Der 33-jährige Timo Krupp nimmt sich demnächst viel Zeit für seine Tochter Annabel: Der Sprecher der Cranger Kirmes geht in Elternzeit. Dafür arbeitet er jetzt sogar vor. Um sich anschließend ganz auf seine neue Aufgabe konzentrieren zu können.
Herne.
Ein wenig mulmig war Timo Krupp schon zumute, als er zu seinem Chef ging, um ihm von seinem Wunsch nach Elternzeit zu berichten. Krupp arbeitet bei der Stadtmarketinggesellschaft in Herne und ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Cranger Kirmes zuständig. „Zum Glück hat er’s gut aufgenommen. Er ist ja selber Vater“, erinnert sich der 33-Jährige an das Gespräch mit dem Vorgesetzten Holger Wennrich. Von Mitte März bis Mitte Mai will er endlich mal ganz für seine Tochter da sein.
Es gibt weniger Geld
Annabel ist am 18. September 2013 zur Welt gekommen. Es ist das erste Kind der Krupps. Mutter Veronika, die bei der Essener Jugendhilfe arbeitet, nimmt ein Jahr Elternzeit. Papa Timo, mit der Familie in Essen zu Hause, nimmt zwei Monate. „Mehr wäre auch schwierig“, sagt er, „wegen der Kirmes“. Es ist die drittgrößte in Deutschland, ein Mega-Ereignis. Und wichtiger Wirtschaftsfaktor für Stadt und Region. Vier Millionen Besucher kommen. Und Timo Krupp rührt dafür die Werbetrommel.
Darum arbeitet er jetzt vor, so gut es eben geht. Die ersten Broschüren sind schon fertig, Souvenir-Artikel geordert, die Pressekonferenzen geplant. Und in der ganz heißen Phase steht er dann seinem Chef wieder zur Verfügung. Ab 1. August ist Kirmes in Crange.
Aber ab März ist erstmal Kirmes zu Hause. Annabel ist dran. Kein Handy, keine Mails aus dem Büro. Nur Zeit für die Tochter und für Ehefrau Veronika. Kleines Familienglück pur. „Schon vor der Schwangerschaft war klar, dass wir möglichst viel Zeit mit Annabel gemeinsam verbringen wollen. Anfang des Jahres haben wir dann meine Elternzeit geplant“, erzählt Krupp. Zwei Monate bekommt er dann weniger Geld, aber das nimmt er in Kauf. „Man kann ja vorher gar nicht erfassen, was es bedeutet, wenn plötzlich ein Kind da ist“, schwärmt der junge Vater. „Einfach unbeschreiblich.“ Jetzt ist er noch jeden Tag von acht bis 18 Uhr aus dem Haus. „Morgens verabschiedet mich Annabel lachend, und abends knuddeln wir dann noch ein wenig.“ Der Rest ist Büro. Gut, dass bald mehr Zeit für Vater und Tochter bleiben: „Ich bin sehr dankbar, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit geschaffen hat.“
Er wundert sich über die Meldung, dass in NRW viel weniger Väter als anderswo davon Gebrauch machen. „Viele haben wohl Sorge, dass sie ihren Arbeitsplatz riskieren“, überlegt er sich. „Aber in meinem Freundeskreis machen das alle Väter.“
Das sagt die Gleichstellungsbeauftragte
Dass in NRW nur jeder fünfte Vater in Elternzeit geht, ist für Hernes Gleichstellungsbeauftragte Sabine Schirmer nicht allein dem Einkommensunterschied geschuldet: „Das liegt auch am traditionellen Rollenbild, das Frauen auf Kindererziehung und Männer auf Erwerbsarbeit festlegt.“ Sie beobachte, dass auch da, wo die Einkommen etwa gleich seien, „eher die Frauen in Elternzeit gehen“. Die bisherige Regelung – wenn Männer zwei Monate nehmen, verlängert sich die Elternzeit um diesen Zeitraum – geht Sabine Schirmer nicht weit genug, auch wenn sie es begrüßt, dass Männer auf diese Weise den Alltag mit Kind kennenlernen. Sie spricht sich für eine Verpflichtung der Väter aus, um zu signalisieren, dass Familienarbeit beide angehe. Und: „Wenn klar ist, dass auch der junge Mann in Elternzeit geht, fällt das als Einstellungshindernis für Frauen weg.“
Zusätzlich zum Ausbau der U3-Plätze ist Sabine Schirmer für eine Arbeitszeitverkürzung für beide Elternteile. So findet sie den Vorstoß von Familienministerin Manuela Schwesig richtig, die für eine 32-Stunden-Woche plädiert, bei vollem Lohnausgleich – so wie es in den 80er Jahren schon die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) verlangt habe. Schirmer: „Gerade, wenn Kinder klein sind, sind Eltern ungeheuer gefordert.“