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Wie Städte im Ruhrgebiet mit Beschwerden über sexistische Werbung umgehen

Wie Revier-Städte mit sexistischer Werbung umgehen

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Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Beim Deutschen Werberat gehen immer mehr Beschwerden wegen Sexismus in der Werbung ein, die Kampagne „Pinkstinks“ kämpft deutschlandweit für härtere Kontrollen. Auch im Ruhrgebiet ist sexistische Werbung immer wieder ein Thema in den Städten, nicht nur im Zusammenhang mit dem Weltfrauentag an diesem Samstag. Ein Problem sieht man aber nicht.

Essen. 

Eine junge Frau im Bikini räkelt sich auf einem Sportwagen – ein Klassiker unter den Werbeplakaten. Und für manche ein ziemlich sexistischer dazu. Immer häufiger beschweren sich vor allem Frauen beim deutschen Werberat, dass sie sich durch Werbung diskriminiert fühlen. 1350 Beschwerden gingen dort 2013 ein, so viele wie noch nie zuvor. Rund 1000 Beschwerden kamen von Frauen, und die meisten davon wegen sexistischer Werbeplakate.

In Berlin-Kreuzberg könnten solche Werbeplakate bald Geschichte sein. Der Bezirksausschuss will eine Arbeitsgruppe gründen, die Plakate kontrolliert, bevor sie auf die öffentlichen Flächen geklebt werden dürfen. Damit folgt der Berliner Bezirk den Städten Ulm und Bremen, die solche Prüfungsinstanzen bereits haben. Auch im Ruhrgebiet ist Sexismus in der Werbung immer wieder Thema.

Wahrnehmung in der Öffentlichkeit unterschiedlich

„Es ist leider noch nicht so geregelt, wie wir es gerne hätten“, sagt Regina Czajka von der Stadt Bochum. Noch fehlen der Verwaltung Kriterien, nach denen Werbung bewertet wird. Sexismus in der Werbung sei zwar ein Dauerthema in Bochum, der Stadt fehlten aber die Kapazitäten, um es vernünftig umzusetzen. „Es ist auch schwierig eine Grenze zu ziehen, wo guter Geschmack aufhört und Sexismus anfängt“, so die Gleichstellungsbeauftragte. Immer wieder gehen aber Beschwerden bei ihr ein. Von Frauen und von Männern.

„Die Wahrnehmung der Werbung in der Öffentlichkeit ist allerdings sehr unterschiedlich“ sagt Regina Czajka. Während sich der Eine von einem Motiv beleidigt fühlt, empfindet es der Nächste als völlig normal. Die letzte größere Beschwerde-Welle gab es in Bochum, wie in vielen anderen Ruhrgebietsstädten, Anfang des Jahres, als ein Bordell für eine Flatrate warb. Die Plakate verschwanden bald wieder. Allerdings nicht, weil sie sexistisch waren, sondern weil das Bordell keine Genehmigung zum Aufhängen hatte.

Werbeanlagenbetreiber sind sensibilisiert 

Bei gewerblich genutzten Werbeflächen ist das komplizierter. Dort gibt es keine richtige Handhabe, denn sie werden von Agenturen, oft von der „Deutsche Städte Medien GmbH“, betrieben. Die Agenturen haben die Sache aber gut im Griff, sagen die Städte. In Duisburg und Essen hat es nach Aussagen von Stadtsprechern bislang keine Beschwerden wegen unangemessener Werbung auf den öffentlichen Werbeflächen gegeben.

„Die Werbeanlagenbetreiber sind mittlerweile sensibilisiert“, sagt Britta Costecki, von der Stadt Oberhausen. Auch hier ist die „Deutsche Städte Medien GmbH“ für die Werbeflächen zuständig. Und die selektiert, nach Costeckis Eindruck, offenbar gründlich. Sie sieht deshalb keinen Bedarf für weitere Kontrollen seitens der Stadt.

Beschwerdewelle in Oberhausen

Beschwerden hat es in Oberhausen dennoch kürzlich gegeben. Frauen hatten Britta Costecki wegen der Werbung örtlicher Händler kontaktiert. Unter anderem, weil mehrfach halbnackte Frauen ohne Zusammenhang für Produkte warben. „Hauptsächlich ging es da um Werbebeilagen“, sagt Costecki. Bei einigen Händlern seien es Erstlingsversuche in der Werbung gewesen, in einem der Fälle habe eine kleine Agentur offenbar auf sich aufmerksam machen wollen.

In Dortmund ist die Situation auf den öffentlichen Werbeflächen „ganz entspannt“, sagt ein Stadtsprecher. Weder beim Ordnungsamt noch in der Gleichstellungsstelle gebe es Beschwerden. „Die letzte Welle ist schon Jahre her“, erinnert sich der Stadtsprecher. Die Werbung einer Brauerei sei damals zu freizügig gewesen.

„Pinkstinks“ kämpft für neue Kriterien 

Doch es gibt auch Stimmen, die beim Thema Sexismus weniger entspannt sind. Bei dem Entschluss in Berlin-Kreuzberg, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die Plakate prüft, hat auch der deutschlandweite Verein „Pinkstinks“ mitgewirkt. Dort freut man sich über den Beschluss des Bezirks. „Es muss aber eine bundesweite Norm geben“, so die Sprecherin der Kampagne, Stevie Meriel Schmiedel. Und daran arbeitet „Pinkstinks“ aktuell.

Die neuen Normen sollen weit über die Kriterien des Deutschen Werberates hinausgehen und unter anderem verhindern, dass Kinder Werbung falsch verstehen. Bereits im September 2013 reichte „Pinkstinks“ eine Petition beim Werberat ein, weil dort Werbung nur aus der Sicht eines durchschnittlich intelligenten Erwachsenen beurteilt wird. Kinder und Jugendliche könnten die in solcher Werbung enthaltene Ironie aber oft nicht erkennen, argumentieren die Aktivisten.

Gesetzvorschlag soll 2016 in den Bundestag

In der neuen Gesetzesvorlage sollen zusätzlich Vorgaben formuliert werden, die Werbung mit falschen Schönheitsidealen und die Darstellung der Frau als männliches Accessoire verhindern. Die Gesetzesinitiative zur geschlechtsdiskriminierenden Werbung soll diesen September fertig sein und spätestens 2016 in den Bundestag eingebracht werden.

Im Hinblick auf sexuelle Diskriminierung beanstandet der Deutsche Werberat bislang nur Werbung, wenn sie den Eindruck erweckt, dass eine Person käuflich ist und wenn eine Person auf ihre sexuelle Funktion oder ständige sexuelle Verfügbarkeit reduziert wird. Ebenfalls im Blick hat das Aufsichtsgremium Werbungen, die „übertrieben“ nackt sind oder pornografischen Charakter haben. Mit veralteten Rollenbildern und Klischees geht der Werberat offener um – das will „Pinkstinks“ ändern.