Die NRZ öffnete ein eigenes Wahllokal in der Dinslakener Innenstadt. Insgesamt kamen 78 Kinder und Jugendliche, um Kreuzchen auf dem Stimmzettel für die Bundestagswahl zu machen. Eine Testwahl mit ungewöhnlichem Ergebnis.
Dinslaken.
Vincent hat es besonders eilig. Der Grundschüler stoppt mit seinem Fahrrad am NRZ-Wahllokal auf dem Dinslakener Neutorplatz und läuft auf direktem Weg zur Wahlkabine. „Ich hab mir gerade das neue Micky-Maus-Magazin gekauft, und jetzt geh’ ich wählen“, sagt er und nimmt dazu noch nicht einmal seinen grünen Fahrradhelm ab. In ein paar Sekunden sind die Kreuze gemacht, und Vincent stopft den gefalteten Stimmzettel in die Wahlurne. „Tolle Aktion“, findet er – und ist auch schon wieder weg.
Inga und Yannik haben sich mehr Zeit für die U18-Wahl genommen. Die beiden 16-Jährigen sind mit den Mitschülern aus ihrem Sowi-Leistungskurs und Lehrer Alexander Feldmann zum NRZ-Pavillon gekommen. „Ich finde die U18-Wahl gut“, sagt Inga. „Wir Jugendlichen haben auch eine Meinung zu vielen Dingen, das wird nun endlich einmal berücksichtigt.“ Yannik hat Sozialwissenschaften als Leistungskurs gewählt, weil er sich nicht nur für Politik, sondern auch für Wirtschaft interessiert. „Ich finde es spannend, was alles die Wirtschaft beeinflussen kann.“
Die U18-Jugendwahl ist ein Angebot für alle Kinder und Jugendlichen von 0 bis 17. Der jüngste Wähler im NRZ-Wahllokal ist drei Jahre alt, die Mutter hilft ein wenig. Andere Kinder sind erstaunlich gut informiert. Jan (9) sagt: „Ich gucke immer ,logo!’ und lese die Kinderseite.“ Er ist gekommen, weil er das „auch mal so machen wollte wie die Erwachsenen.“
Erst- und Zweitstimme
Mittlerweile erklären die Gymnasiasten den kleineren Kindern, die zum Wählen gekommen sind, das Prinzip von Erst- und Zweitstimme. „Der in der linken Spalte wird direkt gewählt, das Kreuz rechts ist für die Partei…“ Zwei weitere Jungen sind hinzugekommen, Patrick und Leonard, beide 14 Jahre alt. Sie haben den Wahl-O-Mat bereits einmal durchgeklickt. „Ich finde, das Wahlalter sollte auf 16 Jahre abgesenkt werden“, sagt Patrick. „Es gibt so viele Entscheidungen, die Auswirkungen auf später haben. Ich habe zum Beispiel nicht die Hoffnung, dass ich einmal eine Rente bekomme, von der ich leben kann.“ Vor vier Wochen ist der 14-Jährige in eine Partei eingetreten. Welche? „Möchte ich nicht sagen.“ Aber verändern möchte er etwas, das ist zu spüren.
Mehr zum ThemaSowi-Lehrer Alexander Feldmann hält nichts von dem Vorurteil, dass Jugendliche grundsätzlich nicht politisch interessiert seien. „Das hängt ganz stark vom Elternhaus ab. Die U18-Wahl ist sehr sinnvoll, weil sie Jugendlichen eine Stimme gibt. Politiker, die an Jugendarbeit interessiert sind, schauen sich genau an, welche Ergebnisse dabei herauskommen.“
„Ich habe NPD gewählt“, sagt kurz darauf ein kleiner Junge, dem man nicht abnimmt, sich mit der rechtsextremen Partei auseinandergesetzt zu haben. Er grinst. Auch das ist U18 – wenn Kinder sich einen Jux mit den Kreuzchen machen. 9,2% für die NPD heißt es hier am Ende, offensichtlich, weil ein paar Freunde sich abgesprochen haben. Die SPD schneidet am Neutorplatz am besten ab: 26,3%.
„Nur meckern, aber nichts tun – das ist nicht gut“
Dass die Wahlbeteiligung seit Jahren sinkt, sieht Leonard kritisch. „Wenn immer weniger Menschen wählen gehen, kommen extreme Parteien an die Macht“, glaubt er. Auch Alexander Feldmann verweist auf die Geschichte. „Wir sollten uns klar machen, was es bedeutet, in einer Demokratie zu leben. In vielen Ländern sind freie Wahlen nicht selbstverständlich.“ Und Patrick sagt: „Leute, die sagen: ,Ich geh nicht wählen, weil die, die ich wähle, sowieso nicht gewinnen’, kann ich nicht verstehen.“
„Nur meckern, aber nichts tun – das ist nicht gut“, sagt Claudia Reuter-Tippelt, während ihre Tochter Anna-Lena gerade die zwei Kreuzchen macht. Zum Dank gibt’s Gummibärchen. Beim Politiker-Quiz haben viele Jugendliche gut abgeschnitten. Dabei ging es darum, die Fotos der Spitzenkandidaten zu erkennen. „Bernd Schlömer von den Piraten war am schwierigsten“, sagt Lukas (10). „Aber Merkel, Steinbrück und Trittin, die kennt man doch.“ Claire (12) hat im Deutschunterricht im letzten Jahr durchgenommen, wie Wahlplakate gestaltet werden. „Auch jetzt hängen ja überall Plakate“, sagt die Siebtklässlerin. Sie fallen auf, aber welche Sprüche auf ihnen stehen, das hat sie sich nicht gemerkt. „Ich finde, viele Politiker verstellen sich. Sie wollen gut wirken, damit sie auch gewählt werden.“
Es ist fast 18 Uhr, das NRZ-Wahllokal schließt gleich. 78 Kinder und Jugendliche waren da und haben geübt. Für den Tag, an dem sie wirklich einmal den Bundestag wählen dürfen.