Aus Sicht von Ricarda Bauschke-Hartung ist das, was aus Leipzig zu hören ist, völlig absurd. So lässt es die Prorektorin der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität über ihren Sprecher ausrichten. Der setzt sich am Telefon hörbar in Position, um Bauschke-Hartungs Kommentar getreu widerzugeben: „Die Prorektorin Frau Professor Bauschke-Hartung hält das nicht für zielführend.“
Worum geht es? Die Uni Leipzig will Professoren zur Professorinnen machen. Das Gremium der Hochschullehrer hat verfügt, dass die „geschlechterspezifische Ansprache“ in der Uni-Verfassung auf die weibliche Form reduziert wird. „Ein symbolischer Akt“, heißt es dort.
„Ich halte das Ganze für eine sehr gelungene Provokation. Der Entschluss der Uni Leipzig konterkariert einen Sprachgebrauch, an dem sich Jahrzehnten angeblich niemand stört – das ,Frau Professor’“, sagt Karoline Spelsberg, Rektoratsbeauftragte für Diversity Management und Gleichstellungsbeauftragte der Folkwang Universität mit Hauptsitz in Essen und Standorten in Bochum, Duisburg, Dortmund.
Dankbar für die Diskussion
„Ich bin der Uni Leipzig dankbar, dass sie das Thema erneut in die öffentliche Diskussion gebracht hat“, sagt auch Ute Klammer, Prorektorin der Uni Duisburg-Essen. Geschlechtergerechte Sprache sei ein Problem, meint Klammer. Sie finde es deshalb gut, „breite Teile der Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren“. Nachahmen wolle man das jedoch nicht.
Auch an der Ruhruni Bochum ist nicht geplant, dem Leipziger Weg zu folgen, sagt Sprecher Jens Wylkop. Allerdings versuche man, in sämtlichen Publikationen beiden Geschlechtern gerecht zu werden.
An der Hochschule Rhein-Waal in Kleve und Kamp-Lintfort übt man sich ebenfalls in Geschlechtergerechtigkeit. „Wir sprechen zum Beispiel stets von ‘Studierenden’“, sagt Sprecherin Christin Hasken. In den Statuten sei konsequent von „Professor und Professorin“ die Rede. Auf der Startseite des Internetauftritts hingegen heißt es: „Sie wollen bei Professoren studieren und lernen, die Sie persönlich und mit Ihrem Namen kennen?“ wirbt Rektorin Marie-Louise Klotz für ihre Hochschule – und verzichtet dabei auf ein „-in“ hinter ihrem Professoren-Titel.
Dass Doktorväter jetzt Doktormütter werden, ist an NRW-Hochsschulen in nächster Zeit nicht zu erwarten. An den meisten Unis gibt es weit mehr Hochschullehrer als -Lehrerinnen. An der Technischen FH Georg Agricola in Bochum etwa, sind zurzeit zwei Lehrstühle von 37 mit Frauen besetzt. Und: 87 Prozent der Studierenden an der TFH sind männlich. „Das ist unserer Fächerstruktur geschuldet“, sagt Sprecher Stephan Düppe. Die Hochschule für Gesundheit in Bochum, seit dem Wintersemester 2010/11 im Lehrbetrieb, zählt dagegen 85 Prozent Frauen bei den Studierenden. Und: Elf von 19 Professoren sind Frauen. Auch dort, so Sprecherin Christiane Krüger, erklärt sich das mit den noch immer ausgeprägten ‘klassischen’ Geschlechterrollen. Die Hochschule bietet u.a. Ergotherapie-, Logopädie- und Pflege-Studiengänge.
In Ingenieeurin steckt auch ein Genie
An der Hochschule Ruhr-West in Mülheim mag man Männer nicht diskriminieren: „Wir werden auch künftig beide Geschlechter ansprechen“, sagt Sprecherin Beatrice Liebeheim. Gleichstellung sei auch ein wichtiges Thema, obwohl die 2009 gegründete Hochschule mit den Studienfächern Informatik, Energieinformatik, Wirtschaftsingenieurwesen und Wirtschaftsinformatik deutlichen Männerüberschuss hat. Eine der Broschüren werde neu aufgelegt – mit neuem Titel: „Vorher hieß es ‘In Ingenieur steckt Genie“, sagt Liebeheim. Im neuen Flyer stehe dann: „In Ingenieurin steckt Genie“.