Himmelfahrt für 8000 Euro – Zur Bestattung ins All
Manfred Lessing aus dem westfälischen Espelkamp bringt Urnen in den Weltraum. Für ein Gramm Asche berechnet die texanische Firma, die er vertritt, 8000 Euro. In die Atmosphäre verglühen dann Rakete und Urne. Es ist: das Ende als Sternschnuppe.
Espelkamp.
Für eine 1910 in Ostpreußen geborene Frau wie Martha Lessing ist es noch immer äußerst ungewöhnlich, über dem südchinesischen Meer zu verglühen. Es war jedoch für ihre Kinder, Enkel und Urenkel die gerechteste Lösung, leben Lessings doch in Deutschland und den USA, in Kanada und Australien. Wo also die Mutter bestatten? Im All! „Der Manfred macht doch so was“, sagten sie und schauten den Manfred auffordernd an.
Er organisiert: die letzte Himmelfahrt. Unser Mann ins All.
Im obersten, im 13. Stockwerk des höchsten Hauses von Espelkamp lebt der Ruheständler Manfred Lessing mit seiner Frau. Er vertritt die US-Firma „Celestis“ aus Houston/Texas, die Weltraumbestattungen anbietet. Papierkram erledigen, die Asche verschicken nach Übersee, um solche Sachen kümmert sich Lessing. Denn natürlich lässt Celestis keine ganzen Leichen ins All transportieren, das wäre unbezahlbar, sondern nur ein ganz klein bisschen ihrer Asche.
Urne erinnert an einen Lippenstift
Ein Gramm in einer Urne, die aussieht wie eine Knopfzelle; die große Urne für sieben Gramm erinnert eher an einen Lippenstift. „Die Nachfrage ist gestiegen, deshalb konnten wir den Preis von 11.000 auf 8000 Euro senken“, so Lessing. Freilich kommen noch die Kosten für die klassische Urnenbestattung hinzu, die meiste Asche bleibt ja nun doch auf Erden.
Das Geschäft war nach einem interstellaren Absturz etwas sehr zur Ruhe gekommen, soll sich aber nach der erfolgreichen Mission einer Falcon-9-Rakete im Mai 2012 wiederbeleben – der nächste Start ist angekündigt für den März 2013. „Your loved one flew with Mercury astronaut L. Gordon Cooper, beloved Star Trek actor James Doohan, and over 300 others from across planet Earth“, so beschreibt Chief Executive Officer Charles M. Chafer die Reise sehr amerikanisch: „Ihr Angehöriger flog mit (den Urnen von) Astronaut L. Gordon Cooper, dem geliebten Enterprise-Schauspieler James Doohan (Scotty) und über 300 anderen aus der ganzen Welt.“ Ein Massengeschäft wird das dennoch nicht mehr werden: Im Moment vermeldet Lessing gerade drei Interessenten, und acht will er bisher nach Houston vermittelt haben. Weltraumbestattung geht so: Bis zur Verbrennung ist alles noch wie immer. Danach geht ein Bruchteil der Asche nach Amerika.
Celestis kauft Transportkapazität auf Raketen, die sowieso fliegen, etwa um einen Satelliten ins All zu bringen. Wenn der Satellit ausgeklinkt ist, ist die Rakete Weltraumschrott und kreist um die Erde. Bis die Schwerkraft sie wieder einfängt und langsam in die Atmosphäre zieht. Dort verglühen Rakete und Urne. Es ist: das Ende als Sternschnuppe. Und die Angehörigen bekommen davon einen recht schönen Film.
Maschinenbauer und Seefahrer
Es gibt auch eine – weit billigere – Variante, dass das Ürnchen heil zurückkehrt zur Erde; sowie ganz im Gegenteil die, auf einem Erkundungssatelliten ohne Rückkehr hinaus ins All zu fliegen. „Das hat aber noch nie jemand gemacht“, sagt Lessing. Denn da solche Missionen sehr selten sind, wären auch die Wartezeiten unkalkulierbar. Und wer weiß, wen man dann da draußen noch alles trifft!
Lessing war eigentlich Maschinenschlosser, wanderte aus nach Kanada als junger Mann und kam später zurück; er arbeitete auch als Seemann, der Schiffe von Tokio nach Deutschland überführte. Das war in den 1960er-Jahren, und nach Tokio kam man im Flugzeug via Frankfurt-Nikosia-Bombay-Bangkok – was für eine Himmelfahrt!
Das letzte große Abenteuer
Als Lessing Mitte der 90er-Jahre aufmerksam wurde auf das Geschäftsmodell von Celestis, meldete er sich sofort: „Man kann ja kein Astronaut mehr werden“, sagt der heute 70-Jährige. Er und seine Frau Monika (54) werden ihre Körper nach dem Tod erst der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen, dann lassen sie sich einäschern. Und warten auf den gemeinsamen Flug. Das wird, sagt Lessing, „mein letztes großes Abenteuer“.