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Sargträger holten Toten zu früh aus Trauerhalle in Krefeld

Sargträger holten Toten zu früh aus Trauerhalle

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Ermordete Lena in Emden beigesetzt (dapd)
Noch bevor der Pfarrer zu Ende gesprochen hatte, holten die Sargträger auf dem Friedhof in Krefeld den Verstorbenen ab und brachten ihn zum Grab. Die Angehörigen sind erschüttert, die Stadt musste sich entschuldigen. Nun gibt es ein politisches Nachspiel im Stadtrat.

Krefeld. 

Sowas hat Pfarrer Volker Hülsdonk noch nie erlebt. Seit 20 Jahren segnet er Verstorbene, begleitet die Angehörigen auf ihrem schweren Gang zum offenen Grab. „Einige hundert Beerdigungen sind da zusammengekommen“, schätzt der 47-Jährige. Bei einer Trauerfeier in diesem Sommer in Krefeld-Oppum war alles anders als sonst: Noch bevor die Andacht in der kleinen Trauerhalle auf dem Friedhof zu Ende war, ging plötzlich die Tür auf. Die Sargträger schritten herein, packten sich den Sarg und trugen ihn – zum Erstaunen vieler Gäste und zur Empörung der Angehörigen – aus der Kapelle raus Richtung Grab. Der Grund: Sie hatten es eilig. 30 Minuten sieht die Friedhofssatzung der Stadt Krefeld für eine Trauerfeier vor. Und die waren um.

Der Vorfall ereignete sich schon im Juni, wird aber jetzt erst publik. Der Grund: Die FDP-Fraktion hörte von dem Vorfall und verlangt nun von der Stadtverwaltung offiziell Aufklärung im zuständigen Ratsausschuss.

Sie schritten zur Tat

„Wenn die Sargträger nur eine Minute gewartet hätten, wäre ich fertig gewesen“, meint Pfarrer Hülsdonk, dem die ganze Aufregung auch etwas unangenehm ist. „Ich hatte schon die Aussegnung gesprochen und wollte die Trauernden gerade auffordern, nun zum Grab zu gehen.“ Aber dazu kam er dann nicht mehr . „Bei meinen letzten Worten schritten sie schon zur Tat.“ Der Pfarrer merkte gleich, dass die Angehörigen sich durch die Hauruck-Aktion verletzt fühlten. Aber Volker Hülsdonk hat durchaus auch Verständnis für die Nöte der Träger. „Die müssen ja oft schnell weiter zur nächsten Beerdigung, manchmal auch auf einen anderen Friedhof. Und da sind die Wege weit.“

Die Stadt übernimmt die Verantwortung für den Zwischenfall – auch wenn der Trägerdienst vom Stadtverband der Bestatter organisiert wird. „Aber es ist immer ein städtischer Mitarbeiter vor Ort, der die Verantwortung für den geregelten Ablauf trägt“, sagt Stadtsprecherin Angelika Peters gegenüber der NRZ. Die Stadt hat sich inzwischen telefonisch und schriftlich bei den Angehörigen entschuldigt.

Persönliche Note

Die Verwaltung möchte jedenfalls nicht auf Beerdigungen im Stundentakt verzichten. „Das habe sich bewährt, meint Angelika Peters und verweist auf 40 bis 60 Bestattungstermine pro Woche, die auf den elf Friedhöfen im Stadtgebiet koordiniert sein wollen.

„Im Regelfall reichen die 30 Minuten ja auch aus“, sagt der evangelische Geistliche. Aber es gibt immer mehr Sonderwünsche. Angehörige wollen der Trauerfeier eine persönliche Note geben, ein besonderes Lieblingslied des Verstorbenen vorspielen oder einen Text vortragen. „Ich kann ja als Pfarrer bei der Beerdigung nicht ständig auf die Uhr schauen“, entschuldigt sich Hülsdonk für die kleine Verspätung. Andererseits müsse die Stadt auch die Kosten knapp kalkulieren. Schließlich gebe es zunehmend private Konkurrenz.

Ein Blinklicht am Pult

„Man könnte ein verdecktes Licht am Pult der Trauerhalle einbauen“, schlägt der Pfarrer vor. Wenn’s nach 27 Minuten blinkt, weiß er, dass er in drei Minuten fertig sein muss. Und wenn es dann doch nicht klappt, sollten die Sargträger zwei, drei Minuten Reservezeit haben. Denn für Pfarrer Hülsdonk steht fest, was im Grundgesetz ganz vorne steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und das muss auch für die Würdigung des gestorbenen Menschen gelten.“