Sie suchen nach Antworten auf komplizierte Fragen oder wollen einfach nur reden: Bei kostenpflichtigen Astro-Hotlines vertelefonieren Ratsuchende Tausende Euros. Dubiose Esoterik-Angebote haben Konjunktur, warnt Sekteninfo NRW.
An Rhein und Ruhr.
Am Schluss rief die Frau bis zu fünf Mal täglich bei den Astro-Hotlines an. Was soll sie tun im Job mit den aggressiven Jugendlichen? Was ist mit der zerbrochenen Partnerschaft, kommt der Freund zurück? Gibt es die Chance auf eine neue Liebe? Für Alles suchte die studierte Pädagogin Rat – und zahlte teuer dafür: Zwischen 0,99 und 2,99 Euro pro Minute kosten die Telefonate. Allein bei einer einzigen Hotline verplauderte die Frau rund 10 000 Euro.
„Die junge Frau hatte die Verantwortung für ihr Leben komplett abgegeben“, berichtete Antje Gollan vom Sekteninfo NRW gestern. Völlig resigniert hatte sich die Pädagogin an die Essener Beratungsstelle gewandt. Da lagen aber schon zwei Jahre eifrigen Telefonierens hinter ihr. Der Stress im Job hatte sie psychisch und körperlich belastet, dazu kam die Trennung vom Freund – das hatte die Frau, die schon früher ein Interesse für Esoterik verspürt hatte, zum Hörer greifen lassen. Nach Ansicht des Sekteninfos hätten die Hotline-Mitarbeiter die Gespräche beenden und die Frau an eine Therapie verweisen müssen, was sie nicht taten. „Aus finanziellen Interessen heraus wurde die psychische Notlage ausgenutzt“, sagt Beraterin Gollan.
Warnung vor Heilern
Dubiose, sogar gefährliche esoterische Angebote wie diese Hotlines haben das Sekteninfo im vergangenen Jahr stark beschäftigt. Astro-Hotlines haben Konjunktur. Die Anbieter werben vor allem im Internet, wo sich bei einem Mausklick eine Vielfalt von kostenpflichtigen Telefonnummern auftut. Zielgruppe sind Frauen über 30 – so wie die studierte Pädagogin. Sie musste erfahren, dass die Anbieter rücksichtslos Kasse machen und auch Geldeintreiber ansetzen. Zumindest die letzte Forderung, eine Rechnung über 400 Euro, konnte das Sekteninfo für die wirtschaftlich ruinierte Frau bisher abblocken. Antje Gollan verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes zu sittenwidrigen Geschäften. Unerfahrene, Hilfe suchende Leute müssten demnach besonders geschützt werden. Gollan betont: „Das Urteil gilt bei Notlagen. Wer aus Neugier anruft, muss zahlen.“
Ein anderes gefährliches Phänomen aus der Esoterik: Das Sekteninfo warnte vor Heilern, die quasi auf Teufel komm’ raus früheren sexuellen Missbrauch erkennen wollen, ob er nun stattgefunden hat oder auch nicht. Die Beratungsstelle berichtete von Fällen, bei denen Menschen in Trance versetzt wurden und nach einer oder mehreren Sitzungen von früherem Missbrauch berichteten. „Allen Fällen ist gemein, dass es vorher keine Kenntnis von Missbrauch gab“, so Beraterin Uta Bange. Beim Sekteninfo schließt man nicht aus, dass es tatsächlich Missbrauch gegeben haben könnte: „Nur ein Muskeltest durch Handauflegen ist sicher kein adäquates Mittel, um so etwas festzustellen.“
Mehr Anfragen als im Vorjahr
Insgesamt 1102 Anfragen gingen im Jahr 2012 beim in Essen ansässigen Sekteninfo NRW ein – etwas mehr als im Vorjahr. 435 Beratungen waren erforderlich, die meisten von ihnen hatten mit Esoterik zu tun. Aber auch fundamentalistische Gruppen bescherten Sekteninfo-Leiterin Sabine Riede und ihren Mitarbeitern viel Arbeit.
So hatte es das Sekteninfo z.B. mit besorgten Eltern zu tun, deren Kinder mit der „Glaubensgeneration Duisburg“ auf Ferienfahrt waren. Die 7- bis 12-Jährigen durchlebten Berichten zufolge bis zu vierstündige religiöse Unterweisungen pro Tag. Die Eltern sahen ihre Kinder nach einer Woche völlig verändert wieder. Sabine Riede empfiehlt, sich über solche Ferienangeboten vorab genau zu informieren. In einem anderen Fall wurde eine suchtkranke Frau in einer christlichen WG 15 Jahre als Haushaltshilfe ausgenutzt. Mehrere Anfragen gab es zu muslimisch-fundamentalistischen Gruppen. Riede hat beobachtet, dass vor allem junge deutsche Männer mit der Hinwendung zum Salafismus ihre Eltern provozieren wollten – gerade so, wie es vor einigen junge Leute taten, indem sie sich dem Satanismus zu wandten. Satanismus ist derzeit zwar nicht passé, aber eher out.
Neues von Scientology
Neues von Scientology: Die Sekte (in NRW etwa 600 Mitglieder) versucht mit Gratis-Kursen online zu missionieren. Dabei gibt es sehr private Fragen, warnt Riede.
Zum Sekteninfo: Die Beratungsstelle ist ein gemeinnütziger Verein, durch Spenden getragen. Die Beratung ist kostenlos (Infos unter www.sekten-info-nrw.de).