Ein halbes Jahr nach der Verurteilung von Mircos Mörder Olaf H. hat Spiegel-Autor Bruno Schrep die Familie des Täters besucht. Die Normalität ist für die Angehörigen seit der Tat vorbei. Dennoch bekennt sie sich öffentlich zu ihm. Die Tat verabscheue sie, sagt die Mutter. Trotzdem bleibe Olaf H. ihr Sohn.
Mönchengladbach.
Die Bilder von der Suche nach dem vermissten Mirco und dann vom Prozess im Herbst 2011 gegen Mircos Mörder Olaf H. sind vielen noch im Kopf. Und auch die Angehörigen des Opfers haben sich in den Medien zu Wort gemeldet. Doch wie geht es eigentlich den Angehörigen des Täters? Spiegel-Autor Bruno Schrep hat die Familie ein halbes Jahr nach dem Prozess besucht, bei dem Olaf H. zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Er hat fassungslose, wütende Menschen vorgefunden, die trotzdem zu Olaf H. halten.
Für Mutter Helene H. ist das normale Leben vorbei, seitdem die Kripo bei ihr vor der Tür stand und ihr von der Tat ihres Sohnes berichtete. Sie glaubte zunächst an einen Unfall, doch es kam viel schlimmer. Ihr Sohn hatte den zehnjährigen Mirco sexuell missbraucht und ermordet. Die Suche nach Mirco hatte Helene H. genauso wütend in den Medien verfolgt, wie andere auch. Und nun war es ihr Sohn? „An einem Mittwoch ging mein Leben kaputt“, sagt sie. Nach und nach erfuhr sie, dass es ihr Sohn war, der den zehnjährigen Mirco auf einer Skateranlage entdeckt hatte, ihn auf dem Heimweg in sein Auto zerrte und in einem Waldstück missbraucht und dann getötet hatte.
Und auch ein halbes Jahr nach der Verurteilung ihres Sohnes macht ihr das Verbrechen schwer zu schaffen. „Ich kann mich über nichts mehr freuen“, sagt sie im Spiegel-Gespräch. Ich kann auch nicht mehr lachen. Meine Seele ist krank. Innerlich bin ich fast tot.“ Die Familie, die nie mit dem Strafgesetz in Berührung kam, muss sich nun Anfeindungen gefallen lassen oder gar unausgesprochene Fragen nach einer Mitschuld.
Keine Heimlichtuerei mehr
Verstecken und Heimlichtuerei gehören seitdem zum Alltag der Familie. Doch damit will Mutter Helene H. Schluss machen – und bekennt sich öffentlich zu ihrem Sohn. „Was er gestanden hat, verabscheue ich zutiefst“, sagt Helene H. „Aber er ist mein Sohn und er wird immer mein Sohn bleiben.“ Auch Dana S., Schwester von Olaf H., und sein Bruder Michael H. halten zu ihm. Sie besuchen ihn jede Woche im Gefängnis.
Unerklärbar bleibt die Tat für die ganze Familie aber immer noch. Michael H. kann sich noch gut an den hilfsbereiten, handwerklich geschickten Bruder erinnern, der nie eine Gefälligkeit ausschlug und sich liebevoll um seine Kinder kümmerte. Und auch für die Schwester passt die Tat nicht zum eigenen Eindruck. „Die abscheuliche Tat verurteile ich“, sagt Dana S. „Den Täter kenne ich jedoch nicht. Ich kenne nur den Bruder.“ Und den werde sie auch noch in 30 Jahren am Gefängnistor abholen, wenn er freikomme. „Selbst wenn ich im Rollstuhl hinfahren muss.“ (AE)