Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen in NRW wird heiß diskutiert. Befürworter verweisen auf die Erfolge der ersten Woche nach der Einführung (mehr dazu hier >>>). Grenzpendler hingegen zeigen auf, wie lückenhaft die Maßnahme in der Realität wirklich ist (hier mehr lesen >>>).
Schließlich handelt es sich in NRW bislang um mobile Grenzkontrollstellen, also um Stichproben. Experten fürchten deshalb, dass Schleuserbanden sich deshalb bereits neue Wege suchen (was dahintersteckt liest du hier >>>). Ein anderer Insider zweifelt den Sinn der Grenzkontrollen in NRW aus anderen Gründen an.
Grenzkontrollen in NRW: „Symbolische Maßnahme“
Aus Sicht von Tobias Singelnstein sind die Grenzkontrollen in NRW kaum wirkungsvoll, weil in der Praxis vergleichsweise nur sehr wenige Menschen zurückgewiesen werden. „Deshalb ist es aus meiner Sicht eher eine symbolische Maßnahme“, sagte der Kriminologe gegenüber der „ARD-Tagesschau“.
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Außerdem gebe es dem Professor für Strafrecht und Kriminologie der Goethe-Universität Frankfurt zufolge ein weiteres Problem: Die Maßnahmen an den Grenzen fressen reichlich Ressourcen. Weil Kräfte durch die Grenzkontrollen abgezogen werden müssten, würden deshalb andere Bereiche der Polizeiarbeit zu kurz kommen. „Zum Beispiel auch für Maßnahmen, die sich gegen den islamistischen Terrorismus richten, sind dann unter Umständen an anderer Stelle weniger Kräfte vorhanden.“
Geht der Schuss nach hinten los?
Aus kriminologischer Sicht birgt die Maßnahme nach Ansicht von Tobias Singelnstein also die große Gefahr, dass mutmaßliche Terroristen aus dem Fokus geraten könnten. Ein Rückblick: Nach dem terroristischen Anschlag von Solingen (mehr hier >>>) wurde der Ruf nach einer Schließung der Grenzen laut. Bundesinnenministerin Nancy Faeser begründete die nun bundesweiten Grenzkontrollen in der Folge damit, die „illegale“ Migration stoppen zu wollen.
Es sei aber dem Kriminologen zufolge nicht sinnvoll, die Themenbereiche Migration und Terrorismus miteinander zu vermischen. „Wir haben hier einen einzelnen Attentäter, das sind individuelle Personen, die man sich von ihrer Geschichte, ihren sozialen Hintergründen her angucken muss, warum und wie sie sich radikalisiert haben.“ Grundlegende Maßnahmen gegen eine sehr große Gruppe von Menschen (in diesem Fall Migrantinnen und Migranten) würden in dem Fall nicht weiterhelfen.
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Für Singelnstein sei die Debatte komplett überhitzt. „Auch gemessen an den Herausforderungen, die wir jetzt gerade im Bereich der Migration haben und die wir in der Vergangenheit schon hatten, ist mir nicht ganz ersichtlich, warum jetzt solche Maßnahmen gefahren werden, anstatt nach diesem schrecklichen Anschlag erstmal innezuhalten, zu gucken, was ist eigentlich genau passiert, die Lage zu analysieren und dann Maßnahmen gegen Terrorismus statt gegen Migration zu fahren.“