Früherer Atombunker in Kall-Urft ist heute Ausflugsziel
Der Ausweichsitz in Urft wurde für die Landesregierung für den Fall eines atomaren Zwischenfalls errichtet. Heute ist er ein beliebtes Ausflugsziel.
Kall-Urft.
„Hier sollten die Politiker untergebracht werden?“, fragt eine Teilnehmerin des Fototages im Ausweichsitz in Nordrhein-Westfalen. Der Ausweichsitz, das ist ein ehemaliger Atombunker im beschaulichen Kall-Urft. Dorthin sollten im Falle einer nuklearen Katastrophe Politiker des Landtages evakuiert werden. Glücklicherweise kam es dazu nie. Heute dient die Bunkeranlage als Ausflugsziel – wie an diesem Tag. Harald Röhling und sein Team laden hin und wieder zu Führungen in die längst vergangene Welt ein. Und dabei begibt man sich auf eine kleine Zeitreise.
Bei der Anreise fällt der Bunker gar nicht weiter auf, ist doch ein Großteil hinter Bäumen und Sträuchern verdeckt. Auch den Eingang nimmt man im ersten Augenblick nicht wahr – denn der führt über eine ganz gewöhnliche Garage über einige Treppenstufen hinauf ins Innere.
Die Welt aus Betongrau und knalligen Türenfarben lässt so manch ein Nostalgiker-Herz höher schlagen und weckt Erinnerungen – denn im Inneren des Bunkers ist noch einiges an alter Technik noch vorhanden. Da wären die alten Telefone mit den Wählscheiben, die Fernschreiber, um Kontakt mit der Außenwelt aufrecht zu erhalten. Großes Staunen, vor allem bei den jüngeren Tourteilnehmern.
Ein Ort der Aufarbeitung
Anders ist es für Frau Multhaup, die mit ihrem Sohn an der Führung teilnimmt und mit leuchtenden Augen auf die alten schwarzen und grauen Telefonanlagen blickt. „Ich habe 1980 bei der Bundeswehr angefangen und da hatten wir auch solche Anlagen. Das ist schon spannend, das jetzt alles noch einmal zu sehen – und natürlich kommen da sehr viele Erinnerungen hoch.“
Auch für Herrn Korth ist der Bunkerbesuch etwas ganz Besonderes. Er ist, wie er sagt, ein „Kind des Kalten Krieges“, fast so wie der Bunker, der zu der Zeit errichtet worden war. Für Korth ist die Technik interessant, er ist wie die meisten bei der Führung Fotograf und liebt es, so manch ein Detailfoto von den Apparaturen zu machen. Dennoch ist für ihn der Rundgang auch eine Form der persönlichen „Aufarbeitung“. „Ich finde es wichtig zu verstehen, was damals in der Welt los war. Im Prinzip steuern wir heute auch wieder auf einen Zustand wie im Kalten Krieg zu.“
Im Gespräch mit Harald Röhling geht es weniger um die Aufarbeitung. Vielmehr zeigt er, wie das Leben im Bunker ausgesehen haben könnte, wenn es zum Ernstfall gekommen wäre. In den Bunker selbst wären 200 Personen des Landtages gekommen – alles Männer. Denn Frauen waren damals in höheren Positionen noch ein absolutes Novum. Auch von den Ministern selbst wären nur drei in die Anlage gekommen: der Ministerpräsident, der Innenminister sowie der Justizminister. Sie alle hätten die Geschicke des Landes von Urft aus leiten müssen und können. Allerdings nur über einen Zeitraum von 30 Tagen. Für einen längeren Aufenthalt war der Bunker nicht mit genügend Lebensmitteln ausgestattet.
Eine kalte Zeitreise
Heutzutage ist die Anlage nicht mehr in Betrieb. Die Elektronik ist nicht mehr auf einem zeitgemäßen Stand, der Betrieb funktionierte damals zudem größtenteils über Heizöl. Die Kosten dafür seien nicht mehr zu decken. Daher wird der Bunker auch bei den Führungen nicht geheizt. Sieben Grad sind es lediglich. Eine ziemlich kalte Zeitreise.
Der Ausweichsitz der Landesregierung NRW ist in den 1960ern in der Eifel errichtet worden. Von der Existenz sollten eigentlich nur Eingeweihte wissen – natürlich blieben manche Bauarbeiten nicht unbemerkt. Noch gut 30 Jahre nach Errichtung musste der Bunker betriebsbereit gehalten werden. Erst in den 90er- Jahren wurde der Betrieb eingestellt. Der Bunker befindet sich jetzt im Besitz der Familie Röhling. Sie machten aus dem Ort eine Dokumentationsstätte.