Notbetreuung, geschlossene Gruppen und ErzieherInnen am Limit. Die Lage an Kitas in NRW spitzt sich immer mehr zu. „Ich habe es noch nie so erlebt“, sagt Silvia Verführt im Gespräch mit DER WESTEN. Die Leiterin des Waldorfkindergartens Fichtenhain in Krefeld musste den Eltern neulich eine drastische Entscheidung vermitteln.
Wegen Personalmangels muss die Kita die Betreuungszeiten ab April verkürzen! Schon jetzt müssen Eltern ihre Kinder bei Krankheitsfällen immer wieder spontan um 14 Uhr abholen. „Aus Elternsicht ist das natürlich eine Katastrophe“, weiß Silvia Verfürth. Doch die Situation ist in NRW bei weitem kein Einzelfall.
Kita-Krise in NRW: Eltern brechen in Tränen aus
Das zeigte zuletzt auch ein WDR-Bericht aus Mülheim. Auch hier ist die Personalnot groß. In der DRK-Kita „Die Rettungsmäuse“ bleibt eine Gruppe geschlossen. Obwohl es für August 2024 achtmal mehr Bewerbungen gab als Kitaplätze. Leiterin Inga Kuszynski berichtet von weinenden Eltern, die unbedingt Betreuung für ihre Kinder benötigen, „weil sie nicht nur arbeiten wollen, sondern vom Geld her auch arbeiten gehen müssen“.
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Auch wer einen Kitaplatz für sein Kind hat, musste die Betreuung aufgrund von Personalknappheit in vielen NRW-Einrichtungen immer wieder zum Teil selbst übernehmen – häufig spontan. „Wir merken, dass Arbeitgeber ungeduldig werden“, sagt Daniela Heimann vom Landeselternbeirat Kita NRW und bestätigt im WDR: „Die Situation ist sehr angespannt“.
Kita-Leiterin spricht Klartext: „Geht gar nicht“
Die Zahlen sind erschreckend. Schon jetzt fehlen Erzieherinnen und Erzieher an jeder Ecke. Laut einer Studie der NRW-Landesregierung könnten bis zum Jahr 2030 sage und schreibe 20.000 Stellen unbesetzt sein. Insbesondere freie Träger haben Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen, was auch mit der ungleichen Finanzierung der Einrichtungen zusammenhängt (mehr dazu hier >>>). Die fällt in jeder Stadt anders aus.
Der Waldorfkindergarten Fichtenhain erhält im Vergleich zu einer städtischen Einrichtung etwa nur 92 Prozent Finanzierung. Und das auch nur wegen eines freiwilligen Zuschusses der Stadt Krefeld, der jedes Jahr neu beantragt werden müsse, so Silvia Verfürth. Deshalb könne man mit der Bezahlung in städtischen Einrichtungen nicht mithalten. „Das geht nicht“, findet die Kita-Leiterin. „Die Erzieher leisten hier die gleiche Arbeit, wenn nicht sogar bessere.“
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Silvia Verfürth fordert deshalb, dass die Rahmenbedingungen im Kibiz-Gesetz geändert werden und verweist auf eine entsprechende Petition zur Rettung der Kitas in NRW. Der Krefelderin geht es zum einen um die Finanzierung, aber auch um den Nachwuchs. Denn zu viele junge Leute, die entsprechende Ausbildungen beginnen, landen am Ende nicht in den Kitas. Viele gehen lieber danach noch studieren in der Hoffnung auf besser bezahlte Jobs. Auch bitter benötigte Quereinsteiger würden kaum in Kitas landen. „Die müssen in der Zeit der Umschulung Gehalt bekommen“, findet die Krefelder Kita-Leiterin. Stattdessen ist die klassische Ausbildung zur ErzieherIn in NRW in den ersten beiden Jahren unbezahlt.
Für die Lage der Eltern hat Silvia Verfürth nach eigenen Angaben großes Verständnis. Aus ihrer Sicht müssten aber Eltern aber viel mehr auf die Barrikaden gehen. „Das könnt ihr euch doch alles nicht gefallen lassen“, stellt die Kita-Leiterin fest und fragt sich angesichts der unterversorgten Kinder in Richtung der Landesregierung: „Was ist uns die Bildung eigentlich wert?“