Immer mehr Landwirte setzen auf Verkaufsautomaten. NRW-weit sind wohl schon über 1000 in Betrieb. Vor allem Milch, Eier und Grillfleisch gehen gut
An Rhein und Ruhr.
70 bis 75 Wochenstunden hat der Lebensmitteleinzelhandel heute meist geöffnet. „Da kann ein Hofladen nicht mithalten“, sagt Birgit Jacquemin von der Landwirtschaftskammer. Immer mehr Landwirte stellen deshalb Verkaufsautomaten auf – als Alternative zum Laden oder in Ergänzung dazu. Jacquemin schätzt, dass es mittlerweile mehrere Hundert, NRW-weit sogar über 1000 solcher Automaten gibt, ein regelrechter Boom.
Den Anfang machten vor einigen Jahren, jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung, die „Milchtankstellen“ – also Verkaufsautomaten für Rohmilch. Mittlerweile werden in den Automaten aber auch z. B. Obst, Gemüse, Brot, Fruchtaufstrich, Kartoffeln und Eier angeboten. Gerade in diesen heißen Tagen läuft Grillfleisch gut. „Klappe auf, Fleisch raus — Automaten sind eine tolle Möglichkeit für Landwirte, sich von Öffnungszeiten unabhängig zu machen und rund um die Uhr Frisches anzubieten“, meint Andrea Bahrenberg von den Rheinischen Bauern.
Direktvermarktung stellt für die Landwirte in der Regel ein Zubrot dar. In Zeiten niedriger Preise im Lebensmitteleinzelhandel wird es aber immer wichtiger. Jacquemin informiert Landwirte deshalb über die Möglichkeiten, die solche Automaten bieten. Das Interesse ist groß. Eine Infoveranstaltung gestern im münsterländischen Coesfeld war rasch ausgebucht, nächsten Monat folgt eine in Recklinghausen.
Gut frequentierte Standorte
Bei den Info-Terminen geht es z. B. um Präsentation und Bestückung (Abwechslung ist wichtig!), um Hygiene-Vorschriften und um Technik (Trommel- oder Spiralautomaten und Schließfächer). Die Geräte werden immer ausgefeilter. Manche verfügen über Telemetriesysteme, die den Füllstand kontrollieren oder Defekte melden. „An einigen kann man auch mit EC-Karten bezahlen“, erklärt Birgit Jacquemin.
12 000 bis 20 000 Euro müssten Landwirte in die Anschaffung eines Automaten schon investieren, meint die Expertin von der Kammer. Je nach Größe und technischen Finessen sind sie noch teurer. Ein Selbstläufer sind die Automaten nicht. Andrea Bahrenberg von den Rheinischen Bauern berichtet, dass einzelne Landwirte ihre Automaten auch schon wieder abgebaut haben. „Der Erfolg hängt wesentlich von einem gut frequentierten Standort ab“, betont Birgit Jacquemin. Ratsam sei ein Einzugsgebiet von 5000 potenziellen Kunden. Das Automatengeschäft sei zudem witterungsabhängig. Wenn es im Winter draußen früher dunkel ist, werde weniger gekauft.
Anders als ein Hofladen kann ein Verkaufsautomat nicht mit dem unmittelbaren Kontakt zum Bauern, dessen Familie oder Mitarbeitern punkten. Laut den bisherigen Erfahrungen ist das nicht unbedingt ein Problem, wie Jacquemin berichtet. Meistens sei der Landwirt ja doch irgendwie in der Nähe, arbeite zum Beispiel im Stall: „Wenn es gewünscht wird, ergeben sich die Gespräche dann auch so“, ist die Kammer-Expertin überzeugt.