Trotz der Pariser Anschläge rät NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), die Weihnachtsmärkte und Großveranstaltungen an Rhein und Ruhr zu besuchen.
An Rhein und Ruhr.
Längst sind die rund 160 Buden des Weihnachtsmarkts aufgebaut. Ab heute Nachmittag leuchten dort Zigtausende Lämpchen, in der Luft der Geruch von Glühwein und Reibekuchen. Aus den Lautsprechern dröhnen Weihnachtslieder. Duisburgs größte Veranstaltung soll bis Jahresende gut zwei Millionen Gäste in die Innenstadt locken – wenige Tage nach den Attentaten in Paris eine besondere Herausforderung.
In Reaktion auf die Terroranschläge verstärkt Nordrhein-Westfalen die Sicherheitsmaßnahmen auf Großveranstaltungen – die Polizei wird auf allen großen und besonders stark besuchten Weihnachtsmärkten mehr Präsenz zeigen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte jedoch davor, in Angst und Panik zu verfallen. Er selbst werde ganz normal mit der Familie zum Weihnachtsmarkt und zum Fußballspiel seines Heimatvereins MSV Duisburg in Düsseldorf gehen.
Keine konkreten Hinweise auf Anschläge
Jäger stellte klar, dass es derzeit keine konkreten Hinweise auf Anschlagsplanungen in NRW gibt. Neben dem gezielten Schutz von Weihnachtsmärkten wird die Polizei vor allem französische Einrichtungen sichern und verdeckte Maßnahmen hochfahren. Der Innenminister schätzt, dass rund 500 der über 2000 Salafisten gewaltbereit sind. Es gebe aber keine Informationen, dass die Attentäter von Paris in der Vergangenheit Moscheen in NRW besucht hätten. Überhaupt sei kein Bezug zwischen den Pariser Anschlägen und NRW feststellbar.
Die Veranstalter des Weihnachtsmarktes in Duisburg bleiben angesichts der Situation bewusst unaufgeregt: „Wir sind gewappnet“, sagt Organisator Peter Joppa. „Ohnehin setzen wir immer deutlich mehr Personal zum Schutz ein als das Sicherheitskonzept vorsieht.“ In Duisburg patrouillieren Polizei, Ordnungsamt und private Wachleute. Zudem achten alle Schausteller auf Gefahren. Polizisten mit Maschinenpistolen wird es weder in Duisburg, noch auf anderen Weihnachtsmärkten in NRW geben. „Sollte es tatsächlich eine Gefährdung geben, reagieren wir auf die Lage angepasst“, sagt Polizeisprecher Joachim Wawrzeniewski, der wie Minister Jäger betont, dass es derzeit keine konkreten Hinweise auf Anschläge gebe. Die Menschen sollten sich keine Sorgen machen, wenn ihnen zwischen Glühweinständen und Makronenbuden vermehrt Polizeistreifen auffallen. Sie sollen das Sicherheitsgefühl erhöhen, sind zudem dafür zuständig, Kleinkriminellen, etwa Taschendieben, das Handwerk zu legen.
Privates Sicherheitspersonal
Die Polizei im Kreis Wesel geht mit erhöhter Aufmerksamkeit in die nächsten Wochen. „Wir sind durch die Ereignisse von Paris natürlich sensibilisiert“, sagt Polizeisprecher Franz-Josef Kuhmann. „Wir machen alles dafür, dass die Bürger weiterhin ohne Sorge auf die Adventsmärkte gehen können.“
Einer der größten Märkte am Niederrhein findet in Moers statt – bis zu 300 000 Besucher werden hier vom 26. November bis zum 22. Dezember erwartet. „Solche Großveranstaltungen haben durchaus ein Risikopotenzial“, sagt Michael Birr, der Chef des Stadtmarketings. „Wir haben als Veranstalter die Aufgabe, uns so gut wie möglich vorzubereiten.“ Auf dem Markt wird privates Wachpersonal eingesetzt, verdeckt und in Uniform. Außerdem gebe es ein Sicherheitskonzept, bei dem sich Stadt, Ordnungsamt, Feuerwehr, Polizei und die Rettungsdienste genau abstimmen. Mögliche Szenarien, die in dem Konzept durchgespielt werden: Eine Bombendrohung und eine Evakuierung. Das sei aber keine Reaktion auf die Anschläge – sondern seit Jahren Normalität. Der Geschäftsführer des Stadtmarketings in Moers betont jedoch: „Eine hundertprozentige Sicherheit kann niemand garantieren.“
„Das Signal wäre verheerend“
Polizeipräsenz beruhige jedoch die Bürger, findet Stephan Hegger von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen, das habe sich auch beim abgesagten Fußball-Länderspiel in Hannover gezeigt. Polizisten auf Weihnachtsmärkten mit schweren Waffen auszustatten, hält auch Hegger nicht für sinnvoll: „Das Signal wäre verheerend.“ Darüber hinaus gebe es Polizeibeamten ein „mulmiges Gefühl, Maschinenpistolen mitzuführen“, weil dadurch die Bedrohungslage erst offensichtlich werde.
Nicht nur Veranstalter und Ordnungsbehörden beschäftigt die Sicherheit der Weihnachtsmärkte, die Schausteller haben sich ebenfalls auf die aktuelle Lage eingestellt. „Wir sind in Gefahrenabwehr erprobt; und die Aufbau- und Betriebsvorschriften bieten uns einen guten Rahmen für den Ablauf“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Schaustellerverbandes Albert Ritter. In Essen etwa betreiben 900 Menschen gut 300 Stände. Sie alle kennen den Notfallplan und haben einen geschulten Blick für Gefahren, meint Ritter. In seiner Branche sei gute Zusammenarbeit mit den Behörden ohnehin notwendig und funktioniere grundsätzlich seit jeher verlässlich und gut.
Schausteller blicken nach Paris
Als Präsident der Europäischen Schaustellerunion blickt Ritter nicht bloß auf die anstehenden Veranstaltungen in Deutschland, sondern ebenfalls auf die in den Nachbarstaaten. Viele seiner Mitglieder wollen trotz der Terroranschläge in den kommenden Tagen ihre Stände in Paris aufstellen. Bislang gibt es jedoch weder Zuckerwatte noch Spekulatius auf der Champs-Élysées. Laut Ritter steht das Einverständnis der französischen Sicherheitsbehörden noch aus.