Präsident des deutschen Reiseverbandes, tritt nach zehn Jahren ab

Das kann schon mal passieren. Eine Wirtschaftsdelegation begleitet den Bundeswirtschaftsminister auf einer Reise in die Türkei. Landeanflug, Treppe an den Flieger, roter Teppich und die Hochoffiziellen von türkischer Seite gehen auf Klaus Laepple zu, Reisebüroinhaber des „Kö27“ in Düsseldorf. Was für eine Wiedersehensfreude. Sogleich wird selbstverständlich der Minister vorgestellt. Protokollarisch gesehen, geht das gar nicht. Aber überrascht das wirklich? Nicht wirklich. Klaus Laepple ist der Präsident des Deutschen ReiseVerbands. Was Beckenbauer für den deutschen Fußball war, ist er für das Land der Reiseweltmeister.

Fast 60 Milliarden Euro geben die Deutschen für Auslandsreisen aus. Nicht die Japaner, nicht die Amerikaner – kein Land der Welt lässt sich das Eintauchen in fremde Kulturen, Genüsse, Landschaften und Sprachen mehr kosten. Laepple, der intimste Kenner der deutschen Reisebranche und zugleich ihr höchster Repräsentant, gilt für Hoteliers, Busunternehmer, Tourismusminister, Airliner und Bahnchefs aus der ganzen Welt als Türöffner zu diesem unglaublichen Markt für Auslandsreisen.

Klaus Laepple ist ein erfahrener und gewitzter Touristiker mit einem feinen Gespür für Stimmungen, Aktionen und Blitzlichtgewitter. So besitzt er das bis heute wahrscheinlich teuerste Flugticket, immerhin für 140.000 DM oder neudeutsch 71.580 Euro, mit dem Aufdruck „Mr. Laepple + 199 Pax“, also mit 199 weiteren Passagieren. Das war die Eintrittskarte für das Überschallflugzeug Concorde, dass Laepple für die unglaubliche Tour Düsseldorf-Paris und zurück komplett gebucht hatte. Mit zweifacher Schallgeschwindigkeit zum Moulins Rouge. „Da war die Hölle los“, erinnert sich Laepple. Eine Woche lang war das Telefon des „Kö27“ komplett belegt, die Concorde im Nu ausgebucht.

60.000 Zuschauer schauten sich Landung und Start des spektakulären Flugzeugs mit der geknickten Schnauze an. „Die Schaulustigen parkten selbst auf der Autobahn.“ Keinen Pfennig hat er daran verdient. Aber sein Reisebüro war in aller Munde. Viele solcher Ideen hat Laepple produziert, bis hin zum Langzeiturlaub für umgerechnet fünf Euro am Tag, Vollpension versteht sich.

Ein mächtiger und machtbewusster Mann, ein Rheinländer aus dem Bilderbuch, dessen unvergleichliche politische Karriere am 27. November 2010 in Agadir zu Ende geht. So will er es. Klaus Laepple tritt bei der Jahrestagung in Marokko als Präsident des Deutschen ReiseVerbands ab. Kein Branchenrepräsentant vor ihm hat das Reisen der Deutschen so stark beeinflusst, wie der lebensfrohe, manchmal feinfühlige, öfters knallharte, immer um-die-Ecke-denkende Taktiker, den vor allem eines auszeichnet: er kennt die Welt aus dem Eff-Eff und möchte Sie so vielen wie möglich zeigen.

Die größte Herausforderung dabei ist für Laepple die Politik – sie ruft nach Reisefreiheit für alle und lässt kaum eine Chance aus, das Reisen zu verkomplizieren, weil das Thema emotionalisiert, jeden interessiert, Schlagzeilen garantiert, gerade auch für die Hinterbänkler im Bundestag und im Europäischen Parlament.

Beispiel Sicherheitskontrollen. In den Monaten nach dem 11. September fühlt sich Welt bedroht. Die Buchungszahlen der Reisebranche sind im Keller. Der Bundesinnenminister verschärft die Sicherheitskontrollen am Airport. Wo dürfen Flüssigkeiten mitgenommen werden? Was geschieht mit Parfum, das bei einer Zwischenlandung im Duty-Free-Bereich gekauft wurde? Wie kann das Handgepäck schnellstmöglich kontrolliert werden? Laepple handelt, zeigt dem Minister die Praxis vor Ort. Das Plastikbeutelchen für kleine Fläschchen im Handgepäck wird eingeführt. Duty Free bleibt möglich.

Was treibt einen Reisebüro-Inhaber an, so im Detail in der Politik mitzumischen? Im Restaurant um die Ecke zieht Klaus Laepple kräftig an der Roth-Händle – eine Schachtel am Tag ist sein Pensum. „Das Reisen soll so einfach wie möglich bleiben. Manche Dinge kann man einfach nicht so laufen lassen. Einer muss sich kümmern“, bringt er seine Mission auf den Punkt.

Beispiel: Eine neue Finte bei der Gewerbesteuer. Bei einer Betriebsprüfung kam ein Steuerbeamter auf die Idee, grob gesagt, bei der Gewerbesteuer für einen kleinen Reiseveranstalter auch Übernachtungsleistungen im In- und Ausland zum Betriebsergebnis hinzu zu rechnen. Kein Reisender, kein Veranstalter käme auf die Idee, sich freiwillig damit zu befassen und die Gefahr zu wittern. Laepple nimmt Blatt und Kuli und rechnet vor: „Alleine einen großen deutschen Reiseveranstalter würde dies 30 Millionen Euro kosten. Die Gäste müssten’s bezahlen“, sagt der Verbandspräsident. Selbst beim Bundesfinanzministerium war man über diesen Hinweis überrascht. „Man muss immer überlegen, was mit einem Paragraphen ursprünglich gemeint war“, betont Laepple. Und genau damit fängt er Parlamentarier wie Ministerialbeamte immer wieder ein. Der Ausrutscher bei der Gewerbesteuer soll über einen Anwendungserlass korrigiert werden. Laepple zufrieden: „An die Reiseveranstalter hatte bei diesem Thema bestimmt keiner gedacht.“

Wenn der Sohn einer Fachärztin für Chirurgie und Gynäkologie und eines Internisten – „Ich weiß, wie man eine Schulter selbst einkugelt“! – so über die Politik in Berlin und Brüssel spricht, möchte man ihm gar nicht abnehmen, wie er die Fäden der Reisewelt zusammen hält. Sein Schreibtisch hinten links im Reisebüro „Kö 27“ misst kaum einen Quadratmeter. Doch genau dort schlagen die wichtigen Informationen auf, und auf seinem Handy, das ständig rappelt und dessen Nummer bei allen Großen der Reisebranche und der für den Tourismus wichtigen Politiker gespeichert ist. Laepple hat kein Netzwerk, er ist ein Netzwerk.

Unter der 0172-xxx kündigen sich Streiks, neue Preismodelle für Reisekataloge, Unternehmenspleiten, Branchenkarrieren und Niedergänge an, ebenso wie Investitionen für Schiffe, Hotelanlagen, künstlich geschaffene Ferieninseln oder auch für Katastrophen, die die Verletzlichkeit der Reisebranche zeigen. Naturkatastrophen, Infektionen, Anschläge, Unruhen, Unfälle, Wirtschaftskrisen – das sind die Schocks, die Reisende in Gefahr bringen und Reiseunternehmen hart treffen können. Weihnachten 2004 steht Laepples Telefon nicht mehr still.

Der Tsunami im Indischen Ozean wurde zu der Katastrophe. Nie zuvor waren mehr deutsche Urlauber von einem Unglück betroffen – in Not, verletzt, vermisst, getötet. Unter Laepples Führung startete die bis dahin größte Rückholaktion der deutschen Reiseveranstalter, aufs engste abgestimmt mit dem Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes. Nie zuvor wurde so deutlich: Ein Deutscher im Ausland in Not kann auf die Bundesrepublik zählen – das steht sogar im Gesetz. Und der Gast eines Reiseveranstalters ist im Moment der Not nicht alleine. Genau in solchen Ausnahmesituationen zeigt sich der große Vorteil, wenn man nicht auf eigene Faust reist, sondern einen professionellen Veranstalter im Rücken hat, hat Laepple damals deutlich gemacht, sei es im Tourismusausschuss des Bundestags, in zahllosen Interviews oder Sonntagabends im Ersten bei Sabine Christiansen.

Konfrontiert mit den Vorwürfen einer Journalistin, die den Service auf dem Evakuierungsflug kritisierte, fuhr Laepple vor laufender Kamera aus der Haut. Die Branche hielt den Atem an. Aber genau das ist der unbeirrbare Laepple, der über sich sagt: „Ich bin kein Konsenshansel um jeden Preis.“ Das wissen die Berliner Politiker und Beamten und Branchengrößen nur zu gut.

Und dabei beherrscht er eine Kunst besser als jeder andere im Reisesektor: Mehrheiten beschaffen. Er wirbt für seine Ideen, auch mit Nachdruck, manchmal mit sehr großem. Das tut er in Sitzungen, aber vor allem davor. Die Lobby des Hotel Adlon Berlin ist dabei seine Rennbahn. Da trifft man sich, platziert Ideen und nimmt politische Weggefährten in die Pflicht. Laepple kennt die wichtigen persönlich, mit vielen duzt er sich. Namen vergisst er nicht, Aussagen und Zusagen auch nicht, wie er süffisant erwähnt: „Mein Elefantengedächtnis ist schon manchem zum Verhängnis geworden“. Das gilt auch für seine Detailkenntnis mit der er jede Fachdiskussion führt, ob zur Frage, wer das Nachsehen hat, wenn Bahnfahrscheine im Internet billiger verkauft werden als bei persönlicher Beratung oder zu Bürgschaften für Schifffahrtsunternehmen.

Kein Wunder, dass Laepple in seinen zehn Jahren als Präsident des Deutschen ReiseVerbands international viele Auszeichnungen erhielt: Ehrenbürger der türkischen Provinzhauptstadt Antalya – ihn küsst der Gouverneur von Antalya auf die Stirn-, der Große Verdienstorden der Republik Tunesien, das Bundesverdienstkreuz am Bande zählen dazu.

Seinen Respekt hat sich Laepple dadurch geschaffen, dass er Reiseströme in Schwung gebracht und gehalten hat. Das wissen insbesondere die Tourismusminister zu schätzen, von Abu Dhabi bis zu den Balearen. An die 200 Flüge pro Jahr sind Laepples persönliches Invest.

Kann so einer abschalten, entschleunigen? „Ich kann“, sagt er überzeugt. Schließlich bleibt er noch weitere zwei Jahre Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft – der Dachorganisation der Branche und er bleibt ranghoch in vielen Gremien und Stiftungen. Vor allem aber wird sich Laepple einen Hund zulegen. Dietmar Kastner, der in diesem Jahr gestorbene ehemalige Chef der REWE Touristik, vielleicht Laepples engster Freund, hatte ihm ein Stofftier geschenkt, einen Boxer. Nun folgt das lebende Pendant. Warum? Klaus Laepple lacht: „Kein Kläffer, kein Beißer, ein gutes Gemüt“. Als wolle er sagen: Politik ist eben nicht alles.