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„Die CDU war nie nur konservativ“

„Die CDU war nie nur konservativ“

Düsseldorf. 

Der Blick aus dem Fraktionsbüro auf den Rhein ist beneidenswert. Aber Armin Laschet, NRW-Landeschef der CDU, hat kurz vor dem Parteitag kaum Augen dafür. Der Landesparteitag steht an, und bei dem benötigt er die Zustimmung auch der westfälischen Parteigliederungen, die ihm nicht alle recht trauen.


Frage: Eigentlich müssten Sie aus der Hagener CDU Dankesadressen bekommen, dass das mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf geklappt hat.
Armin Laschet:
Ja, die haben sich auch bedankt, aber der Grad der Huldigung nach oben ist noch offen (lacht). Im Ernst: Dass die Hagener CDU mit Cemile Giousouf in den Wahlkampf gezogen ist, war eine Hagener Entscheidung.


Das ist ein Signal der CDU, das sehr stark mit Ihrem Namen verbunden ist. Aber ist die CDU nicht auf dem Wege, sich zu stark um Randgruppen zu kümmern und darüber ihre Stammklientel zu vergessen?
Wie kommen Sie darauf? Mein erster Schwerpunkt als Landesvorsitzender war eine Industrietour. Die Frage, wie wir Industriearbeitsplätze erhalten, ist eine Kernkompetenz der Union. Das Profil der CDU ist, dass sie sowohl etwas von Wirtschaft als auch von Arbeitsplätzen versteht. Unser Landesverband ist die Partei von Friedrich Merz und von Norbert Blüm. Wenn wir aber Volkspartei bleiben wollen, müssen wir die gesamte Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Deshalb hat sich nicht nur die CDU Hagen, sondern die Bundespartei gefreut, dass wir erstmalig mit Cemile Giousouf mit einer türkeistämmigen Abgeordneten im Bundestag vertreten sind. Außerdem: Jeder Muslim, der in die CDU eintritt, beschäftigt sich mehr mit dem christlichen Menschenbild als mancher, der einfach so in die Partei eintritt. Diese neuen Mitglieder können die Werte, die das christliche Menschenbild ausmachen, oft besser erklären als manche, die seit Ewigkeiten in der CDU sind.


Aber noch mal: Läuft die CDU nicht insgesamt Gefahr, ihr Profil als konservative Partei zu verlieren?
Die CDU war nie nur rein ­konservativ. Konrad Adenauer oder Helmut Kohl hätten sich gewehrt, wenn Sie die CDU eine konservative Partei genannt hätten. Im ­Gegensatz zu den britischen Konservativen sind wir Christdemokraten. Das ­christliche Menschenbild ist nicht konservativ. Christliche, immer bleibende Grundwerte in eine modere Zeit, in dss 21. Jahrhundert zu übersetzen, das ist unsere Aufgabe!
Sieht das die Kanzlerin, wenn Sie im Parteivorstand darüber reden, eigentlich auch so?
Die Kanzlerin hat drei von ihren Stellvertretern einen Auftrag erteilt, sich grundsätzliche Gedanken über das Parteiprogramm und für eine Zeit nach 2017 zu machen: Julia Klöckner zu Thema „Gesundes Leben“, Thomas Strobl zum Thema „Arbeitswelt“ und mir zum Thema „Moderne Bürgergesellschaft“. Wir starten mit diesem anspruchsvollen Projekt nach den Wahlen.


Das wären alles Themen, die man mit den Grünen im Bund hätte realisieren können.
Ja, aber das wichtigste Thema, die Revision der Energiepolitik und bezahlbare Preise für Strom, waren mit den Grünen schwer zu machen. Auf einer Rente mit 63 hingegen hätten die Grünen nicht bestanden. Aber sie haben in den Sondierungsgesprächen gekniffen, weil sie sich in Berlin – im Gegensatz zu Hessen – Regierung nicht zutrauten.


Und wenn es in NRW eine schwarz-grüne Koalition gäbe?
Dazu fehlt mir angesichts der heutigen Politik jegliche Vorstellungskraft. Eigentlich passt die Schuldenphilosophie von Frau Kraft nicht zu einer Nachhaltigkeitspolitik, für die die Grünen immer werben. In Hessen sind die Grünen anders. Vielleicht wären wir dann so erfolgreich wie Hessen und endlich nicht mehr Schlusslicht bei jeder Statistik.
Dann kommen wir zur Landespolitik: Im Sauerland gibt es die Sorge, dass der neue Landesentwicklungsplan sich um Brachflächen im Ruhrgebiet sorgt und keine Betriebserweiterungen im ländlichen Raum zulassen wird.
Der Landesentwicklungsplan ist ein offener Angriff auf das Sauerland. Man kann nicht ein Unternehmen, das sich in Südwestfalen erweitern will, auf das Opel-Gelände in Bochum verweisen. Eines ist doch klar: Neue Arbeitsplätze entstehen nicht mehr nur in den Ballungszentren, sondern vor allem in ländlichen Regionen. Und das lässt sich vor Ort besser planen als aus der Düsseldorfer Staatskanzlei.


Wer ist denn da der Hemmschuh in der Landesregierung?
Das alte SPD-Denken aus der Zeit vor Clement und Steinbrück, also aus dem letzten Jahrhundert, ist wieder da. Regulieren und Kontrollieren mit immer mehr Vorschriften und immer mehr Beamten – das ist heute Maßstab von Rot-Grün. Den Menschen vor Ort etwas zutrauen – das ist unser CDU-Gegenentwurf.


Das bedeutet also mehr Bürgergesellschaft und mehr kommunale Selbstverwaltung. Wie wollen Sie die Kommunen dafür finanziell ausstatten?
Die Kommunalfinanzen waren sicher einer unserer Schwachpunkte in unserer Regierungszeit, das gehört mit zur Wahrheit. Dafür haben wir teilweise auch bei den vergangenen Wahlen die Quittung bekommen. Die Kommunen haben seit den 90er Jahren immer mehr Aufgaben übertragen bekommen. Das kann man nicht innerhalb einer Wahlperiode so einfach ändern. Aktuell wird der Bund den Kommunen beispielsweise mit der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro jährlich helfen. Am Ende aber bleibt es Aufgabe des Landes, für eine auskömmliche Finanzierung der Städte und Gemeinden zu sorgen. Und da hilft ein rot-grüner Vorschlag, dass die starken Städte, die gut gewirtschaftet haben, den anderen jetzt per Soli zwangsweise etwas abgeben sollen, nicht wirklich.


Wo sehen Sie die Schwerpunkte der CDU in NRW?
Bis 2015 wollen wir eine grundsätzliche Positionsbestimmung vorlegen. Diese Volkspartei war immer eine sehr europäische – übrigens seit Konrad Adenauer – und ist immer die Partei der Sozialen Marktwirtschaft. Und ich glaube, dass es heute mit zur Aufgabe der Union gehört, die Städte und den ländlichen Raum zu versöhnen. Das „U“ in „CDU“ steht für Union, und heute brauchen wir beides: Wir brauchen das Ruhrgebiet und wir brauchen den ländlichen Raum. Letzterer findet bei der aktuellen Landesregierung allerdings wenig statt. Dabei entstehen heute die meisten neuen Arbeitsplätze in Südwestfalen, Ostwestfalen und im Münsterland. Dort ist die Dynamik.


Wobei der ländliche Raum dann auch profilierte Politiker braucht. Wie sehr fehlt der CDU eigentlich ein Eckhard Uhlenberg?
Erstens ist Eckhard Uhlenberg noch im Vorstand der Partei, also präsent. Und Christina Schulze-Föcking aus dem Münsterland ist als junge Kollegin in seine Fußstapfen getreten, leitet einen Arbeitskreis der Fraktion. Und zweitens ist Südwestfalen mit Klaus Kaiser als mein Stellvertreter stark in der Bildungspolitik. Und im Deutschen Bundestag engagieren sich in wichtigen Aufgabenfeldern Matthias Heider oder Patrick Sensburg, der vor kurzem den Vorsitz des NSA-Untersuchungsausschusses übernommen hat.
Mit Blick auf die Wahlen 2017 braucht die CDU aber auch in der Fraktion neue Köpfe, oder nicht?
Erst mal führe ich eine Partei, die Europa, Bund, Land und Kommunen zusammen bringen muss. Die CDU muss als Ganzes wahrgenommen werden. Am Samstag werden wir den Landesvorstand neu wählen, und noch vor der Sommerpause wird es Neuwahlen in der Fraktionsspitze geben, um dann ein Team aufzustellen, das 2017 in den Wahlkampf geht.


Muss sich die CDU dann für neue Koalitionspartner bereit machen?

Koalitionen entscheiden sich an Sachthemen und am Wahlergebnis. Wir werden uns auf keinen Koalitionspartner inhaltlich ausrichten, sondern für CDU pur kämpfen. Natürlich ist klar, dass die FDP uns inhaltlich am nächsten ist.


Wird beim Landesparteitag Herr Laumann einer Ihrer Stellvertreter?
Ja. Davon gehe ich fest aus.


Freuen Sie sich auf die Zusammenarbeit mit Herrn Laumann?
Natürlich! Karl-Josef Laumann ist ein Schwergewicht aus Westfalen und das soziale Gewissen der gesamtdeutschen CDU. Ich bin froh, dass er weiter dabei ist. Die ­Doppelspitze nach dem Wahldesaster 2012 hat uns damals geholfen. Aber die Auflösung dieser Doppelspitze war jetzt auch richtig. Und dass er weiter in der Partei an zentraler Stelle mithelfen will, zeigt, dass wir als Mannschaft zusammenstehen.