Billigstrände sollen Touristen an italienische Küste locken
Die Urlaubssaison hat begonnen und trotz gutem Wetter: Viele Strände und Seebäder in Italien bleiben leer. Vor allem einheimische Urlauber fehlen den von See- und Strandbädern im ganzen Stiefelstaat. Seebadbetreiber Oreste Giannessi ist sich sicher: „Wir müssen es heute wie Ryanair machen.“
Rom.
Während sich in Deutschland der Sommer vielerorts feucht-frisch anlässt, stöhnen die Italiener seit Wochen unter glühender Hitze. Drei aufeinanderfolgenden Hochdruckgebieten aus Afrika sei dieser „heißeste Sommerbeginn seit 50 Jahren“ mit Temperaturen bis über 40 Grad zu verdanken, sagen die Meteorologen. Aber – in einem Land mit 900 Kilometern Badeküste, was liegt da näher als der Weg zum Meer? So sollte man annehmen. Doch im von der Schuldenkrise gebeuteltenItalien wird der Ausflug ans Wasser für viele immer schwieriger.
Nun zwingt die Krise Seebadbetreiber nach Jahren der Verteuerung zum Umdenken. „Krise on the beach“, nennen es die einen, andere sprechen vom „Low-Cost-Strand“. Tatsache ist, dass es an Italiens Küsten nach einem katastrophalen Saisonbeginn von „Sonderangeboten“ nur so wimmelt. Wer im renommierten Bagno Nettuno di Viareggio in der Toskana einen Sonnenschirm und zwei Liegen für vier Tage mieten will, braucht heute nicht mehr als zwölf Euro. Noch vor einem Jahr reichten die allenfalls für einen Tag. Und im Luxusseebad Forte dei Marmi bekommen alle, die Sonnenschirm und Liege für Juli und August am Stück buchen, die letzten zehn Tage Juni und die ersten zehn Tage September umsonst dazu. Doch wer kann so lange Ferien machen?
Spürbare Folgen
Sicher: Drei Monate dauern die Schulferien im Stiefelstaat. Und Sommer ist für Millionen Italiener gleichbedeutend mit „andare al mare“, ans Meer fahren. Das ist mehr als Urlaub oder bloßes Freizeitvergnügen, das ist ein Seelenbad, das gehört dazu. Italien und seine Inseln haben fast 8.000 Kilometer Küste, da sollte das kein Problem sein. Doch von den 900 Kilometern, die als Badeküste gelten, sind über 60 Prozent „privatisiert“, in Hand von Strandbadbetreibern. Einer kritischen Studie der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) zufolge gibt es im Durchschnitt alle 350 Meter eine solche Anlage.
Ein (billiger) Platz im Sand ohne den „caro ombrellone“ – den teuren Sonnenschirm – ist da oft kaum zu finden. Die Folgen sind spürbar. Schätzungen des Verbraucherschutzverbands Codacons zufolge werden 44 Prozent der Italiener 2012 ganz und gar auf den Sommerurlaub verzichten. Das seien 2,5 Millionen mehr als Vorjahr. Und damit nicht genug: 80 Prozent der Reisenden werde darüber hinaus ihre Ferien verkürzen. „Wer sich vorher zwölf bis 15 Tage Ferien in Italien oder im Ausland leisten konnte, wird in diesem Jahr nicht mehr als zehn Tage Urlaub machen“, erklärte ein Sprecher des Verbandes der Nachrichtenagentur dapd am Freitag. Bei denen, die zuvor neun bis zehn Tage ans Meer gefahren seien, seien 2012 nur noch sieben Tage drin.
„Wir müssen es heute wie Ryanair machen“
Kein Wunder, dass der Verband der italienischen Strandverkäufer Fiba-Confesercenti (Federazione Italiana Imprese Balneari) Schlimmstes befürchtet. 30.000 Betriebe sind der Federazione zufolge nach dem schlechten Saisonbeginn von der Schließung bedroht. Unter den 30.000 seien nicht nur Gastronomiebetriebe, sondern auch zahlreiche der insgesamt 12.000 Strandbäder. Noch Anfang Juli konnte man auf der Webseite vieler Seebäder problemlos buchen. Ein renommierter Strandclub in Genua hatte noch bis zum Freitag 179 freie Plätze zu bieten – für die Hochsaison ein Unding.
„Wir müssen es heute wie Ryanair machen“, erklärt Oreste Giannessi sein Rezept gegen die Krise. Wie die Billigfluglinien müssten sich auch die Seebadbetreiber etwas einfallen lassen, da ist sich der Betreiber des Bagno Nettuno sicher. Seine Familie gründete die Seebadanlage in Viareggio bereits im Jahr 1864.
Und so macht die Krise erfinderisch. Der Sporting Club Gianni Bazzurro in Genua etwa wirbt mit Gratis-Englischkursen am Strand und einem Stundenpreis für Sonnenliegen. Im ligurischen Celle Ligure wird nach Wetter bezahlt: Ist es wolkig, sinkt der Preis. Und an den überfüllten Massenstränden in Ostia bei Rom gibt es in diesem Jahr gar den Sonnenschirm auf Raten: 40 Euro pro Person pro Monat. (dapd)