Seit 2008 leben die Nager wieder auf der Bislicher Insel. Drei Burgen sind derzeit bewohnt. Schutzgebiet lockt Tierfreunde aus ganz Deutschland an.
Xanten.
Sie kommen nachts, wenn sie sich im Schutze der Dunkelheit sicher fühlen. Sie lassen sich nicht gern entdecken und ihre verschlungenen Wege kennen sie ganz genau. Wenn es dann wieder hell wird, kann man nur ihr Werk bestaunen. Ganze Bäume legen sie einfach um, zerteilen sie, lagern sie sogar ab. Nein, es geht nicht um Holzdiebe. Gemeint sind die Biber. Lange Zeit hatten sie es in freier Wildbahn schwer, wurden wegen ihres Fells gejagt, doch jetzt sollen sie wieder sicher leben und sich vermehren. Auf der Bislicher Insel leben die Nager seit 2004 wieder und bauen dort ihre imposanten Burgen in den Alt Rhein.
„Zwei Familien mit jeweils sechs Tieren wurden damals hier ausgewildert“, sagt Dirk Janzen, Teamleiter Ökosystemmanagement beim Regionalverband Ruhr (RVR) und Geschäftsführer des Natur Forums Bislicher Insel. Heute, schätzt Janzen, dürften es rund 20 Tiere sein, die in drei Biberburgen in dem rund 1000 Hektar großen Großschutzgebiet heimisch sind. „Einige Tiere haben die Bislicher Insel in Richtung mittleres Ruhrgebiet verlassen, weil hier nicht genügend Lebensraum ist. So ein Biber wird bis zu 40 Kilogramm schwer. Und als Vegetarier braucht der dann einiges an Nahrung“, erklärt Janzen.
Unter Wasser bleibt die Nahrung länger frisch
Zum Beispiel eben Bäume und Zweige. Die benötigt er nicht etwa als Material für seine Burgen, sondern fällt sie, um dann die saftigen Stücke unterhalb der Rinde zu essen. An immer mehr Stellen können Beobachter deshalb auch Fraßspuren begutachten. Mitarbeiter der Biologischen Station im Kreis Wesel haben eigens Nachtsichtkameras installiert, um das Treiben der Biber im Unterholz zu sichten. Ist der Stamm erst einmal gefällt, zerlegt der Biber das Holz in mehrere Teile und bringt diese ins Wasser. „Dort bleiben sie länger frisch. Biber sind wirklich clevere Tiere“, sagt Janzen. Der Biber markiert sein Revier übrigens mit einem Sekret, dem Bibergeil – ja, das heißt wirklich so. Der Mensch hat das längst entdeckt und nutzt es in der Parfüm-Industrie und als Geschmacksverstärker. All das Wissen über die großen Nager, die der Mensch fast nie zu Gesicht bekommt, können sich Besucher auch selbst im Natur Forum aneignen. In der kleinen Ausstellung (Eintritt: 3 Euro für Erwachsene), gibt es aber nicht nur Wissenswertes über die Biber zu erfahren. Ab November gibt es auch wieder Biberexkursionen, die vom Natur Forum angeboten werden.
Tausende Tier- und Pflanzenarten leben in dem einzigartigen Auwald auf der Bislicher Insel. Das ist Natur pur. Echte unberührte Wildnis. „Die Auwälder sind die deutschen Urwälder und die artenreichsten Lebensräume, die wir in Deutschland haben. 100 bis 200 Tage im Jahr sollten sie überflutet sein“, erklärt der Ökologe. Das klappt auf der Bislicher Insel nicht ganz, aber nur wenige Gebiete in Deutschland sind vielfältiger erhalten als das Areal bei Xanten.
Der beste Schnappschuss
Hunderte Hobbyfotografen kommen jedes Jahr hierher und legen sich für den besten Schnappschuss manchmal stundenlang auf die Lauer. Für die Beobachter sind drei Aussichtshütten aufgestellt. Wer nur zum Wandern kommt, dürfte aber weniger Freude haben, denn Rundwege gibt es nicht.
Ein besonderes Spektakel erleben Besucher im Winter, wenn über 20 000 Wildgänse ihr Quartier hier aufschlagen. Im Sommer leben sie in der Arktis, im Winter suchen sie Schutz und Nahrung am Alt Rhein. „Abends ist es einfach imposant, wenn die Tiere in das Gebiet einfliegen und auf dem Gewässer treiben und schlafen. An Land wäre es zu gefährlich“, weiß Janzen. Außerdem gibt es zwischen Xanten und Alpen die größte Kormoran-Kolonie NRWs. Darüber hinaus noch einige Löffler – und wieder vermehrt Weißstörche. Das sind nur drei von über hundert Vogelarten, die hier vorkommen. Zu entdecken gibt es in diesem wilden Paradies direkt vor der Haustür wahrlich genug.
Janzen und seinen Mitarbeitern reicht das aber noch nicht. Sie wollen mehr. Irgendwann soll der Alt Rhein wieder Fließgewässer sein – wie vor langer Zeit. Dann wäre die Wildnis wieder vollkommen. Den Bibern wird’s allerdings reichlich egal sein. Sie fühlen sich schon jetzt wieder zu Hause.