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Schwitzen und schwärmen beim Yoga

Schwitzen und schwärmen beim Yoga

Yoga
Foto: Ralf Rottmann
„Yoga heißt nicht: Auf einer Matte sitzen und auf heilig machen!“ Stimmt das wirklich? Reporterin Julia Bernewasser hat es ausprobiert.

Essen. 

„Und jetzt verliebt ihr euch!“, höre ich Anke rufen. Zentimeter für Zentimeter kämpfe ich darum, meinen Kopf von der Matte unter mir zu heben, Blut durchströmt den Kopf, meine Waden zucken vor Anspannung, mein einziger Halt am Boden: die Zehenspitzen und meine brennenden Hände. Verlieben? In diese Übung? Jetzt? Aber ich muss doch erst mal atmen!

Einmal „Yogi“ sein

Anke Rebetje ist „Yogi“. Das Wort lerne ich, kaum dass ich ihr Studio in Essen-Rüttenscheid betreten habe. Ich will heute auch ein „Yogi“ sein. Wenigstens für 90 Minuten.

Was ist das eigentlich – Yoga? Im Internet sehe ich meist Frauen, die im Schneidersitz hocken und ihre Augen geschlossen haben, während im Hintergrund die Sonne aufgeht. Was also soll Yoga für die Fitness bringen?

„Männer bleiben länger dabei.“

Anke Rebetje bietet eine Mischung an, es gibt ungezählte Arten, entstanden aus vielen Traditionen. Eine Matte, ein weißer Gurt und zwei ziegelsteinähnliche Klötze erwarten mich, Handtuch und Decke sollte ich mitbringen. Mit mir im Trainingsraum: Zehn andere Teilnehmer, fünf Männer, fünf Frauen. „Männer sind häufig viel tiefer interessierter, bleiben länger dabei“, sagt Anke.

Ungewöhnlich schweigsam sind sie alle, jeder macht es sich auf seiner Matte bequem. „Die waren heute alle so müde, so dumpf. In ihren Köpfen hat es richtig gerattert“, wird Anke hinterher sagen.

Dann geht es los. Anke führt ihre Hände vor der Brust zusammen, es wirkt fast wie eine kleine Verbeugung, soll aber so viel heißen wie „Schön, dass ihr da seid.“ Danach zieht sie das Tempo an. „Jetzt den Bauch nicht hängen lassen, Schulterblätter ziehen weg von den Ohren und das Schambein Richtung Bauchnabel ziehen“, ruft sie über unsere Köpfe hinweg. Plötzlich bin ich gefordert. Welchen Muskel musste ich jetzt noch mal anspannen? Wo müssen die Arme hin?

Hände sind blitzschnell warm

Koordination und ein Gefühl für den Körper scheinen mir hierbei wichtig zu sein. Die anderen schließen die Augen, so wie Anke es gesagt hat. Ich luge hilfesuchend zur Nachbarin. Jetzt wird mir auch klar, was die Steine sollen. Darauf sollen wir unsere Finger spreizen. Sie müssen mein Gewicht fast alleine halten. Oh je! Es zieht in den Gliedern und meine sonst immer kalten Hände werden sekundenschnell warm.

„Die Kraft geht in die Handgelenke und sie öffnen sich. Das ist gerade für Leute gut, die viel tippen“, erzählt mir Anke. Die Übung heißt Chatturanga, meist „Brett“ genannt, aufgrund der waagerechten Lage und dem lang gezogenen Rücken. „Und jetzt löst ihr noch die Zehen vom Boden!“, sagt die Trainerin. „Was?“, stöhnen wir gleichzeitig. Unmöglich. „War doch ein Scherz.“

Keine Rückenschmerzen mehr dank Yoga

Ich bin schneller warm als gedacht. Weiter geht’s mit dem Hund – so heißt die nächste Übung. Daniela, die gerade noch auf der Matte neben mir lag, nimmt sich den weißen Gurt und kommt zu mir herüber. Partnerübung. Daniela kennt sich aus. Seit einem Jahr ist sie schon dabei, erzählt sie mir. „Ich bin richtig yogasüchtig. Um Weihnachten hat mir das total gefehlt. Das fühlte sich wie ein Entzug an.“ Sie sei wacher, fitter und konzentrierter, wenn sie nach Hause gehe. Und Rückenschmerzen habe sie seit den Yogastunden auch nicht mehr.

Daniela wickelt mir den Gurt um die Hüften. Und dann? Ich hab mich gerade hingelegt, da zieht sie mich vom Boden in die Höhe. Für Außenstehende ist das bestimmt lustig anzusehen, wie ich da so hänge. „Das Gesäß wird nach hinten gezogen, dadurch wird auch die Wirbelsäule lang und gestreckt“, sagt mir Anke und ergänzt: „Du hast aber ein extremes Hohlkreuz.“ Also Bauch einziehen und anspannen! Und zum ersten Mal spüre ich, dass Yoga nicht nur anstrengt, sondern auch noch meinem Rücken gut tut.

Sich besser kennen lernen

Viele Übungen erinnern an Physiotherapie. „Bei der Physiotherapie werden Bewegungen wiederholt werden, beim Yoga geht es ums Halten. Anspannen und Entspannen sind dabei zentral“, sagt Anke Rebetje. „Yoga ist nicht: Auf einer Matte sitzen und auf heilig machen. Man muss es schaffen, Yoga in den Alltag zu integrieren.“ Es gehe darum, sich besser kennen zu lernen und die Wahrnehmung für eigene Bedürfnisse und die Gegenwart zu erhöhen. „Viele haben sich von sich selbst entfremdet, spüren sich gar nicht mehr. Das sollte man ändern“

Damit kann ich etwas anfangen — im Gegensatz zu Sonnenaufgängen. Es geht um Körper und Geist. Deshalb Übungen und Meditation. Die kommt zum Schluss: 15 Minuten Entspannung. „Jetzt legt ihr euch so hin, wie es euch bequem ist und atmet ganz bewusst. Denkt dran, ihr braucht nichts müssen, nichts tun, nur ihr selbst sein“, rät Anke, schaltet das Licht aus, öffnet das Fenster und lässt frische Luft herein. Die Decken wärmen unsere schwitzigen Körper.

Alle sind plötzlich wieder so unglaublich still. Nur Danielas Atmen ist zu hören und irgendwer schnarcht. Das Licht der Straßenlaterne nehme ich wahr. Und meinen Atem. Yoga mit in den Alltag nehmen, hat mir Anke gesagt. Ob ich das schaffen werde? Und dann schließe ich doch meine Augen. Anke hat es tatsächlich vollbracht, dass ich mich verliebe. In diese 15 Minuten. „Und jetzt langsam wieder aufstehen“, weckt sie mich aus meinen Gedanken. Och nö…