Die sechs unheimlichsten Sagen des Ruhrgebiets – und was an den Legenden dran ist
Um das Ruhrgebiet ranken sich verschiedenste Sagen
Manche sind sogar richtig gruselig – und zum Teil auch wahr!
Du kennst die Loreley am Rhein und den Rattenfänger von Hameln – aber Sagen aus dem Ruhrgebiet hast du noch nie gehört? Dann wird es Zeit, das zu ändern!
Diplom-Theologe und Autor Dirk Sondermann hat es sich zur Aufgabe gemacht, Sagen des Ruhrgebiets zu erforschen. Viele von ihnen werden durch ihn zum ersten Mal überhaupt verschriftlicht. Oft werden sie ihm von älteren Bürgern oder Burg- und Schlossbesitzern erzählt, die die Sagen über Jahre weitergegeben haben. Neben seinen Sagen-Büchern verwaltet Sondermann außerdem die Homepage „Sagenhaftes Ruhrgebiet“, auf der du einige Sagen in der Vollversion nachlesen kannst. Manche von ihnen handeln von Riesen oder Geistern – aber in anderen geht es um echte historische Ereignisse.
Wir haben besonders gruselige Erzählungen zusammengefasst und uns gefragt: Was ist dran?
1. Die „Eiserne Jungfrau“ der Burg Altendorf
Mit dem Burgherren der Burg Altendrof sollte man sich früher nicht anlegen. Wer es doch wagte, ihn wütend zu machen (und das ging recht leicht), den erwartete eine besondere Überraschung.
Zunächst erhielt er eine Einladung in die Burg. Dort wurde ihm gesagt, dass er dem Tod nur entgehen könne, wenn er den sogenannten „Jungfernkuss“ durchführe.
In der Burg angekommen, musste der vermeintliche Täter dann einen langen Gang entlanggehen. Am Ende hing ein Gemälde eines Mädchens. Es schien, als müsse er das Bild küssen, um unbeschadet gehen zu können. Stand er jedoch vor diesem, öffnete sich eine Falltür und er fiel in den Tod – und zwar auf grausamste Weise.
Die Burg besaß eine tödliche Konstruktion: Mehrere Eisenspitzen und Klingen, auf denen die Opfer aufgespießt und regelrecht zerstückelt wurden. Ihre Überreste stürzten in einen Wasserkanal und wurden weggeschwemmt.
Das grausige Instrument erinnert an die „Eiserne Jungfrau“ – ein Kasten mit Stahlspitzen im Inneren. Hier sollen im Mittelalter Opfer eingesperrt und durchlöchert worden sein. Ob es die tödliche Konstruktion in der Burg Altendorf so tatsächlich gegeben hat, ist unklar.
2. Der Geist in der Straßenlaterne
Eine etwas jüngere Sage erzählt von einer ständig unnatürlich flackernden Straßenlaterne in Bochum auf der Gahlensche Straße. Auch das mehrmalige Auswechseln der Birne änderte angeblich nichts daran. Irgendwann gruselten sich die Menschen, wenn sie an der Lampe vorbeigehen mussten.
Man erzählte sich, dass bei der Herstellung ein Krupp-Arbeiter in den flüssigen Stahl gefallen und anschließend mitverarbeitet worden war.
Wie man auch auf der Homepage nachlesen kann, konnte das Phänomen nicht nachgewiesen werden. Die Stadtwerke bestätigten, dass es normal sei, dass Natrium-Lampen flackern, wenn der Leuchtstoff verbraucht ist. Von einer ausgewechselten Laterne, die trotzdem flackert, weiß niemand etwas. Aber vielleicht traust du dich, dich selbst davon zu überzeugen?
3. Der Werwolf von Meiderich
In Duisburg-Meiderich soll es einen Mann gegeben haben, der sich nachts in einen Werwolf verwandelt hat. Wenn er jemandem begegnete, sprang er ihm auf den Rücken. Er ließ sich so lange tragen, bis sein „Transportmittel“ zusammenbrach. Erst als es einem seiner Opfer gelang, ihn mit einem Messer zu stechen, verwandelte er sich sofort zurück in einen Menschen und niemals wieder in einen Werwolf.
Schwer zu sagen, was sich genau in Meiderich zugetragen hat. Fakt ist aber, dass der Glaube an Werwölfe uralt ist. Wenn du nachts in Meiderich ein Heulen hörst, solltest du vielleicht vorsichtshalber die Beine in die Hand nehmen!
4. Die schwarze Frau auf der Bredde
In Gelsenkirchen erzählt man sich, dass es einmal zwei aneinandergrenzende Bauernhöfe „Op de Bredde“ gab. Während der eine einer sehr reichen Wittwe gehörte, konnte sich die andere Witwe gerade so über Wasser halten.
Der reichen Frau genügte ihr Besitz nicht, also befahl sie ihrem Knecht, er solle heimlich ein Stück Acker der Nachbarin pflügen. Nach und nach arbeitete er sich immer weiter vor und die reiche Frau nahm unrechtmäßig immer mehr des benachbarten Grundstücks ein. Zur Belohnung bekam ihr Knecht immer ein Glas „Fusel“.
Das ging jahrelang so, bis es endlich zu einem Rechtsstreit kam, den die reiche Frau gewann. Ihr Knecht erschien allerdings als Zeuge vor Gericht. Schließlich wurde klar, warum: Während er beschwipst mit seinem Pferd den Acker gepflügt hatte, hatte dieses ausgeschlagen und ihn in einen Graben getreten, in dem er schließlich gestorben war.
Ein Jahr nach der Verhandlung starb auch die reiche Witwe – kurz bevor sie das gestohlene Korn verkaufen konnte.
Jedes Jahr am Tag der Gerichtsverhandlung soll sie wieder auftauchen. In ihrem schwarzen Totenkleid wandelt sie durch die Straßen. Irgendwann verschwindet sie wieder, indem sie sich in den Graben wirft, in dem auch ihr Knecht den Tod fand.
So viel kann man sagen: Es soll tatsächlich zwei Höfe in Gelsenkirchen-Bismarck gegeben haben, die von zwei Witwen geführt wurden. Dort gab es außerdem sehr tiefe Entwässerungsgräben. Die Straße „Op de Bredde“ gibt es noch immer.
5. Der Hexenpoth an der Ruhr
Die Zeit der Hexenprozesse ging auch an Essen nicht spurlos vorbei. An abgelegenen Orten sollen Hexen mit dem Teufel höchstpersönlich gefeiert haben. Er schenkte ihnen die Macht, Menschen, Tieren, Früchten und Feldern zu schaden.
Um herauszufinden, ob es sich bei einer Verdächtigen tatsächlich um eine Hexe handelte, musste sich diese einem sogenannten Hexenbad unterziehen. In Essen passierte das am Fuße des Schellenbergs. Die Frauen wurden in die Ruhr geworfen – diejenigen, die an der Oberfläche blieben, wurden zur Hexe erklärt, wer untertauchte, war unschuldig.
Viele Frauen kamen damals ums Leben – diejenigen, die als Hexe „erkannt“ wurden, wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Hexenprozesse fanden überall im Land statt und das Hexenbad war nur eine von vielen Möglichkeiten eine Hexe zu enttarnen. Der Blücherturm in Rellinghaus wurde dabei als Folterkammer und Gefängnis genutzt. Der Straßenname „Hexentaufe“ erinnert an diese Zeit zurück.
6. Die Geisterandacht
Im Kloster Saarn in Mülheim soll einer Sage zufolge jede Nacht eine Geisterandacht stattfinden. Um Mitternacht werden die blassen Nonnen zum Gottesdienst gerufen. Im Chor singend schreiten sie in Zweierreihen zum Altar. Dort angekommen, entzündet sich auf wundersame Weise ein Licht.
Der Gesang der toten Nonnen wird unterbrochen, wenn eine Frau aus den düsteren Gängen des Klosters kommt. Sie schreitet an den Nonnen vorbei, kniet vor dem Altar nieder und fleht um Gnade: Die Jungfrau hatte sich das Leben genommen, um ihre Unschuld zu wahren.
Ihre Worte werden erhört und ein Priester erscheint am Altar. Alles verstummt, kein Ton ist mehr zu hören, nicht mal der Wind scheint um die Mauern zu pfeifen. Der Geistliche hebt die Hände und segnet die junge Frau. Jetzt, wo auch sie Frieden finden kann, schreiten alle Geister gemeinsam zurück zu ihren Gräbern.
Naja: Augenzeugenberichte sind nicht bekannt. Von dieser gruseligen Szenerie wirst du dich wohl selbst überzeugen müssen.
Sagen – was ist dran?
Sechs gruselige Sagen und an einigen von ihnen ist zumindest ein bisschen was dran. Auf Sondermanns Homepage „Sagenhaftes Ruhrgebiet“ findest du nicht nur noch mehr Sagen in voller Länge, sondern außerdem die dazugehörigen Koordinaten. Du kannst dir die Orte des Geschehens also direkt ansehen.