Ein Arbeitsplatz im Wandel der Zeit: Der Rentner Hans Hausmann traf sich im Warmbandwerk Beekerwerth in Duisburg mit den Schichtkollegen von einst
Duisburg.
Ist ja nicht gesagt, dass sich alle freuen, wenn der ehemalige Chef nach Jahren wieder reinschaut. Hier im Warmbandwerk II im Werk Beeckerwerth bei Thyssen-Krupp ist es aber so. Axel, Stefan und Jürgen nehmen Hans sogar kurz in den Arm, fester Schlag auf den Rücken, Männerbegrüßung, „alles klar?“, „sicher, muss ja“. Hans Hausmann, fast 79 Jahre alt, setzt sich und lächelt: „Die Jungs sind fast wie Söhne für mich.“ Dann blickt er durch die Glasscheiben hinunter in die mächtig große Werkshalle und sagt etwas leiser: „Als wäre es gestern. Hier habe ich im Frühjahr 1964 die erste Bramme gezogen.“
Ein Jahr ohne Unfall
Fast 50 Jahre also ist das her. Und die NRZ hat das Wiedersehen der alten Kollegen genutzt, um mal einen kurzen Blick auf die Arbeitswelt damals und heute zu werfen. Der größte Unterschied im Werk selbst: Damals gab es nur zwei Öfen, an denen in einer Schicht zwölf Mann arbeiteten, heute sind es sechs, sowohl Öfen als auch Mitarbeiter. Frank Struska (48) ist seit 1984 dabei, Hausmann hat ihn also angelernt, heute trägt er den schönen Arbeitstitel „Senior Engineer“, er kennt die Fakten: „Sicherheit ist heute das wichtigste Thema auf der Schicht, überall auf der Hütte. Wir im Warmbandwerk II haben jetzt ein komplettes Geschäftsjahr ohne Unfall mit Ausfalltag.“
Unten im Werk wird es plötzlich höllenhell, ein Ofen öffnet sich, eine der Brammen wird auf den Rollgang ausgetragen, 1280 Grad heiß, über 30 Tonnen schwer, zehn Meter lang, 26 Zentimeter stark. Später wird die Bramme gewalzt, dann ist sie nur noch 2 mm dick, aber einen Kilometer lang. Das Blech, aus dem unsere Autos sind.
Hausmann winkt ab: „Wir waren natürlich auch vorsichtig damals. Unfälle gab’s selten. Aber… na ist schon besser heute.“
Zur Sicherheit haben vermutlich auch die Arbeitszeiten beigetragen. Zwar wurde damals wie heute acht Stunden gearbeitet, früher aber im 7-7-7 Rhythmus. Früh-, Mittag-, Nachtschicht jeweils sieben Tage und dann vier Tage frei. Heute geht das im Zwei-Tage-Rhythmus. Das schlaucht Körper und Psyche nicht so. Sagen die Experten, bestätigen auch die Männer.
Wie sieht denn der Vergleich beim Geld aus? Hausmann, mit einem Elefantengedächtnis gesegnet, hat die Zahl sofort parat: „Ich habe am Anfang 4,20 bekommen. D-Mark.“ Axel grinst: „Bisschen mehr ist es schon. So zwischen 14 und 17 Euro kriegen wir heute.“
Und die Effektivität der Arbeit? Frank Struska schränkt ein. „Schwer zu vergleichen. Letztens hatten wir 7932 Tonnen in einer Schicht. In den 80ern waren es so im Schnitt 4200 Tonnen.“ Während die Anlage zu Beginn von Hand gefahren wurde, übernimmt das heute ein Computer. Was aber nicht bedeutet, dass die Männer nicht mehr richtig wullacken müssen. Denn noch immer muss ab und an die Rest-Schlacke mit dem Krätzer in der Hand aus dem Ofen geholt werden.
Zur Strafe den Hof fegen
Und die Gemeinsamkeit, das Bierchen nach Schichtende? Hausmann: „Wir sind damals öfter nach Bruckhausen zu ‘Tante Emma’ gegangen. Aber als die Polizeikontrollen auf den Straßen immer mehr wurden, ließ das schnell nach. Damals wurde auch während der Schicht schon mal Bier oder ein Klarer getrunken.. War damals auch verboten, aber später kam dann das ‘grundsätzliche Alkoholverbot’.“ Frank: „Da halten sich auch alle dran. Heute gehen wir selten nach der Arbeit in eine Kneipe. Eher mal gibt es Kegelausflüge oder ein Fußballturnier.“
Hausmann geht mit Struska hinüber in den Kontrollraum. Stunde der Wahrheit. Wie war er denn wirklich so als Schichtführer? Stefan grinst: „Streng, aber gerecht. Wenn du Scheiße gebaut hattest, bekamst du den Besen in die Hand. Ich hab hier einige Quadratkilometer gefegt.“ Axel nickt: „Zum Glück hat er Zigarre geraucht. Da hast du schon immer von Weitem gerochen, wenn er kam.“ Die drei lachen, werden dann aber wieder ernst: „Erstens war es immer witzig mit ihm. Und zweitens: Nach außen stand er immer vor uns und hat allen Ärger von uns ferngehalten. Und genau das macht doch einen Chef aus, oder?“