Die Oberhausener entscheiden am Sonntag über eine Straßenbahnlinie. Und indirekt auch über die absurde Verkehrsplanung im Ruhrgebiet.
Oberhausen.
Mit einem frivolen Video hat die Oberhausener Stadttochter Stoag im Netz für Wirbel gesorgt. Darin werben die Stadtwerke für „reibungslosen Verkehr“ – gemeint ist der Ausbau der Straßenbahn von Essen über die Neue Mitte bis zum Hauptbahnhof und nach Sterkrade. Doch ein derartiger – Kinder, bitte kurz aussteigen! – Koitus Interruptus wie zwischen Essen und Oberhausen ist im interkommunalen Nahverkehr eher die Regel als die Ausnahme.
Theoretisch können 16 500 Ja-Stimmen reichen für den Bau der 3700 Meter langen Straßenbahntrasse – dann würde der Wahnwitz des öffentlichen Nahverkehrs im Ruhrgebiet zumindest um eine bittere Pointe ärmer.
Eher ein Akt der Wirtschaftsförderung
Ob es so kommt, ist offen: Immerhin geht es um 80 Millionen Euro, von denen die höchstverschuldete Stadt Oberhausen trotz aller Förderung immerhin noch 13 beibringen muss. Die Essener, die nur 300 Meter Schiene bis zur Stadtgrenze legen müssen, kommen mit 600 000 Euro aus. Allerdings werden die Menschen dort ebenfalls deutlich profitieren, wo es in Oberhausen eher ein Akt der Wirtschaftsförderung ist: Rund um das seit 18 Jahren boomende Einkaufs-Centro sind attraktive Ausflugsziele entstanden: Gasometer und Großraumdisco, Konzertarena und Kino, Marina und Museen.
Heute nehmen die Essener dafür das Auto: An der Tram-Endstelle neben einer stillgelegten Tankstelle auf den Bus zu warten, der dreimal pro Stunde zum Centro juckelt, macht Nahverkehr nicht eben sexy.
Seit 1967 geht das so: Damals, zur Hochzeit des Automobils, strich Oberhausen die Straßenbahn: Die Linien aus Mülheim und Essen endeten fortan an der Stadtgrenze. Typisch für das Kirchturmdenken, von dem man Zweifel haben kann, ob es ausgestorben ist. Wobei es heute weniger vom Glauben an Wichtigkeit der eigenen Stadt geprägt ist, als von der Finanzausstattung.
Denn öffentlicher Nahverkehr ist ein Zuschussgeschäft und der komfortable und klimafreundliche Schienenverkehr erfordert teure Infrastruktur: Auch die neue Linie 105 ist extrem kostspielig, weil sie auf eigens gebauten Brücken verlaufen wird.
Und die Infrastruktur der Nahverkehrsnetze in der Region ist desolat: Während die Oberhausener immerhin 1996 reumütig mit einer modernen Nahverkehrstrasse zur Straßenbahn zurückkehrten, würde zumindest der Mülheimer Kämmerer am liebsten noch heute aus der Tram aussteigen.
Stilllegungspläne, weil für Reparaturen kein Geld mehr da ist
Stilllegungspläne herrschen auch bei der U-Stadtbahn zwischen Duisburg und Düsseldorf: Während die reichen Düsseldorfer ihr U-Bahnnetz stetig erweitern und der riesigen Nachfrage anpassen, weiß der verarmte Nachbar im Norden nicht, wie er die Modernisierung der Technik bezahlen soll, die den lückenlosen Verkehr auf der Linie Duisburg-Düsseldorf ermöglicht.
Immerhin: Auf dieser Linie haben sich die Verkehrsunternehmen auf gemeinsame technische Merkmale einigen können. Das sieht zischen Duisburg und Essen anders aus: Weil die Stadtbahnwagen der Essener und der Duisburger nicht austauschbar sind, warten die Hochschulstandorte Duisburg und Essen der viertgrößten Uni des Landes seit zwölf Jahren auf eine durchgehende U-Bahnlinie.
Die Uni ist in ihrer Verzweiflung schon dazu übergegangen, mit einem eigenen Pendelbus zum A40-Stau beizutragen.
Reibungsloser Nahverkehr ist hier vorerst nicht zu erwarten, anders als kräftige Erhöhungen für das Semesterticket bei den Studierenden. Immerhin haben Essener Verkehrs AG und die Stadtwerke Oberhausen AG als Betreiber der neuen Linie geklärt, dass die Straßenbahnen beider Städte für den reibungslosen Verkehr taugen. Was nichts daran ändert, dass eine Nahverkehrs-Ehe zwischen beiden Kommunen vor wenigen Jahren scheiterte. Schön, dass sie wenigstens in Sachen neuer Straßenbahn mal auf einer Linie sind.