Das Märchen von der Hütte: Abraham Lincolns Geburtsort
2015 jährt sich der Todestag von US-Präsident Abraham Lincoln zum 150. Mal. Während ihm andernorts gedacht wird, verzichtet eine wichtige Stätte seines Lebens auf Events: Sein Geburtsort Hodgenville in Kentucky. Ein Geheimtipp für geschichtsbegeisterte Urlauber.
Hodgenville.
Vor 150 Jahren ist einer der bedeutendsten US-Präsidenten gestorben: Am 15. April 1865 fiel Abraham Lincoln in Washington einem Attentäter zum Opfer. Sein tragisches Ende, sein politisches Schaffen, aber auch die Geschichte um seine Herkunft haben zu seiner Legende beigetragen. Alles begann auf einer vermeintlich ärmlichen Farm in Kentucky – heute ein Nationalpark.
Auf dem gut 1,4 Quadratkilometer großen Gelände nahe der Stadt Hodgenville führen Wanderwege über grüne Wiesen und vorbei an prachtvollen Bäumen. Es gibt eine Wasserstelle, die dem Grundstück seinen Namen gab: Sinking Spring. Auf einem Hügel steht ein mächtiges Steingebäude, das wie so viele Museen und Gebäude zum Andenken an große US-Politiker wirkt: Es hat eine große Halle, antik wirkende Steinsäulen zieren die Front. 56 Stufen führen vom Park nach oben zum Eingang, sie stehen für die 56 Lebensjahre Lincolns. 16 Fenster weisen darauf hin, dass Lincoln der 16. Präsident der Vereinigten Staaten war.
Vier Menschen lebten auf engstem Raum
Doch das Besondere wartet im Gebäudeinneren: Hier finden sich keine Statuen, keine Besitztümer aus Lincolns Nachlass, keine Gemälde oder sonstigen Dokumentationen. Nur eine einfache Blockhütte aus Holz steht mitten im Raum. Sie ist leer.
Am 12. Februar 1809 wurde Lincoln in so einer kleinen Hütte geboren. Überlieferungen zufolge gab es nur ein Fenster und eine kleine Feuerstätte, keinen festen Fußboden. Vier Menschen lebten hier: seine Eltern, die große Schwester und Abraham. Die Hütte wirkt nach heutigen Maßstäben ärmlich, der Politiker muss einen großen Aufstieg hingelegt haben, denkt man sich.
Ausgestellte Hütte gehörte nicht den Lincolns
Und das hat er auch – aber das Märchen vom ärmlichen Bauernjungen stimmt nicht so ganz, sagt Garry Ferguson vom National Park Service, der den Abraham Lincoln Birthplace National Historical Park betreibt. Die Ein-Raum-Hütten waren die Standardbehausung der ersten Pioniere. Thomas Lincoln, Abrahams Vater, war auch kein armer Landwirt. Er gehörte zur obersten Steuerzahlerklasse im Staat, erklärt Ferguson. Auch war er 1808 in der Lage, die Farm mit gut 1,4 Quadratkilometern Land für 200 Dollar in bar zu kaufen. „Die Lincolns gehörten daher zur oberen Mittelklasse“, erklärt der Fremdenführer.
Die heute in dem Prachtgebäude aufgestellte Hütte ist aber nicht die der Lincolns. Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine jüngere Hütte aus der Nachbarschaft gekauft und auf Ausstellungen als der Besitz der Präsidentenfamilie ausgegeben. Jahre später wurden die inzwischen auseinandergenommenen und eingelagerten Stämme am Geburtsort aufgebaut. Zwischen 1909 und 1911 wurde die Steinhalle mit Hilfe von Spendengeldern errichtet, entworfen von John Russell Pope.
„Nur den Anfängen gedenken“
Die Lincolns verließen schon 1811 das Gelände und zogen in das zehn Meilen entfernte Knob Creek, heute ebenfalls ein Park. Abraham Lincolns früheste Erinnerungen spielen sich auch dort ab, schrieb er in einer Autobiografie. In Sinking Spring verblieb nur das Grab des als Kind gestorbenen jüngeren Bruders Lincolns. Der Grabstein ist heute in einer kleinen Ausstellung im Besucherzentrum zu sehen.
Abraham Lincoln ist wie auch seine Frau und drei seiner vier Kinder auf dem Oak Ridge Cemetery in Springfield im Bundesstaat Illinois begraben. Hier wird am ersten Maiwochenende zum Beispiel der Trauerzug bei seinem Begräbnis nachgespielt. Gedenkfeiern und Events anlässlich des 150. Todestags Lincolns wird es in Hodgenville nicht geben. „Wir wollen nur den Anfängen gedenken“, sagt Stacy Humphreys von der Parkleitung am Geburtsort. (dpa)