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Rees hält zusammen und rettet Todkrankem das Leben

Rees hält zusammen und rettet Todkrankem das Leben

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Foto: NRZ
Sasa Umicevic hatte eine lebensbedrohliche Gefäßmissbildung im Gehirn. Für eine Operation fehlte ihm aber das Geld. In seiner alten Heimat Rees ließ das Schicksal des jungen Mannes niemanden kalt. Die Bürger sammelten 13 000 Euro, Sasa ist mittlerweile erfolgreich operiert.

Rees. 

Sasa lebt. Und das ist ein kleines Wunder. Denn die lebensrettende Hirn-OP konnte in seiner Heimat Bosnien niemand durchführen. Und eine Behandlung im Ausland hätte sich der 21-Jährige niemals leisten können. Doch das kleine Örtchen Rees am Niederrhein hat ihren einstigen Mitbürger Sasa Umicevic nicht im Stich gelassen. Die NRZ hat sich für den kranken Mann stark gemacht, Nachbarn haben ihren Familienschmuck verkauft, andere ihre Notgroschen gegeben. Die beispiellose Spendensammlung brachte genug Geld für eine Operation in Deutschland ein. Rees hat ein Leben gerettet.

Doch von vorn: Im August trifft die Reeserin Elke Landers ihre Nachbarin Anna Bogdanka Geerlings in der Stadt – bitterlich weinend. Enkel Sasa hatte gerade einen Krampfanfall, sein Körper zuckte unkontrolliert, er schlug und trat um sich. Schuld: ein sogenanntes Kavernom in Sasas Kopf. Die Gefäßmissbildung verursacht epileptische Anfälle, Sprachstörungen, Koordinationsprobleme und Schmerzen. Das Gefährliche: Durch Sasas Kavernom laufen Blutgefäße, die bei Stress oder Anstrengung zu platzen drohen. Sasa hätte dies vermutlich nicht überlebt.

Als Flüchtling nach Rees

Der junge Mann ist wie jedes Jahr zu Besuch am Niederrhein. Er stammt aus Bosnien. 1992 ist er als Flüchtling zur Oma nach Rees gekommen, hat hier den Kindergarten und die erste Klasse der Grundschule besucht. 1997 musste die Familie dann zurück ins bosnische Bosanski Brod.

Diagnostiziert wird das Kavernom vor rund anderthalb Jahren: Sasa – mittlerweile Medizinstudent – läuft durch die Straßen Banja Lukas, als er plötzlich umfällt. „Ich schlug mit dem Kopf auf einen Bordstein und musste im Krankenhaus genäht werden“, erinnert sich Sasa Umicevic. Das Problem: In Bosnien gebe es keinen Spezialisten, der die Operation durchführen könne, sagt man dem Studenten im Krankenhaus. Eine OP im Ausland zahlt Sasas Krankenkasse nicht.

Die NRZ will helfen und unterstützt Elke Landers bei einer Spendenaktion. Die Resonanz bei den Reesern ist überwältigend, das Schicksal von Sasa lässt niemanden kalt. Auf das neu eingerichtete Konto geht sofort Geld ein – Beträge von fünf bis 1000 Euro. Rührende Szenen spielen sich an Anna Geerlings Haustür ab: Mit Tränen in den Augen und einem kleinen Bündel 100-Euro-Scheine steht dort eine Nachbarin. „Für Deinen Jungen“, bringt sie gerade noch heraus und drückt Geerlings das Geld in die Hand. Es stellt sich heraus: Die Frau hatte einen Teil des Familienschmucks für Sasa verkauft. Auf dem Wochenmarkt stecken Reeser Bürger Elke Landers immer wieder Geld zu.

Auch von Rückschlägen lassen sich die Reeser nicht erschüttern: Sasas Plan, sich in Serbien operieren zu lassen, scheitert. Der Arzt will für die OP 6000 Euro bar auf die Hand. Zu unseriös. Da springt wieder jemand ein: Eine Reeserin, die namentlich nicht genannt werden möchte, stellt den Kontakt zur Uni-Klinik Düsseldorf her. Hier könnte Sasa von einem ausgewiesenen Spezialisten operiert werden – zum Selbstkostenpreis. Nachteil: Die Behandlung soll mit rund 13 000 Euro mehr als das Doppelte der ursprünglich anberaumten Summe kosten. Die Spender geben noch einmal alles. Und tatsächlich: Das Geld kommt zusammen.

Überwältigt von der Hilfe

Am vergangenen Donnerstag wurde Sasa in Düsseldorf operiert. „Es ist alles gut verlaufen“, sagt Operateur Professor Hans-Jakob Steiger. Sasa kann von nun an ein ganz normales Leben führen. „Ich bin immer noch ganz überwältigt von der Hilfe, die ich bekommen habe“, sagt Sasa. „Die Leute kennen mich doch gar nicht und retten mir trotzdem das Leben.“

Mittlerweile ist der 21-Jährige wieder in Rees. Hier erholt er sich bei der Oma, bevor es zurück nach Bosnien geht. An seiner Uni hat er mittlerweile einige Prüfungen verpasst, doch die will er schnell nachholen, sagt Sasa Umicevic. Sein Ziel: die Fachausbildung zum Neurochirurgen.