Makler schwärmen von der „Insellage“: Dortmunds nördlichster Stadtteil Brechten ist eine gefragte Adresse. Im Gegensatz zu anderen nördlichen Stadtteilen wie Altenessen, Walsum oder Riemke und auch im Gegensatz zu den direkten Nachbarn Derne und Eving hat die Indsutrie um Brechten immer einen Bogen gemacht.
Dortmund.
Bäuerlich könnte man die Gegend nennen. An manchen Tagen vielleicht auch verträumt. Ländlich trifft es aber in jedem Fall. Dortmund-Brechten muss man sich so vorstellen: Fachwerkhäuser und viel Backstein. Im Hintergrund taucht immer irgendwo ein Bauernhof auf und noch ein Stückchen weiter dann ein Feld. Man könnte auch den Spuren der Trecker folgen, die die Straßen hier und da mit ihren Schlamm-Stroh-Brocken besprenkeln. Und diese Straßen heißen „Heuweg“ oder „Im Dorfe“.
Es sieht aus wie im Münsterland
Wer sich hier nicht auskennt und im Ortskern ausgesetzt wird, der würde sich im Münsterland vermuten und wäre mit dieser Einschätzung gar nicht so weit weg. Denn dazwischen liegen keine Welten, sondern bloß das überschaubare Lünen.
Brechten ist der nördlichste Stadtteil Dortmunds – was bemerkenswert ist, denn er unterscheidet sich erheblich von anderen Nordlagen der Ruhrgebietsstädte und auch von den Nachbar-Stadtteilen: Im Gegensatz zu Altenessen, Eving, Walsum oder Riemke hat die Großindustrie um Brechten immer einen Bogen gemacht. Hier wollten sich keine Fabriken ansiedeln und keine Zechen ihre Fördertürme in die Landschaft pflanzen. Zwar wurde auch im Brechtener Untergrund Kohle abgebaut, aber raus aus ihren Schächten trauten sie sich hier nicht. Das mag daran liegen, dass kein Platz war. Andere waren einfach schneller: Klar, die Bauern, die viel Bewegungsfreiheit fürs Vieh brauchten, aber auch Ärzte und Kaufleute fanden’s hier lebenswert. „Brechten war schon immer ein reines Wohngebiet“, sagt Horst Fängewisch. Der 70-Jährige hat Jahrzehnte als evangelischer Gemeindepfarrer gearbeitet und ist dabei auch zum Geschichtsforscher geworden. Brechten nennt er liebevoll „das Dorf“.
Das Zeug zum Heimatkrimi
Zwischen historischen Dokumenten und Sütterlin-Schriften findet Fängewisch manchmal auch Vorlagen, die das Zeug zum Heimatkrimi hätten: 1691, rund 600 Jahre, nachdem die erste Kirche in Brechten gebaut wurde, zog sich eine Blutspur zu Lohoff, einem der ältesten und größten Höfe. Landwirte lebten gefährlich, besonders, wenn sie wohlhabend waren. Und jetzt hatte es Hausherrn Johann erwischt. Ermordet! Ausgerechnet an einem heiligen Tag, dem ersten Passionssonntag. Man hört die alten Kirchenglocken fast noch das Trauerspiel schlagen. Dabei war die Zeit schon aufregend genug für Brechten. Gerade löste sich die Ortschaft mehr und mehr von Lünen und bekam sogar eine eigene Schule – und jetzt die Meuchelei. Ein Schock!
Laut „Capital“ Dortmunds einziges Luxusquartier nördlich der B 1
Längst vergessen. Das Blut ist getrocknet, der Stadtteil ist gefragter denn je. Im Immobilien-Kompass des Wirtschafts-Magazins Capital taucht Brechten als Dortmunds „einziges Luxusquartier, das nicht südlich der Bundesstraße 1 zu finden ist“ auf. Von einer „Insellage“ ist die Rede und einem „Exot“ in der Stadtlandschaft. Makler behaupten, dass in Brechten kauft, wer sich die südlichen Toplagen Lücklemberg und Kirchhörde nicht leisten kann.
Es scheinen einige zu sein, denn Brechten wächst. Knapp 10 000 Einwohner sind es, und es werden immer mehr. „Das Neubaugebiet Brechtener Heide bietet vielen Familien interessantes Wohnland“, sagt Horst Fängewisch, der ehemalige Pfarrer. Zusammen mit den Bauprojekten am Phoenixsee in Hörde und Hohenbuschei in Brackel gilt die „Brechtener Heide“ als junge Top-Adresse in der Stadt. Damit können sich sogar alt eingesessene Brechtener anfreunden, für die die Dorfgemeinschaft manchmal doch stärker ist, als die Vorfreude auf Neues. Großstadt hin oder her, da kommt dann das Ländliche durch.