Heiße Wahlkampfphase vor der NRW-Wahl 2022! Rund anderthalb Wochen vor der Landtagswahl treffen die Spitzenkandidaten der NRW-Parteien in der WDR-Wahlarena aufeinander: Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty, Familien- und Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP), Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur (Grüne) und AfD-Fraktionschef Markus Wagner.
Der Fünfkampf findet im WDR-Studio in Köln-Bocklemünd statt. Die Wahlarena-Sendung wird live im WDR übertragen. Moderiert wurde der Wahlkampf-Talk von WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni und Westpol-Moderator Henrik Hübschen.
Wahlarena im WDR vor der NRW-Wahl: Erster Eklat schon vor der Sendung
Schon kurz vor Beginn der Sendung gab es den größten Aufreger: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert beschuldigte eine unionsnahe Seite auf Twitter, mit Fakeaccounts und vorformulierten Tweets während der Sendung Stimmung für Wüst und gegen Kutschaty machen zu wollen. Das seien „Trump-Methoden“ und eine „Trollkampagne“, regte sich Kühnert auf.
Hintergrund waren Anweisung, die angeblich vom Blog „TheRepublic“ an Fans herausgegeben wurden. Darin stand, was und wie man zu twittern habe. Der Gründer des Blogs, Armin Petschner-Multari, bestritt jedoch, dass dieses Dokument von „TheRepublic“ stammt. Es sei ein „Sturm im Wasserglas“, meinte er.
Um 20.15 Uhr geht es dann schließlich los im WDR. Viel Zeit geht zunächst für das Thema Energiekrise vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges drauf – fast die erste Hälfte der Sendung nimmt dieser Themenblock ein. Am Ende der Sendung wird Zeit für andere Themen fehlen, was für Unmut sorgen wird.
Den ersten starken Punkt in der WDR-Wahlarena macht die Spitzenkandidatin der Grünen. NRW brauche einen „Booster für den Ausbau Erneuerbarer Energien“ und müsse „Arbeitsplätze der Zukunft schaffen“, so ihre Forderung, die ihr viel Applaus einbringt. Zudem will sie ein Ende der Mindestabstandsregel von 1000 Meter für Windkraftanlagen, Photovoltaik-Anlagen an Autobahnen und eine Solardach-Pflicht. Bis 2040 solle NRW die erste klimaneutrale Industrieregion in Europa werden – das müsse trotz des Ukraine-Kriegs das Ziel bleiben.
WDR-Wahlarena: Kutschaty holt sich Applaus ab mit Spitze gegen die Bayern
Grundsätzlich schließt sich SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty an. Ob der Kohleausstieg bis 2030 weiterhin gelingen kann, darauf will er sich aber nicht festlegen.
Seinen ersten besonderen Moment hat er dann, als er Wüst einen mitgibt: Dieser hatte davon gesprochen, dass NRW an der „Spitze beim Ausbau der Windkraft“ in ganz Deutschland stehe und seine Landesregierung Rechtsfrieden und Verlässlichkeit geschaffen habe mit der Abstandsregel. Kutschaty kontert: „Wenn man sich nur mit Bayern bei der Windkraft vergleicht, dann ist man immer vorne.“
Die kleine Gemeinheit gegen den Freistaat kommt gut an im WDR-Studio. Dann ergänzt der SPD-Mann, dass man mit dem Mythos vom Spitzenplatz aufräumen müsse: 2017 habe NRW noch 312 neue Windkraftanlagen in den Betrieb genommen, 2021 waren es 83. Statt 1000 Meter Abstand würden 600 Meter ausreichen, so der SPD-Kandidat.
FDP-Minister Joachim Stamp plädiert dafür, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren – auch für Windkraftanlagen. Dies habe die neue Bundesregierung auch vor. Mehrfach „ampelte“ es zwischen ihm und Kutschaty. Mit Wüst ist sich Stamp aber einig, dass es bei den 1000 Metern Abstand zur nächsten Wohnsiedlung bleiben solle.
NRW-Wahl 2022: AfD-Mann Wagner redet von „Trittbrettfahrern“ bei Ukraine-Flüchtlingen – und wird kaltgestellt
Dann legt sich Stamp zum ersten Mal mit Wagner an – es sollte mehrere hitzige Wortgefechte zwischen den beiden geben. Das Problem der AfD sei doch, dass sie nicht an die Notwendigkeit der Energiewende glaube. „Fünf Jahre habe ich mir das angehört“, so Stamp über seine Erfahrungen im Parlament. Der WDR-Gast Markus Wagner trete in der WDR-Sendung als „Wolf im Schafspelz“ auf. Diese Attacke sei „armselig“, antwortet der AfD-Fraktionschef.
Als es kurz darauf um Ukraine-Flüchtlinge geht, spricht Wagner davon, dass „Trittbrettfahrer“ ins Land kommen könnten. Kutschaty entgegnet schlagfertig, wenn er die Bilder aus der Ukraine sehe, denke er bei den Asylsuchenden nicht zuerst an „Trittbrettfahrer“. Dann legt Kutschaty nach, als Wagner Kontrollen an der Grenze fordert: Er stelle es sich „grausam“ vor, wenn ein Wagner an der Grenze traumatisierte ukrainische Frauen kontrollieren wolle. Dafür gibt es breiten Applaus aus dem Publikum.
Kutschaty stellt zudem klar: Schon vor dem Krieg hätten Ukrainer das Recht gehabt, 90 Tage ohne Visum ins Land zu reisen.
Während auch Stamp von einem „völligen Randphänomen“ bei Flüchtlingsbetrügern im Rahmen des Ukraine-Kriegs spricht, sagt Wagner, dass er einen zweiten Fall Amri befürchtet, also Terror. Dies müsse man verhindern. Angst-Wahlkampf auf dem Rücken der Ukrainer!
Wüst hat starken Moment beim Themenkomplex Verkehrspolitik in WDR-Wahlarena
Beim nächsten Themenkomplex rückt dann Hendrik Wüst in den Mittelpunkt: Verkehrspolitik. Er zählt auf, was seine Landesregierung in diesem Feld vorangebracht habe: Zwei Milliarden Euro in den Straßenausbau jedes Jahr. 600 Millionen Euro zusätzliche Mittel habe NRW ergattern können, die eigentlich für andere Bundesländer vorgesehen waren. Und beim ÖPNV will er erreichen, das jeder Ort mit mindestens 20.000 Einwohner entweder an die Bahn oder an einen Schnellbus angebunden ist.
Als Neubaur etwas despektierlich über Ortsumfahrungen redet, über die sich Provinzbürgermeister freuen könnten, wenn sie mit der Schere in der Hand ein Band durchschneiden und einen Artikel in der Lokalzeitung bekommen und man andere Prioritäten setzen sollte, schlägt Wüsts Stunde. Darum gehe es doch gar nicht, sondern um Dörfer, durch die täglich 10.000 Fahrzeuge fahren, entgegnet er. „Da geht es um Lebensqualität, um Verkehrssicherheit, ob man in diesen Dörfern überhaupt noch leben will, wenn da ein paar Hundert Lkw durchknattern“, macht sich der ehemalige Verkehrsminister für die ländlichen Regionen stark und bekommt viel Applaus. Die Grüne argumentiere populistisch, wirft er ihr vor.
Neubauer schlägt danach vor, bis 2025 ein flächendeckendes Schnellbusnetz in NRW zu etablieren und mittelfristig die Schienenverbindungen auf dem Land zu reaktivieren. Stamp dagegen will beim ÖPNV auf Digitalisierung setzen: Mittels einer App könne ein NRW-weites Ticket gebucht werden und der Bus fahre dann bei Bedarf in die Dörfer. Für Abrufmodelle, ob digital oder telefonisch, macht sich auch Kutschaty stark. Solche Busse könnten Menschen vom Land zum nächsten Verkehrsknotenpunkt bringen.
NRW-Wahl 2022: Giftpfeile in Wahlarena – „Kommt in ihrer Stammtischkneipe vermutlich nicht vor“
Den nächsten Knall zwischen Stamp und Wagner gibt es dann beim Thema Wohnungsmarkt. Der AfD-Mann behaupet, dass 2,5 Millionen Menschen, die seit 2015 ins Land kamen, das Wohnungsproblem verschärft hätten. Stamp hält dagegen, dass NRW einen Arbeitskräftemangel habe und Handwerk sowie Industrie händeringend nach Leuten suchen. „Kommt in ihrer Stammtischkneipe vermutlich nicht vor“, schießt er gegen den AfD-Politiker. Wieder „ampelte“ es: Deutschland brauche aber eine besser gesteuerte Migrationspolitik, das habe die neue Bundesregierung vor und müsse nun umgesetzt werden, so Stamp.
NRW-Wahl 2022: Wüst, Stamp und Wagner nörgeln über WDR-Moderatoren, dann ist die Sendezeit aber rum
Mit fortschreitender Sendedauer werden die Gäste nörgeliger. Beim Thema Wohnen kommt Wüst nicht zu Wort. Als die Moderatoren Ehni und Hübschen schon zum nächsten Block wollen, protestiert er: „Ich habe zum Thema Wohnen schon den Anspruch, als Ministerpräsident und Spitzenkandidat der CDU etwas zu sagen“. So gehe es schließlich nicht, dass man geduldig warte und dann nicht drankommt.
In die selbe Kerbe schlägt darauf auch der AfD-Mann Wagner nach dem nächsten Themenblock Corona und Bildungspolitik. „Verstehe ich das jetzt richtig, dass wir gerade zu Corona-Maßnahmen an Schulen geredet haben, alle dazu zu Wort gekommen sind, nur ich nicht?“ Jetzt regt er sich richtig auf: „Das lasse ich mit mir nicht machen! So geht es nicht!“
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Auch Stamp meckert am Ende der Sendung, dass zu viel über Corona und zu wenig über Zukunftsthemen gesprochen worden sei. „Auch Innere Sicherheit wäre es wert gewesen“, ergänzt Wüst.
Doch die Sendezeit ist nach 90 Minuten zu Ende. Zu viel Ukraine, zu viel Energiepolitik. Und zu viele Nebenkriegsschauplätze, weil ein empörter AfD-Mann Unruhe in die Sendung bringt.