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Ein Dorf, ein Mann, ein Film

Ein Dorf, ein Mann, ein Film

Reken. 

Eigentlich ist Reken nur eine von vielen Gemeinden im westlichen Münsterland: Insgesamt 14 000 Einwohner leben in fünf Ortsteilen, der Naturpark Hohe Mark lockt zu ausgedehnten Wanderungen. «Ein Paradies für Radwanderer» heißt es auf der Webseite des Ortes. Nun hat es Reken aber in die Schlagzeilen geschafft. Der Grund: Ein lange verschollen geglaubter Heimatfilm aus dem Jahr 1956, der die Menschen aus Reken und dem Münsterland in seinen Bann zieht. Wobei: Nicht der Film ist das spannende, sondern die Geschichte, die mit ihm verbunden ist.

Kürzlich wurde der Film «Das Dorf in der Heide» erstmalig im Rekener Rathaus aufgeführt. Eine Premiere, knapp 60 Jahre nach Abschluss der Dreharbeiten. Nur wegen des Sturmtiefs «Xaver» blieben im über 400 Plätze fassenden Saal noch einige Sitze frei. 1956 hatte Regisseur Hans Müller-Westernhagen, Vater des Rocksängers Marius, im Ortsteil Klein-Reken einen damals typischen Stoff verfilmt: Stefan, ein glückloser Maler aus der großen Stadt, zieht in ein kleines Dorf und heiratet nach ein paar Wendungen seine große Liebe. Viele Dorfbewohner kamen damals als Statisten zu einem kleinen Auftritt. Weil die Produktionsfirma pleiteging, blieb der Streifen jedoch unvollendet und geriet schnell in Vergessenheit.

Wiederentdeckt hat den Film Anton Heilken. Als der Rekener mit einigen Freunden 2009 während einer Radtour in der Gaststätte einkehrt, die Westernhagen damals beherbergt hatte, erwähnt Heilken das vergessene Filmprojekt. Die Freunde sind begeistert, Erinnerungen werden wach. Fortan füllt die Suche nach den verschollenen Filmbändern den Ruhestand des pensionierten Elektromeisters aus. Mithilfe des Leiters des Kinofests Lünen, Michael Wiedemann, machte der 69-Jährige das alte Material zum «Das Dorf in der Heide» schließlich im Bundesfilmarchiv in Koblenz ausfindig.

Dort lud er insgesamt 43 35-Millimeter-Filmrollen in seinen Wagen. «Mein Passat sah aus wie überladen», erinnert sich Heilken. Auf den Rollen befand sich reines Rohmaterial, ohne Schnitt und Ton, noch dazu war das Drehbuch verschollen. Heilkens Partner Wiedemann war elektrisiert. Der Cineast wollte den Film unbedingt komplett fertigstellen. Ein Mammutprojekt, für das Wiedemann aber großzügige Förderer fand.

So vollendeten Studenten der Internationalen Filmschule Köln den Film in monatelanger, mühevoller Kleinarbeit. Sie liefen im Rekener Heimatmuseum über alte Holzdielen, um die Geräuschkulisse des Films nachzuahmen und fanden mit Hilfe von Oldtimer-Experten vergleichbare Modelle der im Film verwendeten Autos. Sogar eine Lippenleserin wurde hinzugezogen, um die Dialoge wiederauferstehen zu lassen. Stolz präsentierte Wiedemann das Werk beim Lüner Filmfestival: «Mich überkamen Tränen der Rührung.»

Die Vorführung in Reken selbst wurde zu einem kleinen Dorffest. Mit Inge Rassaerts wurde eine noch lebende Darstellerin feierlich begrüßt, der Bürgermeister versprach Freibier. Alte Geschichten wurden erzählt. So will ein Zeitzeuge den Schauspieler und Sänger Marius Müller-Westernhagen («Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz») während der Dreharbeiten einmal auf dem Arm gehalten habe. Der berühmte Sohn des Regisseurs als Baby in Reken? Zweifel sind angebracht, der junge Westernhagen war 1956 schon sieben Jahre alt.

Ein neues Projekt

Nach den Feierlichkeiten hofft Anton Heilkens Ehefrau Maria, dass der Rummel endlich vorbei geht – ein Pressevertreter nach dem anderen klingelte in den letzten Wochen durch. Am Tag nach der Premiere in Reken war Ehemann Anton aber schon wieder beschäftigt: Derzeit wird an einem „Making-of“ des Films gearbeitet.